"Ich würde auch nicht in ein veganes Lokal gehen und ein Steak verlangen"

| Tamara Kalny 
| 15.02.2023

Im LEADERSNET-Interview spricht Vlatka Bijelac, Inhaberin des Steakhouse "beef & glory", unter anderem über ihren hohen Qualitätsanspruch, das Verhältnis zu Landwirt:innen, vegane Alternativen, Auswirkungen der Teuerungswelle und weshalb das Berufsfeld Gastronomie häufig als unattraktiv betrachtet wird.

LEADERSNET: Wie definieren Sie persönlich den Begriff "Qualität"?

Bijelac: Uns ist es ein Anliegen, dass wir den Gästen die beste Qualität aus der ganzen Welt bieten können. Wir achten hier besonders auf Aspekte wie beispielsweise: Wie ist das Tier aufgewachsen, wer war der/die Halter:in, wer hat das Tier geschlachtet und vor allem wie wurde es geschlachtet? Hatte das Tier ein schönes Leben hinter sich? Natürlich legen wir auch viel Wert auf den Transport und achten darauf, wie das Endprodukt zu uns gekommen ist. Für unser Restaurant spielt auch die Einhaltung der Kühlkette und die Verarbeitung des Produktes eine große Rolle. Für uns fallen also zahlreiche Aspekte, die schließlich das Endprodukt ausmachen in den Bereich der Qualität.

LEADERSNET: Man könnte also sagen, dass Sie darauf achten, Tier-Massentransporte bei Ihren Lieferant:innen zu vermeiden.

Bijelac: Wir achten darauf, dass im Zuge des Transports alles korrekt abläuft. Das stimmt, ja.

LEADERSNET: Gehen Sie bei der Auswahl Ihrer Lieferant:innen nach bestimmten Kriterien vor? Wie können Sie sicherstellen, ob Ihre Standards bezüglich des Transports eingehalten werden?

Bijelac: Im Grunde genommen suchen unsere Lieferant:innen die Bäuer:innen und Schlachter:innen als Geschäftsparter:innen aus. Die Lieferant:innen legen uns eine Art Zusammenstellung dieser Partner:innen vor und erklären uns die Herangehensweise der Beteiligten. Wenn wir uns mit dem Zugang identifizieren können, entscheiden wir uns für den Lieferanten. Sollten unsere Kriterien von jenen der Landwirt:innen abweichen, entscheiden wir uns gegen eine Zusammenarbeit.

LEADERSNET: Bedeutet das, dass die einzelnen Landwirt:innen auch eine Empfehlung abgeben können, mit welchen Lieferant:innen sie arbeiten würden oder möchten?

Bijelac: Grundsätzlich stehen wir nur mit den österreichischen Bäuer:innen im Kontakt. Auf internationaler Ebene haben wir keinen Zugang zu allen Landwirt:innen. Hierfür wären mehrere Mitarbeiter:innen nötig, nur um die Betreuung dieser Bäuer:innen zu übernehmen. Das bedeutet, dass ich mich im Endeffekt auf die Lieferant:innen und ihr Exportprodukt verlassen kann und auch muss. Seine Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass der Rahmen, der im Vorfeld auf beiden Seiten vordefiniert wurde, passt und eingehalten wird.

LEADERSNET: Die derzeitige Teuerungswelle ist auch in Österreich deutlich zu spüren. Wie schwierig gestaltet sich hier die Einhaltung Ihrer Qualitätsansprüche?

Bijelac: Meiner Meinung nach gestaltet sich die Einhaltung dieser Qualitätsstandards momentan sehr schwierig. Unser Qualitätsanspruch spiegelt sich auch im Preis der Speise wider. Hier wird dann deutlich unterschieden und man sollte sich fragen, ob zur Massenware tendiert wird oder ob man bei seinen hohen Ansprüchen bleiben möchte. Entscheidet man sich für die Massenware, ist das Produkt günstiger, aber dementsprechend ist die Qualität niedriger. Wenn man einen bestimmten Anspruch an die Qualität legt, muss man mit einem höheren Preis rechnen. Innerhalb eines Jahres waren wir mit einer Preiserhöhung allein auf Fleisch von 40 Prozent konfrontiert und mussten damit arbeiten. Hier fehlt auch manchen Konsument:innen einfach das Verständnis dafür. Aber prinzipiell finde ich es berechtigt und gut, dass die Landwirt:innen auch eine gerechte und angemessene Entlohnung für ihren Arbeitsaufwand erhalten. Vor allem sollte hier nicht vergessen werden, dass im Grunde genommen diese Person das Tier füttert, hält und darauf achtet, dass die Qualität passt. Ich empfehle unseren Gästen auch, nicht täglich Fleisch zu essen, da eben nicht immer ersichtlich ist, wie das Tier gehalten wurde und ob die Qualität passt. Auch ich, als Besitzerin eines Steaklokals esse vielleicht ein oder zweimal pro Woche Fleisch, aber dafür achte ich hier besonders auf den Qualitätsstandard.

