"Man muss vom Sparer zum Investor werden"

Union-Investment-Austria-Geschäftsführer Marc Harms und Volksbank-Wien-Generaldirektor Gerald Fleischmann verraten im Interview, wie die beiden Finanzinstitute zusammenarbeiten, warum Banker kein Traumberuf ist, was eine nachhaltige Bank ist und ob man heute noch mit Anlagen Geld verdienen kann.

LEADERSNET: Herr Fleischmann, die Volksbank Wien ist die größte Volksbank Österreichs. Sie positionieren sich als Hausbank. Was heißt das?

Fleischmann: Hausbank heißt, dass wir für unsere Kunden in jeder finanziellen Lebenssituationen da sein wollen. Wir definieren uns über Vertrauen, Regionalität und Kundenfokus. Der Begriff Hausbank soll ausdrücken, dass wir in jeder Lebenslage auch das richtige Produkt und die richtige Beratung für unsere Kunden parat haben.

LEADERSNET: Wie sind Sie eigentlich Generaldirektor der Volksbank Wien geworden?

Fleischmann: Ich habe an der Technischen Universität Graz studiert und war dann bei der damaligen Girocredit Bank im Wertpapierhandel tätig. Dann habe ich die Möglichkeit bekommen, Generaldirektor der Salzburger Sparkasse zu werden und bin dann vor mittlerweile sechs Jahren von den Volksbanken angesprochen worden, ob ich nicht die Volksbank Wien übernehmen will, die ja das Zentralorgan des Volksbanken-Verbundes ist.

LEADERSNET: Ist das ein Traumjob?

Fleischmann: Ist Banker ein Traumjob? Nein (lacht). Traumjobs sind andere, wie Pilot, Astronaut, oder Sportler. Mein Jüngster will noch immer Fußballer werden oder Sportmanager (lacht).

LEADERSNET: Aber er ist trotzdem ein Job, der Sie erfüllt?

Fleischmann: Ja, das schon. Es ist ein sehr interessanter Job. Man hat sehr viele Möglichkeiten, sich zu überlegen, wie man die Kunden bestens beraten kann. Es ist ein spannender Job. Es ist ja nicht ganz einfach, Banker zu sein, weil man im Wesentlichen auch Risikomanager ist. Man hat die Gelder der Kunden als Einlagen und wenn man dann Kredite vergibt, dann ist das nicht das eigene Geld, sondern das Geld der Kunden.

LEADERSNET: Wie groß ist die Volksbank Wien eigentlich?

Fleischmann: Die Volksbank Wien hat rund 1.200 Mitarbeiter und rund 300.000 Kunden in den verschiedensten Segmenten – also sowohl Privatkunden als auch Kommerzkunden. Wir als Volksbanken-Verbund – und so auch natürlich die Volksbank Wien – konzentrieren uns auf die Privatkunden und dort ganz stark auf das Themen Wohnbau, Wertpapierveranlagung und Konsumentenkredite. Darüber hinaus haben wir noch einen sehr starken Anteil an Kommerzkunden. Wobei hier der Schwerpunkt bei den kleineren Kommerzkunden, sprich die regional agierenden Handwerker, Gastwirte, Tourismusunternehmen, liegt.

LEADERSNET: Es gibt eine enge Kooperation zwischen der Volksbank und der Union Investment, einer der weltweit größten Investmentgesellschaften. Sie, Herr Harms, sind Österreich-Chef der Union Investment. Wie sind Sie in diese Position gekommen?

Harms: Man muss Glück haben, hat Gerald Fleischmann vorhin gesagt. Genau so ist es. Ich komme aus Hamburg, habe lange Zeit in Frankfurt gearbeitet und darf jetzt seit sechs Jahren zusammen mit den Kollegen der Volksbank in Wien arbeiten. Wenn Sie die drei Städte miteinander verbinden, dann ist das schon ziemlich viel Glück. Ich habe eine klassische Bankerausbildung gemacht, habe studiert, habe im Eigenhandel von Banken gearbeitet und habe dann irgendwann meine Leidenschaft für Vertrieb entdeckt und darf als Vorsteher einer tollen Mannschaft hier in Wien, gemeinsam mit 60 Mitarbeitern die Volksbank Österreich unterstützen.

LEADERSNET: Wie funktioniert der Vertrieb von Union Investment Austria?

Harms: Wir sind eine Kapitalsammelstelle – eine Vorgesellschaft. Wir verwalten insgesamt über 400 Milliarden Euro für Privatkunden, aber auch für Kommerzkunden und professionelle Anleger. Wir machen keinen direkten Vertrieb, weil unsere Stärke darin liegt, die Produkte und die Kapitalmärkte zu beherrschen und die Vertriebseinheit an sich ist die Volksbank, die als Berater vor Ort fungiert. Das ist der Grund, warum wir uns so gut ergänzen. Das gilt für Deutschland, als auch für Österreich. Was die Menschen in den Bundesländern möchten, das wissen die Berater der Bank und unser Job ist es, bestmöglich in den gewünschten Risikoverhältnissen oder Chancenverhältnissen an den Kapitalmärkten anzulegen. Insofern ist es eine schöne Symbiose.

LEADERSNET: Herr Fleischmann, was bringt der Volksbank die Kooperation mit der Union Investment Austria?

Fleischmann: Wir als Volksbanken-Verbund und als Volksbank Wien haben uns vorgenommen, dass wir für unsere Kunden immer das beste Produkt in der jeweiligen Produktklasse zur Verfügung stellen können. Bei einem Kredit oder einem Girokonto bietet dies die Volksbank an. Es gibt aber auch spezielle Produkte, wo andere Unternehmen besser sind. Ein klassisches Thema in diesem Zusammenhang ist die Veranlagung. Das können Fondsgesellschaften um vieles besser und den besten Partner diesbezüglich haben wir uns ausgesucht: die Union Investment. Es ist ein Weltkonzern im Veranlagungssegment und wir sind sehr stolz drauf, dass die Union mit uns zusammenarbeitet. Wir verkaufen, wenn es ums Thema Veranlagung geht, Produkte der Union.

LEADERSNET: Die Volksbank positioniert sich als nachhaltiges Unternehmen. Was bedeutet das Thema Nachhaltigkeit in Zusammenhang mit einem Finanzunternehmen?

Fleischmann: Nachhaltigkeit ist geprägt durch drei Themenbereiche, nämlich die ökologische Nachhaltigkeit, die soziale Nachhaltigkeit und die governancetechnische Nachhaltigkeit. Bei der ökologischen Nachhaltigkeit ist es natürlich wichtig, dass wir als Bank auch schauen, dass unser CO2-Ausstoß niedrig ist. Das hat beispielsweise etwas mit dem Fuhrpark zu tun, den wir gerade auf Elektroautos umrüsten. Wir haben jetzt auch eingeführt, dass wir nur umweltfreundliches Papier in den Büros haben. Wir sind stolz darauf, dass wir unseren Kopier- und Druckerpapier-Output um 70 Prozent reduziert haben. Auch eine Bank kann sehr viel zur Ökologisierung tun. Man muss kein Produktionsunternehmen sein, um etwas zu tun. Auf der anderen Seite haben wir die soziale Nachhaltigkeit und da sind wir stolz darauf, dass wir eine genossenschaftlich organisierte Bank sind. Genossenschaftlich organisiert heißt, dass das, was die Bank erwirtschaftet, der Genossenschaft, die unser Eigentümer ist, zugute kommt.

Diese Genossenschaft hat einen Förderauftrag und sie fördert dann Vereine und Wirtschaftstreibende in der jeweiligen Region. Dadurch kommt das, was die Bank erwirtschaftet, in einen regionalen Kreislauf. Was wir uns natürlich auch vornehmen ist, dass wir nachhaltige Produkte für unsere Kunden zur Verfügung stellen und da ist das Wertpapierprodukt ein ganz wichtiges Puzzleteil. Einer der ganz großen Trends der letzten Jahre, ist der nachhaltige Fonds und auch da hat die Union ganz tolle Produkte, die wir unseren Kunden sehr gerne anbieten. Die wissen dann, dass da Unternehmen drinnen sind, die Nachhaltigkeit hochhalten. Nachhaltig zu investieren ist in der Veranlagung momentan ein Mega-Trend.

