"Pricing-Strategien der Pharmakonzerne stellen Bedrohung für Finanzierung der Gesundheitssysteme dar"

Zweiter PMCA Impulsabend 2018 beschäftigte sich mit den Entwicklungen des Pharmamarktes des vergangenen Jahres und gab einen Ausblick in die Zukunft.

Unter dem Titel "Österreichs Pharmamarkt 2017 und globale Trends – Fokus Innovationen. Wer kann dies bezahlen?" führten IQVIA Österreich-Geschäftsführer Martin Spatz und Josef Probst, Generaldirektor des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, als Impulsspeaker durch einen spannenden Abend mit offener Diskussion beim 2. PMCA-Impuls 2018 unter dem Titel "Österreichs Pharmamarkt 2017 und globale Trends". Erika Sander, Generalsekretärin der Österreichischen Gesellschaft vom Goldenen Kreuze, moderierte die anschließende Diskussion.

Fakten statt Fiktionen

IQVIA, entstanden durch den Zusammenschluss von IMS Health und Quintiles, verfügt in Österreich über eine gut etablierte Datensammlung, die sowohl eine Messung des Apotheken-Sell-out-Marktes, des Krankenhausmarktes als auch des Sell-in-Marktes durch den Großhandel erlaubt. "Der Arzneimittelmarkt in Österreich ist insgesamt um sechs Prozent im Vergleich zu 2016 gestiegen. Es konnte gezeigt werden, dass gleichzeitig der Markt für erstattungsfähige Arzneimittel 2017 um 4,8 Prozent gewachsen ist. Auf Arzneimittel in der No-Box entfielen in diesem Markt 2017 rund 14 Prozent des Umsatzes. Die No-Box ist damit seit 2015 konstant rückläufig", sagte Martin Spatz in seinem Key-Note-Vortrag unter dem Titel "Facts not Ficton!".

"Der Bereich der unter die Rezeptgebühr fallenden Arzneimittel ist von 2016 auf 2017 um mehr als 53 Prozent gestiegen: ein Effekt, der primär auf die Erhöhung der Rezeptgebühr, aber auch zu einem kleineren Teil auf die ASVG-Novelle zur Grünen Box per Oktober 2017 zurückzuführen ist. Die Gruppe der Biosimiliars ist im Jahr 2017 um knapp 40 Prozent gewachsen, dennoch ist deren wertmäßiger Anteil innerhalb der Biologika immer noch sehr klein", so Spatz weiter. Im zweiten Teil seines Vortrages ging Martin Spatz auf globale Trends bei innovativen Therapien ein. Der Fokus lag hier auf dem hoch innovativen Bereich der onkologischen Therapien sowie gänzlich neuen Therapieansätzen wie CAR-T und CRISPR/Cas (Zelltherapie und Geneditierung).

Pricing-Strategien im Fokus

Josef Probst fokussierte sich in seinem Vortrag auf die Hochpreispolitik der Pharmakonzerne für neue, innovative Medikamente. Zur aktuellen Situation in Österreich hält er fest, dass der ständige Dialog zwischen Industrie und Sozialversicherung dafür gesorgt habe, die Kostenentwicklung halbwegs stabil halten zu können. "Die Pricing-Strategien der internationalen Pharmakonzerne stellen eine ernsthafte Bedrohung für die Finanzierung von Gesundheitssystemen dar und schließen in vielen Fällen Patienten von der Behandlung aus", gab Probst zu bedenken.

Der Europäische Rat sehe die Preisentwicklung im Segment der hochpreisigen Medikamente mit Sorge. In Österreich seien teure Medikamente mit einem Packungspreis von mehr als 700 Euro für ein Drittel der Medikamentenkosten der Sozialversicherung verantwortlich. "Das sind 600.000 teure Medikamentenpackungen von den insgesamt 120 Millionen Packungen, die dieses Drittel der Kosten verursachen", so Probst. Inhaltlich gehe es bei den teuren Medikamenten vor allem um Medikamente für seltene Erkrankungen, Krebsmedikamente und Hepatitis C Behandlungen. Probst: "Von 2009 bis 2017 haben sich die Kosten für Orphan Drugs und Onkologika verdoppelt. Für beide Bereiche zusammen liegen sie bei 400 Millionen Euro p.a. Wir sind in einzelnen Fällen mit Jahrestherapiekosten von 50.000 Euro bis zwei Millionen Euro konfrontiert."

Mehr Preis- und Kostentransparenz gefordert

Was mögliche Zukunftsstrategien betrifft, raten EU-Experten laut Probst zu mehr Preis- und Kostentransparenz, man muss außerdem die Regeln für den Schutz der Innovation ändern und neue Modelle zur Forschungsfinanzierung entwickeln. Kritische wissenschaftliche Literatur zur Wirksamkeit von Onkologika müsse auch zu einem kritischen Hinterfragen der Zulassung führen.

In Anlehnung an das Prinzip Pay-for-Performance sollte der Schwerpunkt nicht auf den Einkauf von Medikamenten, sondern auf der Bezahlung wirksamer Therapien liegen. Das erfordert auch ein gemeinsames Verständnis von Industrie und öffentlichen Gesundheitssystemen zur Nutzenbewertung in den Jahren nach der Zulassung. Doppelt zu unterstreichen ist laut Probst die Notwendigkeit der Etablierung einer Dialogplattform zwischen Industrie und öffentlichen Gesundheitssystemen auf europäischer Ebene.

Wer beim PMCA Impuls alles mit dabei war, sehen Sie hier.

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