LEADERSNET: Welche Tipps können Sie einem:r Laien:in bezüglich der richtigen Fleischqualität geben? Worauf sollte beim Kauf eines Produktes geachtet werden?

Bijelac: Hier empfehle ich in erster Linie auf die Tierhaltung und schließlich auch auf den Transport zu achten. Anschließend kommt es auch auf die Optik an, es sollte darauf geachtet werden, ob das Produkt eine schöne Marmorierung hat, auch die Farbe des Fleisches kann ein hilfreicher Indikator sein. Die Käufer:innen sollten auch darauf achten, ob das Produkt einen Graustich hat. Ähnliches gilt auch für den Geruch. Diese und weitere Merkmale sind Charakteristika, mit denen beurteilt werden kann, ob das Fleisch als qualitativ hochwertig betrachtet werden kann oder nicht.

LEADERSNET: Kommen wir zurück zur derzeitigen Lage in Österreich. Wie nehmen Sie als Gastronomin und als Unternehmerin die derzeitige wirtschaftliche Lage wahr?

Bijelac: Prinzipiell sind sich unsere Gäste darüber klar, dass Qualität kostet. Daher sind sie dazu bereit, dementsprechend mehr Geld auszugeben. Allerdings ist momentan ebenso spürbar, dass die Besucher:innen eher verhaltener sind. Es ist nach wie vor so, dass man entscheiden muss, ob man die Preise niedriger ansetzt und dafür Abstriche macht, oder eher im teureren Segment bleibt und dafür seinen Qualitätsanspruch hält. Leider scheint es so zu sein, dass die Mittelschicht derzeit einfach "wegbricht".

LEADERSNET: Würden Sie sagen, dass sich dieser fehlende Mittelweg im Verhalten der Gäste widerspiegelt? Ist zum Beispiel schon der Fall eingetreten, dass Lokalbesucher:innen am Ende des Essens aufgrund der Preise geschockt waren?

Bijelac: Ehrlich gesagt finde ich nicht, dass unsere Preise ein Grund sind, geschockt zu sein. In der heutigen Zeit sind sämtliche Informationen zu unseren Speisen sowie auch zu den Preisen im Internet frei zugänglich und während des Abends in der Karte nachzuschlagen. Meiner Meinung nach sollte man kein Steaklokal besuchen, wenn man nicht bereit ist, Geld auszugeben. In unserem Lokal sollte man kein Steak um 20 Euro erwarten, unsere Steaks beginnen ab 13 Euro/100g aufwärts. Daher sollten sich Gäste immer vor einem Restaurantbesuch über die Preise informieren.

LEADERSNET: Welche Schwierigkeiten ergeben sich im Zuge der Teuerung bei der Kalkulation? Wie dehnbar ist der Spielrahmen der Preisgestaltung der Speisen, damit alle Beteiligten zufrieden sind?

Bijelac: Hierzu kann ich folgendes sagen: Der Deckungsbeitrag in der Küche ist nicht mehr in dem Ausmaß gegeben wie noch vor zwei Jahren, beispielsweise. Es wird mit den Speisen zusehends schwieriger, seinen Umsatz zu optimieren. Das wiederum bedeutet, dass in der Gastronomie jetzt vermehrt auf die Getränkeauswahl gesetzt wird. Deswegen poppen jetzt an allen Ecken neue Bar Konzepte mit minimalistischen Speisekarten auf.

LEADERSNET: Bedeutet das also, dass die Gäste anstelle von Speisen eher zu Getränken tendieren?

Bijelac: Nein, das würde ich so nicht sagen. Derzeit ist es so, dass für die Gastronom:innen die Gewinnmarge bei den Speisen als geringer betrachtet werden kann als bei den Getränken. Der Gast konsumiert nach wie vor sein Essen, aber damit wir einen Umsatz oder einen Mehrwert aus diesem Geschäft generieren können, sind wir gefragt, mehr Getränke zu verkaufen als in der Vergangenheit.

LEADERSNET: Wie hat sich diese Entwicklung Ihrer Meinung nach auf das Getränkeangebot ausgewirkt?

Bijelac: Wir sind definitiv kreativer geworden. Unsere versierten Bar-Mitarbeiter:innen bieten regelmäßig neue Kreationen an. Außerdem haben wir eine große Auswahl an Gin, Whiskys und Rum und Wermut, die für Gäste als idealer Einstig in den Abend oder als krönender Digestif anstelle eines Desserts betrachtet werden.

LEADERSNET: Der Jänner wird oft als "Veganuary" bezeichnet und hat sich auch bei anderen Lokalen mit veganen Alternativen durchgesetzt. Sehen Sie bei Ihren Gästen eine Tendenz zu veganen oder vegetarischen Gerichten?

Bijelac: Ich stehe zu meiner Geschäftsidee und folglich auch zu dem Geschäftsmodell. Ich verfolge das Motto "Schuster bleib bei deinen Leisten". Wenn wir damit beginnen würden, ähnliche Trends wie andere zu verfolgen, würden wir nicht mehr echt oder authentisch wirken. Selbstverständlich sind Veganer:innen und Vegetarier:innen bei uns herzlichst willkommen, aber um ehrlich zu sein, liegt unser Fokus nicht auf dieser Zielgruppe. Aus diesem Grund würde ich den Jänner auch nicht unbedingt als schwächer betrachten. Unsere Küchencrew ist sehr bemüht und bietet daher auch spezielle vegetarische oder vegane Menüs an. Trotzdem plane ich nicht, meine Speisekarte zur Gänze vegetarisch oder vegan umzustellen. Ich würde auch nicht in ein veganes Lokal gehen und ein Steak verlangen.

LEADERSNET: Ich stelle mir vor, dass das nicht gut ankommen würde.

Bijelac: Genau. Aus diesem Grund sollte man auch Verständnis dafür haben, dass ein Steaklokal, wie wir es sind, über eine überschaubare Anzahl an veganen oder vegetarischen Alternativen verfügt. Vor allem geht es hier auch um die Frage: Wie effizient gehe ich mit meinen Produkten um und lohnt es sich, Lebensmittel einzukaufen, die nicht tagtäglich verarbeitet werden? Aus der Sicht einer Gastwirtin ist es aus diesem Grund bei der Reservierung immer besser, im Vorfeld anzumerken, dass man Vegetarier:in oder Veganer:in ist und so können wir uns darauf vorbereiten.

LEADERSNET: Welche fleischlosen Alternativen wären denn auf der Karte zu finden?

Bijelac: Gerade im Dezember finden viele Weihnachtsfeiern statt und erfahrungsgemäß wissen wir, dass in fast jeder Gruppe Vegetarier:innen oder Veganer:innen dabei sind. Wie gesagt, wenn wir im Vorfeld darüber informiert werden, können wir dementsprechend darauf reagieren. Dann kann von unserer Küchencrew ein großartiges veganes oder vegetarisches Menü zusammengestellt werden. Unser Trüffelrisotto, würde sich beispielsweise ideal für Vegetarier:innen eignen. Da wir auch veganes Obers führen, kann diese Speise folglich auch vegan zubereitet werden. Außerdem verfügen wir über eine Auswahl unterschiedlicher Beilagen, die oft als sehr kreativ zu einem Hauptgericht kombiniert werden können. Zurzeit bieten wir als fleischlose Alternative Spitzkraut mit Fetakäse und Chili-Pinienkernen an.

LEADERSNET: Das Berufsfeld Gastronomie wird aufgrund seiner Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen oft als unattraktiv dargestellt. Welche Anreize wären Ihrer Meinung nach nötig, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und wieder mehr Leute für diesen Beruf zu motivieren?

Bijelac: Für mich handelt es sich bei der Gastronomie um eine der schönsten Branchen. Hier ist kein Tag wie der andere, man macht interessante Bekanntschaften und trifft die unterschiedlichsten Persönlichkeiten. Auch an einem Tag voller Büroarbeit, an dem ich lediglich durch meinen Computer mit der Außenwelt verbunden bin, würde ich nicht tauschen wollen. Meiner Meinung nach verlangt die Gastronomie Herzblut und Hingabe - kurzum: Leidenschaft. Leider ist es für mich unverständlich, warum dieser Beruf regelmäßig negativ beurteilt wird. Bezüglich des Fachkräftemangels muss ich offen sagen, dass ich hier ein Versagen der Politik sehe. Es wird Zeit, dass Maßnahmen getroffen werden, um dem Ausbeuten von Angestellten in "Billiglokalen" entgegenzusteuern. Aus meiner Sicht ist es enorm wichtig den Mitarbeiter:innen ein hohes Maß an Wertschätzung entgegenzubringen. Denn es sollte nicht vergessen werden, dass die Gäste in der heutigen Zeit immer ungeduldiger und anspruchsvoller werden. Aus diesem Grund möchten wir unseren Mitarbeiter:innen zahlreiche Vorteile bieten, um ein gutes Arbeitsklima zu schaffen. Trotzdem handelt es sich auf beiden Seiten um ein Geben und Nehmen. Auch in unserem Lokal herrscht ein gewisses Maß an Fluktuation, aber diese empfinde ich als branchenüblich.

LEADERSNET: Gibt es in der Gastronomie Ihrer Meinung nach mehr oder weniger Wirt:innen, die ähnlich denken wie Sie?

Bijelac: Ich finde, hier trennt sich die "Spreu vom Weizen" - wenn ich das so sagen darf.
Die professionellen Gastronom:innen denken eher ähnlich wie wir. Ich betrachte folgendermaßen: Die guten Arbeitgeber:innen entwickeln sich weiter, erweitern ihre Lokalitäten und sind eher in der Lage, ihr Team zu behalten. Jene, die ihren Betrieb nicht ernsthaft geführt haben, mussten schließen. Aufgrund der derzeitigen Energiepreise und Teuerung könnten meiner Meinung nach, leider noch weitere Betriebe folgen.

LEADERSNET: Da wir gerade über Entwicklung und Ausbau sprechen: Welche Pläne verfolgen Sie für die Zukunft?

Bijelac: Wir versuchen uns ständig weiterzuentwickeln und scheuen daher auch nicht vor neuen Entwicklungen oder Herausforderungen zurück. Bereits im Vorjahr wurden unsere Küchenräume ausgebaut und um 40 Quadratmeter erweitert. Im Jahr 2018 wurden auch unsere Lokalitäten um 40 Sitzplätze erweitert. Wir widmen uns im Jahresrhythmus stetig neuen Projekten, auch in kulinarischer Weise. Selbstverständlich möchten wir unsere hart erarbeiteten Titel weiterhin halten und sie verteidigen. Daher arbeiten wir permanent mit neuen Kreationen und Ansätzen. So führen wir in Wien die größte Auswahl an internationalen Fleischsorten und experimentieren auch mit außergewöhnlichen Methoden wie Whiskey Dry Aging, Shiitake Dry Aging oder Wagyu Butter Cocooning. Auf diese Weise möchten wir unseren Qualitätsanspruch stetig ausbauen und gleichzeitig ein Alleinstellungsmerkmal für uns auf dem täglichen Markt schaffen. Darüber hinaus sind wir sehr stolz auf unsere Erfolge und möchten uns weiter steigern.

So wurden wir bereits von New York Media House zum besten Steakhouse in der DACH-Region ausgezeichnet. Wir sind unter den 101 besten Steakhäusern, weltweit belegen wir in Europa Platz 6 und sind unter den Top 20 international. Darauf sind wir sehr stolz, denn ich muss betonen: Hier wird Fleischqualität, Grillmethodik, Servieransätze, Tellersprache, also kurzum Qualität mit Qualität verglichen. Mit diesen Ansprüchen können wir uns identifizieren. Deshalb arbeiten wir nach dem Motto "Be released and let me steak you to the next level".

www.beefandglory.at

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