LEADERSNET: Herr Harms, welche nachhaltigen Produkte bieten Sie denn konkret an?

Harms: Wir arbeiten in Deutschland seit über 30 Jahren mit Kirchenbanken zusammen, die – genauso wie Herr Fleischmann gerade gesagt hat – eine genossenschaftliche DNA haben und für die Ethik und Nachhaltigkeit immer schon wichtig waren. Insofern haben wir eine Expertise von über 30 Jahren und haben mittlerweile knapp 60 Milliarden Euro an nachhaltigen Geldanlagen in Fonds veranlagt. Wir machen aktives Management. Das heißt, wir reden mit den Vorstandsvorsitzenden der Unternehmen und versuchen, Einfluss zu nehmen. Da geht es nicht darum, grüne Unternehmen grüner zu machen, sondern die braunen Unternehmen in einen Transformationsprozess zu bringen, um irgendwann nachhaltig zu werden. Alle kennen den Mineralölkonzern Shell. Shell ist mittlerweile – zum Teil auch aufgrund unserer Einflussnahme – der größte Förster der Welt. Shell hat eine so schlechte CO2-Bilanz haben, dass die einzige Chance ist, die sie haben, auf alternativem Weg etwas dagegen zu tun. Das ist eben das Aufforsten von Wäldern. Hier sieht man, dass man durch Einflussnahme auch einen Wandel in Unternehmen hervorrufen kann. Das ist aktives Management. Meine Kollegen, knapp 60 Leute, die in Frankfurt nur Nachhaltigkeit betreiben, sprechen mit den Unternehmen tagtäglich.

LEADERSNET: Kann man heute noch so anlegen, dass man Geld damit verdient?

Harms: Wir leben in einer Zeit, wo es keine Zinsen mehr gibt. Zum Teil sind es sogar schon Negativzinsen, weil es die Politik faktisch so will. Wir werden in naher Zukunft auch keine stark steigenden Zinsen sehen. Vor 15 Jahren haben Sie für vier Prozent eine österreichische Staatsanleihe gekauft oder bei der Volksbank angelegt und in zehn Jahren haben Sie über den Zinseszinseffekt Ihr Kapital verdoppelt. Das funktioniert natürlich nicht, wenn es keine Zinsen gibt. Insofern muss man sich Alternativen suchen. Die Aktie als Alternative birgt natürlich auch Risiken, weil die Anlagen schwanken. Aber mit entsprechender Laufzeit zahlt sich das auch aus. Wir versuchen in der gesamten Klaviatur von Anlageformen die Gelder für den Kunden zu platzieren. Wie viel Risikobereitschaft und wieviel Anlagehorizont ein Kunde hat, das bespricht der Berater vor Ort mit ihm und wir investieren entsprechend. Insofern lassen sich Renditen erwirtschaften. Man muss aber ein Stück weit Zeit haben und man muss auch mal in Kauf nehmen, dass eine Anlage vielleicht unterjährig ein wenig schwankt.

LEADERSNET: Zahlt sich das klassische Sparen überhaupt noch aus?

Fleischmann: Das klassische Sparen zahlt sich heute nicht mehr aus. Wenn wir über Sparen reden, dann reden wir über das Sparbuch. Da gibt's keine Zinsen mehr und deswegen ist es nicht anzuraten, sein Geld in einer Sparkarte oder ein Sparbuch anzulegen. Wir brauchen Geld für unsere Altersvorsorge und hier empfehle ich die Veranlagung. Es gibt in diesem Zusammenhang drei Säulen und eine davon ist sozusagen das eigene Ansparen und dafür ist es anzuraten, dass man in die Veranlagung geht. Veranlagung heißt Fonds. Da gibt es verschiedene Risikoklassen. Es gibt konservative Fonds, wie beispielsweise den Immobilienfonds, die sehr risikoarm sind. Auf der anderen Seite gibt es die riskanteren Fonds. Wenn man viele Jahre anlegt, wenn man noch jung ist und Marktschwankungen aushalten kann, dann ist es der klassische Aktienfonds, mit dem man historisch gesehen immer gute Rendite erwirtschaftet. Nur sollte man sein Geld nicht plötzlich brauchen. Das ist der Nachteil bei diesen volatilen Veranlagungen. Mit Sparen kommt man leider nicht mehr weit. Dadurch, dass man über die Inflation an Kaufkraft verliert, wird das Geld leider über die klassischen Sparformen immer weniger wert.

