Fotos & Video DHK Jahrespressekonferenz 2024
Wifo-Chef: "Wir müssen verhindern, dass Europa zur Energie-Höchstpreiszone wird"

Bei der DHK Jahrespressekonferenz lag der Fokus auf der Zusammenarbeit im Energiesektor. Die Wirtschaftsbeziehung zwischen Deutschland und Österreich bleibt stabil, global gerät die europäische Industrie jedoch ins Hintertreffen. Deshalb fordert Gabriel Felbermayr die rasche Umsetzung des seines Erachtens wichtigsten Projekts zur Wachstumsbeschleunigung.

Bei der Jahrespressekonferenz 2024 der Deutschen Handelskammer in Österreich (DHK) standen die hohen Energiepreise ganz klar im Fokus. Diese seien mittlerweile eine ernste Bedrohung für energieintensive Unternehmen in Österreich, Deutschland und ganz Europa. Um eine Deindustrialisierung unseres Kontinents zu verhindern, müsse alles menschenmögliche unternommen werden, um dieses Problem so rasch wie möglich in den Griff zu bekommen.

Position Österreichs bleibt für Deutschland stabil

Daneben ging es aber natürlich auch um die bilaterale Handelsbeziehung zwischen Österreich und Deutschland. Diese sei allen Krisen zum Trotz stabil. "Die aktuellen Außenhandelsdaten bestätigen die Stabilität der bilateralen Wirtschaftsbeziehung zwischen Deutschland und Österreich und untermauern die wechselseitige Bedeutung der Märkte", betonte Hans Dieter Pötsch, Präsident der DHK und Aufsichtsratsvorsitzender der Volkswagen AG sowie Vorstandsvorsitzender der Porsche SE, im Rahmen des Pressegesprächs in Wien. Doch die aktuellen Herausforderungen würden entschlossene Maßnahmen und eine kluge Navigation von Politik und Wirtschaft erfordern, so Pötsch.

Im Zuge des allgemeinen Rückgangs des deutschen Handelsvolumens ist im Vorjahr auch jenes mit Österreich gesunken: Die deutschen Exporte nach Österreich haben sich demnach im Jahresvergleich um 9,2 Prozent auf 81,9 Milliarden Euro reduziert. Die Importe verringerten sich um 6,1 Prozent auf 54,6 Milliarden Euro. Insgesamt ergibt sich daraus ein bilaterales Handelsvolumen von 136,5 Milliarden Euro. Das entspreche einem Rückgang um exakt acht Prozent gegenüber dem Jahr 2022, wo das bilaterale Handelsvolumen bei 148,4 Milliarden Euro lag. Einen wesentlichen Einfluss auf diese Entwicklung hatte der Handel mit Erdöl und Erdgas. So ist das bilaterale Handelsvolumen von Erdöl und Erdgas laut vorläufigen Zahlen im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr um 6,3 Milliarden Euro geringer ausgefallen. Ein Plus gab es hingegen bei Autos und Nahrungsmitteln.

"Die Position Österreichs im Ranking der wichtigsten Handelspartner bleibt aber trotz aller Konjunkturschwankungen und globaler Krisen stabil", so Pötsch. Österreich sei für Deutschland aktuell das siebtwichtigste Exportland und das achtwichtigste Importland. Auch in den vergangenen Jahren belegte Österreich in diesem Ranking immer die Plätze sechs bis acht. 

Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo), untermauerte die Bedeutung des Handelsvolumens. Laut ihm machen die österreichischen Exporte nach Deutschland 12 Prozent des BIP aus. Hätte es im Vorjahr kein Minus von 6,1 Prozent gegeben, wäre Österreich eine Rezession erspart geblieben. Denn dann wäre das allgemeine Wirtschaftswachstum um 0,7 Prozent höher ausgefallen.

Neben Pötsch und Felbermayr war auch Thomas Gindele, Hauptgeschäftsführer der DHK, beim Pressegespräch dabei. Auch er verwies mehrmals auf die wirtschaftliche Bedeutung der bilateralen Beziehungen der beiden Länder.

Energieversorgung und -infrastruktur wesentlich

Im Zuge der Jahrespressekonferenz zeigte sich auch, dass es in der wirtschaftlichen Entwicklung und in der Wettbewerbsfähigkeit beider Länder Luft nach oben gebe. Als Interessensvertreter von Unternehmen, die in beiden Ländern tätig sind, formuliert DHK Präsident Pötsch daher vier Forderungen an die Politik:

  1. stärkere Kooperation bei der Energieversorgung
  2. verbesserte Rahmenbedingungen für Bildung und Innovation
  3. Abbau von Bürokratie
  4. Ausbau internationaler Kooperationen, wie zum Beispiel dem Mercosur-Abkommen

"Wirtschaft braucht Energie", betont Pötsch. Diese muss nicht nur verlässlich zur Verfügung stehen, sondern auch finanzierbar sein. Positiv zu bewerten sei daher der Ausbau der WAG – der West-Austria-Gasleitung und die Zusammenarbeit der Länder im Bereich Wasserstoffversorgung beim "H2-Südkorridor". Mehr Tempo sei auch beim Ausbau der Stromnetze gefragt. Pötsch: "Wir brauchen eine verstärkte länderübergreifende Zusammenarbeit, um die Herausforderungen im Energiesektor gemeinsam anzugehen und die Energiewende voranzutreiben. Wir brauchen mehr Europa in der Energiepolitik."

