Gastkommentar Ralf-Wolfgang Lothert
Elite(n)

| Redaktion 
| 12.05.2024

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

Geneigte Leser:innen, ich möchte dem heutigen Gastkommentar einen Hinweis voranstellen: Als Kontrastprogramm zu den Vereinfachungen, die wir seitens der Politik derzeit in erschreckendem Ausmaß aufgetischt bekommen, will ich an dieser Stelle noch überspitzter kommentieren, als Sie es möglicherweise sonst von mir gewohnt sind und hoffe dennoch, niemandem damit zu nahe zu treten.

"Zu den Besten gehörend"

Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass sowohl von linker als auch von rechter politischer Seite immer öfter Aussagen in Richtung "Wir sind für die Kleinen da und gegen die Elite(n)." zu hören sind? Wie Sie, meine geneigten Leser:innen, wissen, gehe ich solchen Aussagen gerne auf den Grund. Und an dieser Stelle beschäftigt mich die Frage, was Elite eigentlich heißt. Laut Definition hat das Wort Elite seinen Ursprung im Lateinischen "eligere" (auslesen) und bezeichnet soziologisch eine Gruppe überdurchschnittlich qualifizierter Personen oder die herrschenden bzw. einflussreichen Kreise einer Gesellschaft. Dies ist nur eine von viele anderen Definitionen, aber im Kern bedeutet Elite "zu den Besten gehörend".

Dies wörtlich nehmend wäre die oben angeführte Aussage so zu lesen, dass jene Parteien, die von sich behaupten gegen die Elite(n) zu sein, Gegner der Gruppe der hochqualifizierten (Besten) sind, oder, anders ausgedrückt, ihre eigene Klientel als nicht (hoch) qualifiziert betrachten. Noch weiter zugespitzt könnte sogar gemeint sein, Elite sei etwas Furchtbares, ja Böses, da diese Personen anders "besser" sind. Im Umkehrschluss wird damit aber auch ausgedrückt, dass es für einen selber nicht erstrebenswert scheint, zu den Besseren, geschweige denn den Besten zu gehören. Despektierlich ausgedrückt: Mittelmaß ist man und Mittelmaß will man bleiben... Aber wollen wir nicht eigentlich von den besten Ärzt:innen behandelt, vom besten Militär beschützt, von den besten Künstler:innen erfreut werden? Wollen wir nicht von exzellenten Forscher:innen vorangebracht, von den Besten im Sport begeistert werden, oder selbst zu den gefragtesten Expert:innen auf einem gewissen Gebiet gehören?

"Elite(n)-Bashing"

Vielleicht schieße ich hier über das Ziel hinaus, aber ich denke, der Punkt ist klar. Viele möchten insgeheim schon auch der oder die Beste sein, doch weil Bescheidenheit eine Zier ist, schickt es sich nicht, dies an die große Glocke zu hängen – aus Angst davor, als überheblich zu gelten. Nicht umsonst ist der Satz "Er:sie hält sich für etwas Besseres" entsprechend negativ konnotiert, gleichzeitig schwingt darin immer auch Neid mit.

Dieses "Elite(n)-Bashing" ärgert mich, und zwar furchtbar. Ich selbst bin stolz darauf, bei der Bundeswehr in einer Eliteeinheit gedient zu haben. Ich bin froh darüber, dass ich mit auf den besten (Elite-)Universitäten ausgebildet wurde. Was ärgert mich also am Bashing? Mir ist durchaus bewusst, dass nicht alle und jede:r – mich eingeschlossen – in sämtlichen Bereichen zu den Besten gehören können. Das ist aber auch nicht das Thema. Ich halte es für wichtig, danach zu streben, durch Leistung und Lernen zu den Besten zu gehören. Nur so lässt sich auch "das Beste" erreichen – für die Gesellschaft und für einen selbst. Dazu müssen aber Leistung und Anstrengung erstrebenswert sein und sich lohnen können und dürfen – und nicht die Ausrichtung am und Zufriedenheit mit dem Mittelmaß. Fortschritt, so gebe ich zu bedenken, kommt – nicht nur, aber vor allem – auch durch die Leistungen der Besten.

Streben nach dem Besseren

Mit dem "Schrei gegen die Elite(n)" wird dies jedoch einfach negiert, ja am Ende sogar als schlecht und böse dargestellt. Aber warum? Einmal mehr, weil es eine simple Antwort ist, die sich einfach darstellen lässt: Die Eliten sind an allem schuld (weil irgendwer muss ja immer schuld sein), die "kleinen", "einfachen" Personen müssen sich auch gar nicht groß anstrengen, wofür auch, die Eliten bestimmen und richten es sich ohnehin so, wie sie es brauchen. Politisch einfach. Meines Erachtens ist aber die Triebfeder solcher Aussagen vielmehr der vorhin schon angesprochene Neid, womöglich gepaart mit ein wenig Minderwertigkeitsgefühl und einer Portion Faulheit. Wohin aber die Verdammung der Elite(n) aus Religion, Kunst, Kultur, Wissenschaft, Politik etc. in der Geschichte schon geführt haben, haben wir zur Nazizeit, während der Sowjetherrschaft und dem Ostblock gesehen, nämlich, ohne Übertreibung oder Dramatisierung: zu gesellschaftlichem, kulturellem und politischem Untergang – ein Weg, den wir nie wieder einschlagen sollten.

Deshalb bitte ich Sie, zu diesem Thema auch ein bisschen in sich zu gehen und zu überlegen, welchen Stellenwert Leistung haben sollte. Lassen Sie uns wieder mehr nach dem Besten streben, lassen Sie uns die Eliten(n) nicht neidvoll betrachten, sondern uns ansehen, was wir uns von ihnen abschauen können. Ich möchte Sie ermutigen, Leistung gut zu finden und leistungsbereiten Mitmenschen dafür Anerkennung zu zollen.

Unsere 240-jährige Unternehmensgeschichte haben wir vor allem auch dem Streben nach dem Besseren zu verdanken und nicht Gleichgültigkeit, Faulheit oder Neid. Im Gegenteil, es freut uns und wir sind stolz darauf, zu den besten Arbeitgebern Österreichs zu gehören, ein Leitbetrieb zu sein und uns damit vom Mitbewerb abzuheben – mit diesem Mindset wollen wir in die nächsten 240 Jahre gehen.

www.jti.com


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