Von Wieselburg über den Globus: Warum die banale "Flucht" des Roboters "Fluffy" um die Welt geht

In Niederösterreich hat ein Saugroboter die Gunst der Stunde genutzt und sich aus dem Staub gemacht. Der Fall sorgt sogar weit über die Landesgrenzen hinweg für Schlagzeilen. Bleibt nur eine Frage: Warum?

Es gibt belanglose Meldungen, die ungeahnte Wellen schlagen. Dazu gehört diese: "Video – Saug-Roboter Fluffy flüchtet aus Shop in NÖ" – das war der Gratiszeitung Heute sogar eine Titelgeschichte wert. Unzählige andere (Qualitäts)Medien griffen die Geschichte in weiterer Folge auf.

Was war passiert?

Aber gehen wir zum Anfang. Was war passiert? Der Roboter "Fluffy" putzt seit einigen Wochen das Lebensmittelgeschäft der Familie Pruckner in Wieselburg. Vergangene Woche dürfte es dem seelenlosen Gerät allerdings gereicht haben. Ein Überwachungsvideo aus dem Laden zeigt "Fluffys Flucht": Um Punkt sieben Uhr, wenn der Roboter normalerweise schon fertiggeputzt hat, ging die Schiebetür des Ladens für ihren allmorgendlichen Probebetrieb einmal auf- und zu. Der Staubsauger rollte gemütlich hinaus auf den Hauptplatz. Diese atemberaubenden Szenen wurden kurz darauf als Suchaufruf in die sozialen Netzwerke gestellt.

Als sich Heute dem Fall annahm und die spektakulären Aufnahmen veröffentlichte, begann in Wieselburg die große Suche.  Schließlich wurde das Gerät im städtischen Sammelzentrum gefunden und der Besitzerin übergeben, wie ein Mitarbeiter bestätigte. Für den Fall, dass "Fluffy" wieder ausbüchsen sollte, hat ihm Pruckner nun einen Aufkleber verpasst.

Rätselhafter Medienhype

Es blieb aber nicht bei der Titelseite von Heute: "Als Staubsaugerroboter Fluffy sich aus dem Staub machte", titelte etwa derstandard.at. "Staubsaugerroboter auf der Flucht", stand in der Presse. "Aufreger um ausgebüxten Staubsauger" auf noe.orf.at, "Staubsauger-Roborter flüchtete aus Geschäft in NÖ" auf krone.at. Und sogar der Spiegel, die Süddeutsche Zeitung und faz.net widmeten "Fluffy" ausführliche Analysen. Selbstverständlich durften auch die österreichischen Privatsender nicht fehlen: Servus TV und Puls4 berichteten.

Schließlich gipfelte der Medienhype darin, dass sogar Medien in den USA, Italien und den Niederlanden die Meldung der Deutsche Presse-Agentur (DPA) übernahmen.

Gegenüber LEADERSNET sagt ein Redakteur von Heute: "Dass die Story auf großes Interesse stößt, haben wir uns schon gedacht. Dass sie aber international derart hohe Wellen schlägt, war dann doch überraschend".

Die Suche nach Gründen

Wie aber kann es sein, dass eine dermaßen belanglose Sache um die Welt geht? Eine Antwort könnte das menschliche Bedürfnis nach "Eskapismus" sein. Gerade in Zeiten von Krisen sehnen sich Menschen nach Ablenkung. Diese kann auch in völlig banalen Dingen gefunden werden. Außerdem bedienen sich Medien damit dem Konzept des "Comic-Reliefs". Es tut dem/der Leser:in gut, zwischen Schlagzeilen wie einer potentiellen russischen Invasion in der Ukraine und neuen Corona-Höchstwerten, auch etwas völlig Banales zum Schmunzeln zu lesen. Dieses Konzept ist durchaus bekannt und findet vor allem auf der Leinwand Anwendung: Die unglaublich erfolgreichen Marvel-Filme kommen ohne dieses Konzept etwa kaum aus. Nach beinahe jeder Szene, die den/die Zuschauer:in fordern oder betrübt machen könnte, gibt es einen Witz, um die Stimmung wieder aufzulockern. Man will die Konsument:innen ja nicht überfordern.

Ob sich Hollywood mittlerweile um die Filmrechte der "Fluffy"-Flucht bemüht, ist übrigens nicht bekannt. (ca)

www.wieselburg.gv.at

Kommentar schreiben

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV