Advicum-Studie
Optimismus und leise Hoffnung für die Fertighausbranche

| Redaktion 
| 09.07.2025

Eine Advicum-Studie zeigt, dass nach einem starken Rückgang mit der Leitzinssenkung der EZB und dem Auslaufen der KIM-Verordnung der Blick nach vorn gerichtet ist. Nun braucht es aber eine strategische Neuausrichtung.

Vor einigen Tagen hat das Unternehmen Advicum Consulting seine neue Fertighausstudie vorgestellt. Diese zeigt, dass sich der Trend – trotz der Zinssenkung und der Lockerung der Vorschriften – zur "neuen Landflucht" umkehrt, sich der Preisvorteil des Wohnens im Grünen relativiert und die "silberne Gesellschaft" die Branche mit neuen Ansprüchen an serviciertes, betreutes Wohnen vor Herausforderungen stellt. Im gleichen Atemzug wächst aber die Nachfrage, nicht zuletzt aufgrund des Rückgangs der klassischen Mittelschicht, nach kostengünstigen, flexiblen Wohnkonzepten. Was es jetzt braucht, ist eine strategische Neupositionierung der gesamten Fertighausbranche, wie die Studie zeigt.

Starker Rückgang

2024 verzeichnete die Fertighausbranche in Österreich einen Rückgang um über 30 Prozent. Für 2025 wird ebenfalls ein weiterer Rückgang erwartet. Die Branche wurde vor allem durch die Nachfrageverschiebung durch demografischen Wandel und hohe Zinsen unter Druck gesetzt. Gleichzeitig ist die Zahl der Baubewilligungen 2024 auf nur 32.100 gefallen. Das war der niedrigste Stand seit 2010.

Vorsichtiger Optimismus

Es gibt aber trotzdem einen berechtigten Optimismus. Mit der Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) (LEADERSNET berichtete) und dem Auslaufen der KIM-Verordnung (LEADERSNET berichtete), die laut Advicum bislang viele Kreditvergaben gebremst hat, könnten Baufinanzierungen wieder leistbarer werden, vor allem für junge Familien und Erstkäufer:innen. "Für die Fertighausbranche ist das ein wichtiges Signal – aber kein Freifahrtschein. Der Aufholbedarf bleibt enorm", sagte Daniel Knuchel, Equity Partner bei Advicum Consulting.

Urbanisierung statt Landflucht

Die Zeit der "neuen Landflucht", die auch die Fertighausindustrie beflügelte, scheint vorerst vorbei, so Christian Murhammer, Geschäftsführer Österreichischer Fertighausverband. Der Trend zum Wohnen im Grünen, der sich durch die Pandemie stark verstärkt hatte, verliert laut dem Experten an Dynamik. Gleichzeitig steige der Urbanisierungsgrad in Österreich – von 59,5 Prozent im Jahr 2023 auf 65,5 Prozent bis 2050. Auch die teilweise eingesetzte Rückkehrpflicht ins Büro wirke sich aus.

In Österreich ist der Anteil der Homeoffice-Nutzer:innen von 82 Prozent auf 65 Prozent gesunken. "Stadtnahe Wohnformen gewinnen wieder an Bedeutung – gleichzeitig relativiert sich der einstige Preisvorteil des Wohnens im Grünen zunehmend. Denn auch in ländlichen Regionen steigen die Immobilienpreise deutlich, was den finanziellen Anreiz gegenüber urbanen Lagen abschwächt", betont Murhammer.

Wien bleibt Hotspot des Wohnbaus

Wien bleibt mit einem jährlichen Bevölkerungswachstum von +1,1 Prozent und rund 43.800 neuen Wohneinheiten der Hotspot des Wohnbaus. "Der Markt wird zunehmend städtisch – nicht zuletzt durch die hohe Arbeitsplatzdichte und Infrastruktur", so Daniel Knuchel. In Tirol und Vorarlberg hingegen wachsen auch ländliche Regionen weiter, dank hoher Lebensqualität und starker sozialer Verwurzelung. "Der Westen widersetzt sich der Urbanisierungswelle – dort entstehen stabile, alternative Wohnrealitäten", erklärt Knuchel. Die Zinswende verändert gleichzeitig die Marktdynamik. Kredite werden schwerer leistbar, während das Angebot durch sinkende Neubautätigkeit weiter schrumpft – die Lücke zwischen Bedarf und Verfügbarkeit wächst.