Gindele sagte ebenfalls, dass die Wirtschaft Energie brauche, die verlässlich verfügbar und leistbar ist.

Kritik an Gaspreisumlage und fehlender Strompreiszone

Gabriel Felbermayr schlug in die selbe Kerbe: "Wir wollen grüne Energie, aber keine teure Energie und wir müssen verhindern, dass Europa zur Energie-Höchstpreiszone wird". Diese würde unweigerlich zu einer Abwanderung der (energieintensiven) Industrie führen. Für mehr Dynamik brauche es beherzte Reformen. Statt Protektionismus sollte die Politik auf eine wehrhafte Offenheit setzen, deren Kern in der Stärkung der bestehenden komparativen wirtschaftlichen Vorteile besteht, so der Wifo-Chef, der auch Kritik an der deutschen Gaspreisumlage übte. Diese stelle für österreichische Unternehmen einen klaren Wettbewerbsnachteil dar und würde Österreich geradezu in das "russische Gas hineintreiben". Hier stellte Thomas Gindele jedoch eine baldige Verbesserung in Aussicht. So sei eine Lösung in greifbarer Nähe, auch weil die Umlage nicht EU-konform sein dürfte.

Neben der Gaspreisumlage sieht Felbermayr die nicht mehr vorhandene gemeinsame Strompreiszone als großes bilaterales energiepolitisches Thema. "Seit 2018 sind wir nicht mehr in einer gemeinsamen Strompreiszone und seither ist der Großhandelspreis für Strom in Österreich pro Monat im Durchschnitt zwischen zehn und 15 Prozent höher als in Deutschland." Das sei der Großhandelspreis und nicht die finalen Kosten für die Unternehmen. Denn auf dem Strommarkt spielten neben dem Einkaufspreis für Strom auch steuerliche, abgabenrechtliche Fragen sowie auch Netzentgelte eine Rolle. Insofern sei der Abstand laut dem Wifo-Chef für die Unternehmen nicht genauso hoch. Aber es zeige sehr wohl, dass wir da ein Thema haben, welches darauf hindeute, dass der Binnenmarkt ein Problem hat. "Wenn ich als Ökonom auf eine Binnengrenze sehe und merke, dass es an dieser Preissprünge von zehn bis 15 Prozent gibt, dann ist da was nicht in Ordnung. So etwas sollte es heutzutage nicht mehr geben. Es ist übrigens auch nicht eine unzureichende Infrastruktur, die ist im Prinzip da. Diese hat ja auch ausgereicht, um die Strompreiszone über viele Jahrzehnte zusammenzuhalten. Es sind künstliche Verknappungen durch die Überleitungsrechte, die dazu führen, dass diese Strompreisunterschiede entstanden sind", so Felbermayr.

Hier müsse man aber nicht nur Deutschland in die Pflicht nehmen, sondern es ist die Gesamtheit der Nord-Süd- Transporttrassen, die nicht gut dimensioniert seien. Das sei ein innerdeutsches Thema, aber auch ein Thema Polens und Tschechiens. "Und es sind gerade Polen und Tschechien gewesen, die diese Strompreiszonentrennung 2018 eingeführt haben, weil deren Netze überlastet waren - durch das Leiten von deutschen Nordseestrom in österreichische Speicher. Daran sieht man, dass die Energiemarkt-Union eine hohe Bedeutung für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Industrie hat", so der Wifo-Chef.

Wichtigstes Projekt zur Wachstumsbeschleunigung

Laut Felbermayr seien die aktuellen Konjunkturverläufe in Österreich und in Deutschland ähnlich. "Beide leiden immer noch unter hohen Energiepreisen, einer schwachen Weltwirtschaft und geopolitischer Unsicherheit." Während das letzte Problem bis auf Weiteres bleibe, verbessere sich der Ausblick bei den ersten beiden Themen. Daher helle sich die Lage um die Jahresmitte auf. Aber das Trendwachstum sei in beiden Ländern viel zu niedrig. In Österreich dürfte es ein merkliches Plus ab dem dritten Quartal geben.

Das wichtigste Projekt zur Wachstumsbeschleunigung sei der weitere Ausbau des Binnenmarktes. Der Wifo-Chef abschließend: "Hier geht es um die Umsetzung einer Energieunion, einer Kapitalmarktunion und einer gemeinsamen Infrastrukturoffensive."

LEADERSNET war bei der DHK Jahrespressekonferenz 2024. Fotos sehen Sie in der Galerie.

www.oesterreich.ahk.de

www.wifo.ac.at

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