Medienenquete: "Wir rammen uns die Messer in den Rücken"

"Österreichisches Facebook", Fake News und e-Privacy – Im Wiener Museumsquartier stand nicht nur die Zukunft des ORF zur Debatte.

Medienminister Gernot Blümel hat gerufen und die heimischen Mediengranden sind zahlreich erschienen. Die von der Regierung initiierte zweitägige Medienenquete im Wiener Museumsquartier (MQ) ist am Donnerstag gestartet und wartete gleich mit Keynotes von Axel Springer-Chef Mathias Döpfner, Ex-ORF-Generalintendant Gerhard Zeiler sowie Vera Jourova, EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung, auf. Daneben fanden noch eine Reihe von sogenannten Schwerpunkt-Sessions und Panel-Diskussionen statt.

Asymmetrischer Wettbewerb zwischen traditionellen Medien und globalen Giganten

Blümel gab in seiner Eröffnungsrede zu bedenken, dass die medienpolitische Debatte in Österreich seit Jahren auf der Stelle trete, während sich die Medienwelt unaufhaltsam weiterentwickele. "Mittlerweile geht es jedoch darum, ob es in zehn bis 15 Jahren noch so etwas wie österreichische Inhalte im digitalen Raum und ob es eine pluralistische österreichische Medienwelt in der Form noch geben wird. Und es geht um die demokratiepolitische Bedeutung österreichischer Medien in einer Zeit, in der sich diese immer schwerer finanzieren können", so Blümel.

Der Medienminister adressierte auch die "fundamentalen Herausforderungen durch die Änderungen beim Werbemarkt, das geänderte Nutzerverhalten und den asymmetrischen Wettbewerb zwischen den traditionellen Medien und den neuen großen, globalen Giganten". Blümel: "Die neuen Player sind anders aufgestellt als die bisherigen Medien – sie unterliegen kaum Regulierungen, zahlen kaum Steuern und ersparen sich oft kostspielige Redaktionen. Das macht den fairen Wettbewerb innerhalb der Branche kaum mehr möglich."

Gebührenfinanzierung essenziell für Unabhängigkeit des ORF

Der ehemelige ORF-Generalintendant und nunmehrige Präsident von Turner International, Gerhard Zeiler, sprach in seiner Keynote über die wesentlichen Aufträge, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe. Ganz vorne stehe dabei der Auftrag zur journalistischen Unabhängigkeit, die auch die "journalistische Unbequemheit" mit einschließe. Das bedeute auch, dass man der Politik die Stirn bieten müsse.

Eine der zentralen Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunk sei es, die digitalen Angebote auszuweiten. Dazu gehöre beispielsweise die TVthek. Vom YouTube-Verbot für den ORF halte er nichts. Eine Absage erteilte der Medienmanager auch der Idee den ORF aus dem Budget zu finanzieren, da sie im Widerspruch zur Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von der Politik stehe. Die Gebührenfinanzierung sei "die wesentlichste Grundlage für die Finanzierung des Öffentlich-Rechtlichen".  Einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen Öffentlich-Rechtlichen und Privaten konnte er hingegen etwas abgewinnen. Dabei nannte er einerseits die gemeinsame Werbevermarktung im digitalen Bereich sowie den gemeinsamen Erwerb von Sportrechten wie etwa der UEFA Champions League.

e-Privacy-Pläne als "Treppenwitz der Geschichte"

Mathias Döpfner kritisierte in seiner Keynote die EU-weite e-Privacy Verordnung, die nächstes Jahr in kraft treten soll, scharf. Sie seien ein "Treppenwitz der Geschichte". Die Verordnung würde nicht die Daten der User schützen, sondern die "amerikanischen Monopole noch stärker machen". Deshalb forderte er, dass die internationalen Onlineriesen stärker reguliert werden sollen. EU-Kommissarin Vera Jourova warnte in ihrer Rede vor manipulierten Wahlen durch Desinformation und Fake News.

Nach der Mittagspause diskutierten Heute-Chefin Eva Dichand, oe24.at-Geschäftsführer Niki Fellner, Puls 4-Moderatorin Corinna Milborn, VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger, ORF-Onlinechef Thomas Prantner sowie Theodor Thanner von der Bundeswettbewerbsbehörde, moderiert von Journalistin Eva Weissenberger, unter dem Motto "Neue Allianzen, leichter gesagt als getan?". Dabei wurde auch das Thema eines "österreichischen Facebooks" auf den Tisch gebracht. Thanner sagte in seiner Funktion als Leiter der Bundeswettbewerbsbehörde, dass dies "vom Gefühl her" möglich sei.

"In zehn Jahren wird es keinen Journalismus mehr geben"

Thomas Prantner wünschte sich im Hinblick auf den schwelenden Konflikt zwischen ORF und Privatsendern "Kooperation statt Konfrontation" sowie eine gemeinsame TVthek für alle Sender. Als Grundlage dafür könne die Austria Video Plattform dienen, über die der ORF anderen Medien Videos zur Verfügung stellt. Corinna Milborn glaubt, dass eine gemeinsame TVthek bestenfalls ein Anfang sein könne. "In schrumpfenden Märkten rammen wir uns die Messer in den Rücken, weil der Kuchen kleiner wird. Die Konkurrenz in so einem kleinen Markt wird die Branche umbringen", so die Puls 4-Infochefin. Wenn sich nicht etwas ändere, dann "wird es in zehn Jahren keinen Journalismus mehr geben".

In weiteren "Schwerpunkt-Sessions" wurden die Themen "Public Value", "Förderung und Finanzierung" sowie "Digitalisierung und Demokratie" diskutiert, bevor Blümel am Abend zum "Empfang des Medienministers" lud. (as)

Impressionen vom ersten Tag der Medienenquete finden Sie hier.

www.bundeskanzleramt.gv.at

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