Das waren die "Österreichischen Medientage 2020"

Who-is-Who der Medienszene traf sich im "Erste Bank Campus" in Wien und diskutierte den Ist-Zustand und die Zukunft der Branche. "Horizont"-Chefredakteur Hofer: "Dieses Jahr ist zur Existenzfrage verkommen – für Medien und die Gesellschaft."

"Was war, wird nicht bleiben!" Mit diesen Worten hat Horizont-Chefredakteur Jürgen Hofer am Mittwoch die "Österreichischen Medientage 2020". Im "Erste Bank Campus" in Wien hatten sich 100 Gäste, das Who-is-Who der Medienszene, eingefunden, um über Ist-Zustand und Zukunft der Branche zu diskutieren.

Medien als "Kompasse der Wahrheit"

Hofer sprach in seiner Rede über die Auswirkungen der Coronakrise: "Dieses Jahr ist zur Existenzfrage verkommen – für Medien und die Gesellschaft." Die Digitalisierung sei dadurch in einem Maße beschleunigt und in neue Sphären gehoben worden, "die viele vor einigen Monaten für nicht für möglich gehalten hätten". In solch turbulenten Zeiten seien Medien "Kompasse der Wahrheit". Die Digitalisierung spielte dann auch in der anschließenden Keynote von EU- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler die zentrale Rolle.

Im ersten Panel diskutierten der deutsche Botschafter Ralf Beste, Finanzstadtrat Peter Hanke, Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich-Leiter Martin Selmayr, US-Botschafter Trevor Traina und der britische Botschafter Leigh Turner, wie eine Welt nach Corona aussehen könnte.

Wenn drei Fernsehbosse diskutieren

Ein weiteres Highlight des ersten Tages war der Talk "Geiler Public Service, Bro!" bei dem ORF-General Alexander Wrabetz, SRG SSR-Generaldirektor Gilles Marchand und ZDF-Intendant Thomas Bellut unter der Moderation von Horizont-Chefredakteur Jürgen Hofer  über den Weg der öffentlich-rechtlichen Medienanstalten zu den Jungen diskutierten.

Wrabetz nannte drei Wege, wie der ORF das junge Publikum erreichen will: den klassischen Weg übers lineare TV, über den neuen ORF-Player und über Social Media. Marchand hat mit Swiss Play eine nationale Plattform im Köcher, auf der alle Angebote in den vier Landessprachen untertitelt werden sollen. In Deutschland ist man den Schweizern und Österreichern bereits einen Schritt voraus: Das ZDF hat mit funk schon eine eigene Plattform, die auf die junge Zielgruppe ausgerichtet ist. Dafür werden 45 Millionen investiert, verriet Thomas Bellut.

Breitenecker überlässt Mitarbeitern die Bühne

Für Aufsehen sorgte im Anschluss Markus Breitenecker: Der ProSiebenSat.1 Puls 4-Geschäftsführer nutzte sein Plädoyer "Reflexionen eines Medienmachers" nämlich dafür, um die Bühne vier seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – Wettermoderatorin Verena Schneider, Journalist George Wahid, Politikjournalistin Alexandra Wachter und Moderatorin Arabella Kiesbauer – zu überlassen, die ihre Erfahrungen mit Hetze, Rassismus, Gewalt, Chancengleichheit und Sexismus teilten.

Schneider sprach darüber, wie sie von Zusehern als "grindige Frau, die im Fernsehen nichts zu suchen hat", mit "fetten Oberschenkeln, die kein Mann ertragen kann" und die "nur mal richtig durchgefickt werden müsste", beschimpft wurde. Der gebürtige Iraker Wahid und Kiesbauer berichteten über ihre Erfahrungen mit Rassismus. Wachter hingegen brachte das Thema häusliche Gewalt und ihre Erfahrungen damit aufs Tapet.

Den Abschluss des ersten Tages bildete die Diskussionsrunde "Was die Welt jetzt braucht: Sicherheit, Nachhaltigkeit und Verantwortung". Austrian Power Grid-Vorstand Gerhard Christiner, Autor Marc Elsberg, Arzt und Health.DigitalCity.Wien-Initiator Siegfried Meryn, Flughafen Wien-Vorstandsdirektor Günther Ofner und Post-Vorstand Peter Umundum sprachen unter anderem über die Rolle von Medien in der Pandemie.

"Journalismus zwischen Morgen und Grauen"

Franziska Augstein, Journalistin bei der Süddeutschen Zeitung und Tochter des legendären Spiegel-Gründers Rudolf Augstein, eröffnete den zweiten Tage der "Österreichischen Medientage 2020" mit der Keynote "Die Verantwortung der Medien: Journalismus zwischen Morgen und Grauen". Sie warnte davor, dass sich Medien nicht prostituieren dürften. Vielmehr sollen sie durch seriöse Berichterstattung der Abschaffung der Demokratie vorbauen. Im Gegensatz zur Prostitution habe die unabhängige Berichterstattung nicht das Erfüllen von Kundenwünschen als oberstes Ziel. Augstein: "Journalisten müssen auch über Themen und Zustände berichten, die Leser noch nicht kennen."

In der Runde "Politik, Wirtschaft und Journalismus: Eine Beziehung voller Missverständnisse" diskutierten Kurier-Journalistin Daniela Kittner, Presse-Chefredakteur Rainer Nowak, Ex-Erste Group-Chef Andreas Treichl und Wüstenrot-Generaldirektorin Susanne Riess unter der Moderation von Puls 4-Infochefin Corinna Milborn über eine "komplizierte Dreiecksbeziehung". Kittner erzählte, dass sich das Verhältnis zwischen Politik und Journalismus in den letzten Jahren durch den Einfluss der sozialen Medien stark verändert habe. Laut Riess werde der Einfluss der Wirtschaft auf Medien überschätzt: Wirtschaftsunternehmen seien "oft wahnsinnig naiv im Umgang mit Medien".

"Wir performen im Werbemarkt überproportional gut"

Unter der Moderatorin von Mindshare Austria-CEO Ursula Arnold sprachen ORF-Enterprise-CEO Oliver Böhm, RMS Austria-Geschäftsführer Joachim Feher und Wirtschaftskammer Österreich-Obfrau Bundessparte Information und Consulting Angelika Sery-Froschauer über "Werbung in Österreich". Laut Sery-Froschauer hätten es die Agenturen trotz der Auswirkungen der Corona-Pandemie bisher geschafft "gut durch den Lockdown durchzutauchen". "Wir performen im Werbemarkt überproportional gut – das hätte ich vor einem halben Jahr nicht für möglich gehalten", zeigte sich auch Joachim Feher positiv. (as)

 

Bilder vom Cocktail-Empfang der "Österreichischen Medientage 2020" finden Sie in unserer Fotogalerie.

www.medientage.at

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