"Immobilienmakler ist kein 'Nine-to-Five-Job'"

| Redaktion 
| 10.08.2023

Immo-Expertin Jelena Pirker macht eine Bestandsaufnahme zum Eigentumswohnmarkt zwischen dem Wunsch nach den eigenen vier Wänden, verlängerten Bauzeiten, Preissteigerungen und verschärften Kreditvergabe-Richtlinien.

Jelena Pirker verantwortet den Bereich Wohnen im Eigentum bei der ÖRAG. Ihr höchstes Gut als Maklerin sei das Vertrauen von Käufer- wie Verkäuferseite – denn die Herausforderungen werden größer. Laut der Expertin habe sich die Immobilienvermittlung in den letzten Jahre stark verändert. Dafür seien auch verlängerte Bauzeiten, enorme Preissteigerungen sowie die verschärften Kreditvergabe-Richtlinien verantwortlich.

"Ein Nine-to-Five-Job ist das nicht"

Aktuell steht bei Pirker und ihrem Team die Vermarktung des Projektes "Liesing Gardens" im Fokus. Der Baustart für die 35 Wohneinheiten am südlichen Stadtrand Wiens erfolgt im Herbst 2023, die Fertigstellung ist für 2026 geplant. Es ist nicht das erste Projekt, das die ÖRAG gemeinsam mit Bauträgern vermarktet - das war bereits beim Projekt "1. Reihe Wienerwald" in Kaltenleutgeben der Fall.

"Das sind die Gelegenheiten, die ich liebe: schließlich habe ich die Menschen, die hier einziehen, über Monate auf diesem Weg begleitet", erzählt Pirker. Ein Nine-to-Five-Job ist das nicht: "Ich weiß, es sagen alle, dass sie rund um die Uhr erreichbar sind. Aber ich bin es wirklich. Mir fällt kein Zacken aus der Krone, wenn ich auch am Wochenende in meine Mails schaue und Anfragen bearbeite – es ist schnell erledigt und der:die Kund:in hat die Unterlagen, kann sie noch am Wochenende in Ruhe anschauen."

Langfristige Geschäftsbeziehungen aufbauen

Dieses Engagement komme über Feedback der Kund:innen auch beim Auftraggeber an und führe zu neuerlichen Zusammenarbeiten und zu langfristigen Geschäftsbeziehungen – wie mit Bauträgern, sagt Pirker. Das Wort "langfristig" treffe zunehmend – und mit weit weniger positiver Konnotation – auch auf die Betreuung zu: "Natürlich merken wir die Herausforderungen der Wohn-Immobilienfinanzierung, die Pandemie – früher sind Besichtigungen relativ schnell zustande gekommen, das Kaufanbot war in der Regel innerhalb von wenigen Wochen, der Kaufvertrag war innerhalb von zwei Monaten erledigt. Heute ist der Zeitstrahl ein anderer – es kann mitunter vier Monate dauern, bis es zu einem Kaufvertragstermin kommt."

Längere Verwertungszeiten seien zum einen der genaueren Marktsondierung durch Kund:innen geschuldet, zum anderen auch Verzögerungen, wenn es um Finanzierungen oder auch Baugenehmigungen geht.

Die größte Herausforderung sei es, bereits vor Baubeginn in die Vermarktung zu gehen. Der Verkauf vom Plan weg sei laut Pirker ein Prozess, der auch einmal ein halbes Jahr dauern könne. "Für Käufer:innen ergibt sich dann auch oft eine Doppelbelastung, weil Miete und Finanzierung des neuen Wohnsitzes vor und in der Bauphase parallel gestemmt werden müssen - je länger das dauert, umso größer die Belastung. Die verschärften Kreditvergaberichtlinien tun ihr übriges zu der Problemstellung." In dieser Zeit gelte es, Vertrauen aufzubauen, Interesse zu wecken und zu halten, ohne aufdringlich zu sein. Hier würden Pirker und ihr Team viel Aufklärungsarbeit leisten, darüber informieren, dass das in der heutigen Zeit Usus sei und länger dauern würde.

Immobilienvermittlung im Wandel

Die Immobilienvermittlung habe sich in den letzten Jahren insgesamt massiv gewandelt – getrieben vor allem über die Preissteigerungen der Krise, so die Expertin. In den Neunzigern habe man in erster Linie schlüsselfertig verkauft, Anfang der 2000er sei es durchaus üblich geworden, vom Plan weg zu verkaufen, insbesondere bei Anleger:innen: "Das Vertrauen in das Produkt war relativ schnell gegeben, man schaut dann in erster Linie auf das Budget und die Hard-Facts – das ist eher weniger emotionsgebunden."

In einer Zeit, in der die Anlagewohnung aber zunehmend an Bedeutung in der Vermittlung verliere, verlagere sich der Fokus auf Endkund:innen – und für diese sei der Prozess grundlegend anders, so Pirker: "Die Menschen kaufen vielleicht einmal in ihrem Leben eine Immobilie, um selbst darin zu leben – das ist eine hochemotionale Lebensentscheidung, die bis in die nächsten Generationen hineinreicht. Da möchte man begleitet, serviciert werden, sich einfach gut beraten und vertreten fühlen. Auch gegenüber dem Bauträger oder Verkäufer, der ja unser Auftraggeber ist." Dass hier ein Interessenkonflikt entstehe, das sieht die Maklerin nicht – vielmehr ein Auftrag, zwischen den Parteien zu vermitteln, etwa, wenn es um Sonderwünsche gehe.

Aus der Traum?

Emotional schwierig werde es, wenn die Finanzierung nicht zustande kommt, erzählt Pirker: "Man macht gemeinsam die Finanzierungsschritte durch, der Traum ist vorhanden – nach der Finanzierungsabsage kommt es oft zur Resignation. Im Hintergrund steht, dass es ein Budget gibt, mit dem sich die Wunschimmobilie leider einfach nicht ausgeht. Hier müssen wir schauen – kann man diese Kund:innen noch irgend- wie anders abholen, diesen Rückschlag abfedern?"

So könne es auch vorkommen, dass das Mietteam eingeschaltet werde, um vielleicht doch noch das Wunschzuhause ausfindig zu machen, wenn auch nicht im Eigentum. "Jemand der kaufen möchte, es aber aus finanziellen Gründen nicht schafft, der kauft auch nicht mehr. Für diesen Menschen beginnt eigentlich ein völlig neuer Lebensentwurf, eine erneute Suche nach Wohnraum zur Miete."

www.oerag.at

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