Harms: Sie müssen vom Sparer zum Investor werden. Das ist der Punkt. Ich glaube, dass uns genau dieser Transformationsprozess die nächsten Jahre begleiten wird. Für viele Privatanleger ist es bitter notwendig, Geld zur Seite zu legen und Vermögen aufzubauen für die Pensionszeit. Sie bekommen keine Zinsen mehr und Sie müssen Alternativen finden. Wir sehen auch, dass es diesen Trend schon gibt. Wir haben in Österreich laufend Marktbefragungen gemacht und wir sehen, dass das Interesse für alternative Anlageformen nach dieser langen Zeit, wo die Zinsen gefallen sind, immens hoch ist.

LEADERSNET: Hat der Digitalisierungsboost durch die Corona-Krise Ihnen als Bank geholfen?

Fleischmann: Ja, ich glaube schon. In der Organisation des Unternehmens hilft es ganz enorm. Wir haben seit über einem Jahr einen Großteil der Mitarbeiter im Home-Office. Wir haben über ein Jahr lang die Bank über Remote gemanagt und das funktioniert ausgezeichnet. Ich gehe davon aus, dass es zu keinem Zeitpunkt mehr im täglichen Arbeiten so wird, wie es vorher war. Die Leute werden weiterhin von Zuhause arbeiten und zwar zu einem großen Teil. Das Büro wird zur Begegnungszone werden, wo man dann brainstormt und wo man froh ist, dass man seine Kollegen wieder einmal sieht. Wenn man dann wieder konzentriert arbeiten muss, dann wird man Zuhause bleiben und jeder wird wissen, dass es funktioniert. Vor der Pandemie hat man sich das nicht ganz so getraut. Wir haben vor der Pandemie schon Home-Office gehabt, aber da haben wir den Mitarbeitern gesagt, dass sie maximal ein oder zwei Tage pro Woche von zuhause aus arbeiten sollen. Jetzt sagen wir das Gegenteil: ein bis zwei Tage im Büro und die restliche Zeit von Zuhause aus.

Auf der anderen Seite haben wir natürlich die Produkte, die man schon auch digital kaufen kann. Wobei ich ganz offen sagen muss, dass es bei den klassischen Produkten – und das ist bei uns der Kredit bzw. die Wertpapierberatung – weiterhin Beratung gegeben hat. Die hat entweder – mit allen Schutzvorkehrungen – in den Filialen stattgefunden oder übers Telefon und man hat dann nur vor Ort abgeschlossen. Bankgeschäft ist ein Geschäft zwischen dem Kunden und den Beratern. Bei allen digitalen Kanälen, die wir da zur Verfügung stellen, es wird immer ein Geschäft Mensch zu Mensch bleiben.

Harms: Die Unternehmensgespräche im klassischen Asset-Management haben super funktioniert. Im Gegenteil, sie sind sogar viel effizienter geworden. Sie können mit CEOs relativ schnell Kontakt aufnehmen, wenn es ad hoc ein Anliegen gibt – also insofern ist diese Entwicklung sehr positiv. In der Zusammenarbeit mit den Volksbanken hat es eine kurze Zeit des Einfindens gegeben, um die neuen Systeme zu nutzen. Ich kann es auch nur unterstreichen: Es wird nicht mehr weggehen. Ich glaube, es hat Effekte – sowohl für die Mitarbeiter, aber auch für die Unternehmen – die sehr positiv sind.

www.volksbankwien.at

www.union-investment.at

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