Die "Silberne Gesellschaft" verändert den Markt

Mit der zunehmenden Alterung der Bevölkerung gewinnt die Zielgruppe der über 65-Jährigen immer mehr an Bedeutung, auch für die Fertighausbranche. Rund 1,88 Millionen Menschen über 65 Jahre leben heute bereits in Österreich, bis 2030 wird ein Anstieg auf über 2,17 Millionen erwartet. Damit soll auch die Nachfrage nach altersgerechtem, barrierefreiem und betreutem Wohnen rasant steigen. "Der Trend zum servicierten Wohnen schafft für Anbieter enorme Potenziale – vor allem bei modularen, flexibel anpassbaren Lösungen", so Knuchel.

Auch die Best Ager, also Personen über 50, stellen dabei eine zunehmend relevante Zielgruppe dar. Diese wissen, was sie wollen und haben klare Vorstellungen von Komfort, Sicherheit und Gestaltung und bringen oft die finanziellen Mittel mit, um diese Ansprüche auch umzusetzen. Nun steht die Branche vor neuen Problemen und Herausforderungen, etwa bei der Planung kleinerer, effizienter Wohneinheiten, die gleichzeitig Wohnqualität und Selbstständigkeit im Alter gewährleisten. Außerdem steigt die Zahl der Ein- und Zwei-Personen-Haushalte stetig an, damit wächst der Bedarf an durchdachten Wohnkonzepten für kleinere Einheiten spürbar.

Die Lehre daraus, wer früh auf die demografische Entwicklung und auf diese Zielgruppen reagiert, kann sich einen Vorsprung in einem wachsenden Marktsegment sichern.

Premium konstant, Mittelklasse schrumpft

Was die Advicum-Studie ebenfalls zeigt, ist der alarmierende Befund, dass sich die soziale Schere am Wohnungsmarkt weiter öffnet. Während Premiumprojekte im oberen Segment konstant bleiben, gerät vor allem die Mittelschicht, lange Zeit die tragende Säule der Fertighausbranche, immer mehr unter Druck. Der finanzielle Spielraum für viele Haushalte wird durch steigende Baukosten, hohe Lebenshaltungskosten und erschwerte Kreditvergaben massiv eingeengt. "Die klassische Zielgruppe, junge Familien mit mittlerem Einkommen, rückt immer weiter vom Traum vom Eigenheim ab – das ist längst kein Einzelschicksal mehr, sondern eine gesellschaftspolitische Herausforderung", so Knuchel.

Mit dem Rückgang der klassischen Mittelschicht schrumpft auch die wichtigste Käufergruppe der Fertighausbranche. Immer mehr sind kostengünstige, kompakte Wohnkonzepte, die vor allem Kleinfamilien wieder eine realistische Chance auf Eigentum bieten, gefragt. Auch einkommensschwächere Haushalte, obwohl häufig in stabilen Beschäftigungsverhältnissen, scheitern oft an rigiden Kreditvorgaben. Gleichzeitig entwickele sich das Premiumsegment zu einem Nischenmarkt hochindividualisierter Projekte – mit zunehmender Planungs- und Preisunsicherheit. Laut Advicum Consulting sei es nun umso wichtiger, innovative Wohnlösungen zu schaffen, die modular, effizient und vor allem leistbar bleiben, um damit wieder breitere Zielgruppen zu erreichen.

Nachhaltigkeit verliert an Strahlkraft

Eines der wichtigsten Themen im Wohnbau, die Nachhaltigkeit, verliert laut der Studie, vor dem Hintergrund hoher Baukosten, steigender Zinsen und wirtschaftlicher Unsicherheit jedoch spürbar an Priorität. Viele Bauherr:innen treffen pragmatische Entscheidungen – ökologische Aspekte treten in den Hintergrund. Symbolisch dafür steht etwa die Abschwächung des EU-Lieferkettengesetzes. In den Mittelpunkt rücken statt klassischem Neubau Renovierung und multifunktionale Wohnkonzepte, kombiniert mit digitalen Innovationen wie Smart-Home-Systemen oder VR-gestützter Hausplanung. "Der Markt bewegt sich klar in Richtung flexibler, intelligenter Wohnlösungen. Wer hier früh handelt, sichert sich entscheidende Wettbewerbsvorteile", so der Immobilienexperte abschließend.

www.advicum.com

www.fertighausverband.at

Kommentar veröffentlichen

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV