Interview Eveline Steinberger
"So wie wir die Energietransformation meistern, ist falsch und kurzsichtig"

Eveline Steinberger, Gründerin der Beratungs- und Venture-Capital-Firma Blue Minds Company, spricht im LEADERSNET-Interview u.a. über High-Tech Trends, Green-Energy, Big Data, KI und ihre Investmentstrategie. Zudem verrät Sie, welches Start-up, bei dem sie von Anfang an dabei war, um 250 Millionen Euro verkauft wurde, warum in Israel besonders viele Jungunternehmen erfolgreich sind und wieso Österreich noch mehr Marketing für Entrepreneurship verträgt.

LEADERSNET: Sehr geehrte Frau Steinberger, erzählen Sie Ihren Hintergrund. Wie sind Sie aufgewachsen? Wie haben Ihre Kindheit und Ihr Aufwachsen Ihren Weg als Unternehmerin beeinflusst?

Eveline Steinberger: Ich bin in einer Großfamilie in relativ bescheidenen Verhältnissen in der Obersteiermark aufgewachsen. Bildung hatte einen hohen Stellenwert und dies veranlasste mich dann auch in BWL an der Universität in Graz zu promovieren und Ausbildungen an der INSEAD in Fontainebleau (Frankreich) zu absolvieren. Nach diesen Ausbildungsjahren bin ich dann in die Energiewirtschaft gegangen. Das war gerade zur Zeit der Liberalisierung des heimischen Energiesektors. Unternehmungen im Energiesektor waren dann erstmals auch darauf auszurichten, dass sie Kund:innen bedienen und von ihrem Dienstleistungs- und Produktionsangebot auch überzeugen mussten. Nach Karrierestationen beim Verbund und bei Siemens habe ich in Israel mit ehemaligen Siemens-Kolleg:innen dann ein erstes Unternehmen im Energiesektor gegründet.

LEADERSNET: Können Sie uns Einblicke in einige der innovativen Projekte geben, an denen "Blue Minds" arbeitet, um eine nachhaltigere Zukunft zu gestalten?

Steinberger: Wir sind ständig bestrebt, nach Innovationstreiber Ausschau zu halten. Wir haben zwischenzeitlich drei schöne Exits generieren dürfen. Der größte, im Übrigen auch in Österreich, war bislang mit dem E-Mobility-Start-up has-to-be (Processing rund um die Ladesäule). Das auf Lademanagement für E-Autos spezialisierte österreichische Start-up wurde vom US-Ladesäulenbetreiber ChargePoint übernommen. Has-to-be wurde um ca. 250 Millionen Euro verkauft. Wir waren bei has-to-be schon in der Stunde Null mit dabei und haben damit eine schöne Entwicklung gemacht. Weitere Engagements haben wir mit dem Climate-Tech Inkubator NetZero und Tech-Startups in Israel, Deutschland und den USA.

LEADERSNET: Sie haben erfolgreich in verschiedene Unternehmen investiert und Beteiligungen aufgebaut. Können Sie uns mehr über Ihre Investmentstrategie und die Auswahlkriterien für potenzielle Unternehmen erzählen?

Steinberger: Im Grunde genommen gehen wir in einer sehr frühen Phase in die Unternehmungen. Wir suchen die Teams und die Geschäftsmodelle zu einem Zeitpunkt, wo oft noch nicht einmal ein Unternehmen gegründet ist. Es kann auch passieren, dass die Idee sowie das Team stehen und dann eben Business Angels aufgesucht werden, um die ersten Schritte zu machen. Dabei sind wir kein passiver, sondern ein sehr aktiver Investor.

Wir helfen auch den Teams den Marktzugang zu generieren, ein Netzwerk an Investor:innen zur Verfügung zu stellen, beim Kundenaufbau – also Türen zu öffnen und zu den ersten Referenzkunden zu kommen. Wir verstehen unter einem Start-up ein Venture, das sich mit Technologie beschäftigt – in unserem Fall Software – und das sich international skalieren lässt. Das ist unser Investment Sweet Spot. Aufgrund der investierten Summe ist Hardware für uns weniger ein Thema – weil das viel kapitalintensiver ist. Wenn Sie sich ausrechnen, dass man 250.000 Euro investiert und dann irgendwo zwischen fünfmal und zehnmal beim Verkauf des Unternehmens erhält, dann kann man mit der Rendite für das eingesetzte Kapital schon zufrieden sein. Verloren haben wir mit unseren Start-up-Investments zum Glück noch kaum Geld. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass wir sehr aktive Investor:innen sind und dann den Gründer:innen auch helfen, zumindest das investierte Geld wieder zu verdienen. Außerdem schauen wir uns ganz genau an, in welche Start-ups wir investieren.

LEADERSNET: Das inflationäre Umfeld machte deutlich, wie abhängig wir von anderen Ländern sind, wenn es zur Sicherstellung leistbarer Energie kommt. Welche Entwicklungen sehen Sie und wie wirkt sich das auf Ihr Geschäft aus?

Steinberger: Der Krieg in der Ukraine hat gerade beim Ausbruch zu exorbitant hohen Energiepreisen geführt. Das hat natürlich auch die Inflation angeheizt. Neben anderen Werten im Warenkorb ist Energie eine wesentliche Größe, welche die Inflation beeinflusst. Die hohe Inflation hat schließlich die Zinslandschaft dramatisch verändert. Hohe Zinsen bedeuten, dass das Investieren weniger Spaß macht, weil Kapital teuer ist. Das übertrug sich auch in unsere Branche und hat nicht nur in Europa, sondern auch weltweit dazu geführt, dass in dieser ganzen Technologie- und Start-up-Szene die Investitionsfreude abgenommen hat. Folglich sehen wir kleinere Investmenttickets zu niedrigeren Bewertungen für die Start-ups. Ich finde, das ist auch eine ganz gute Entwicklung, weil Bewertungen zum Teil wirklich überhitzt waren. Als Investor:in kommt man so leichter an gute Investments.

LEADERSNET: Sie investieren in Israel, Deutschland, USA und Österreich. In Österreich etwas weniger. Was sind die kulturellen Differenzen, die Sie vorfinden? Sind die Mentalitäten unterschiedlich? Wie sehen Sie die Chancen für Hightech-Start-ups in der heutigen Zeit und welche Rolle spielt das einzigartige Gründer-Ecosystem in Israel dabei?

Steinberger: Sie sprachen bereits einige positive Aspekte an. Israel als Land und das Gründer-Ecosystem haben mich immer schon fasziniert. Es ist ein Land mit einem extrem innovativen Ökosystem, auch aus der Situation heraus, dass man natürlich militärisch immer die Nase vorn haben muss, um in dieser schwierigen geopolitischen Region überleben zu können. Deswegen fließen auch sehr viele Mittel in die Technologieentwicklung. Zunächst einmal für die militärische Anwendung und später werden dann diese Innovationen auch für den zivilen Bereich adaptiert und auf den Markt gebracht. Das ist sicherlich ein Aspekt, der dort sehr befruchtend wirkt. Und dort, wo Geld in Technologie fließt, braucht man die qualifizierten Leute. Das heißt, es gibt Universitäten und Forschungseinrichtungen, die zu den weltbesten gehören und in einer Fülle vorhanden sind, wie man es sich bei uns hier nur wünschen kann.

Es gründen neben jungen Menschen auch sehr viel ältere Menschen – oft ist es auch ein zweiter Bildungsweg. Es entstehen nirgends so viele Start ups in Bezug auf die Bevölkerung wie in Israel – Jahr für Jahr. Und das hat auch dazu geführt, dass eine sehr lebendige Risikokapitalstruktur entstanden ist. Business Angels, Family Offices, Venture Capital Fonds, Private Equity Fonds und vieles mehr, das in Israel angesiedelt ist.

Da das Land so klein ist, es hat etwa die Fläche von Niederösterreich und in etwa die Einwohnerzahl, die Österreich hat, blickt man auch sehr frühzeitig auf die Expansion. Das wirkt sich auf die Produktentwicklung aus und macht vieles resilienter, schneller und innovativer – weil man viele Dinge einfach von Beginn an mitberücksichtigt.

LEADERSNET: Wie beurteilen Sie das Potenzial von KI-basierten Lösungen für die Transformation des Energiesektors im Hinblick auf die globalen Klimaziele und die Reduzierung von Treibhausgasemissionen? Wie ist der Westen dafür gerüstet?

Steinberger: Sie kennen sicherlich den Ausspruch "Daten sind das neue Öl". Das passt auch gut zum Energiesektor, ausgelöst durch den Übergang von der zentralen Energiewelt in eine dezentrale Energiewelt mit dem Ausbau der gesamten erneuerbaren Energien. Es sind unglaublich viele Daten, die mit dieser Transformation verfügbar geworden sind und verarbeitet werden müssen. Ein Beispiel sind die Smart Meter, die in Echtzeit das Energieverhalten von uns Konsument:innen beobachten und – wenn zugelassen - steuern können. Da spielt generative KI, weil sie es angesprochen haben, eine zunehmend große Rolle, weil nicht nur bestehende Daten verarbeitet und analysiert werden müssen, sondern auch neue generiert werden sollen.

LEADERSNET: Wie sehen Sie die Zukunft des Energiesektors und welche Entwicklungen erwarten Sie in den kommenden Jahren?

Steinberger: Wir haben in den vergangenen 20 Jahren wenig an industrieller Fertigung für die Energiezukunft in Europa aufgebaut, das einen Wettbewerbsunterschied machen kann. Heute kommen z.B. Wechselrichter zu nahezu 95 Prozent aus asiatischen Ländern – und somit sind wir hier in Europa extrem abhängig. Aber auch bei Solarpaneelen oder der Produktion von Speichertechnologien sind wir hinterher. Wir haben hier im Zuge der Globalisierung sehr viel an Know-How expandiert und jetzt ist es mühsam, diese Schlüsselindustrie wieder in Europa anzusiedeln. Der Umbau unseres Energiesystems funktioniert auch nicht ohne staatliche Subventionierung, die den privaten Sektor mit verpflichtet. Wenn wir nicht rasch handeln, verspielen wir hier in Europa Wirtschaftspotenzial. Im Klartext: wir meistern die Energietransformation als Weltmeister, aber mit Produkten und Technologien von außerhalb Europas. Und das ist falsch und extrem kurzsichtig.

Was bringt die Zukunft? Viele Erfindungen sind bereits gemacht, jetzt müssen sie konsumiert werden. Die großen Disruptionen sehe ich daher derzeit weniger, aber sehr wohl eine nachhaltige und sukzessive Entwicklung hin zu einer CO2-neutralen Energiezukunft. Generative AI wird sich zunehmend in die ganzen Produkt- und Dienstleistungssortimente einbetten. Man kann heute schon viele Dinge einfach in Real-Time steuern, und dazu benötigt man keine Menschen mehr. Ganze Kraftwerke können aus der Ferne gewartet und serviciert werden.

LEADERSNET: Sie legten bisher eine beeindruckende Karriere hin und waren auch mit Ihrem Unternehmen überaus erfolgreich. Was würden Sie Leser:innen mit auf den Weg geben? Was ist der beste Ratschlag, den Sie für Ihre berufliche Laufbahn und Ihr Leben je erhalten haben?

Steinberger: Ich war immer getrieben von der Idee, unternehmerisch einmal selbst etwas zu verantworten. Dorthin gebracht hat mich dieses lebenslange Lernen und das hört nie auf – man muss am Ball bleiben, sich weiterbilden, sich auch weiter interessieren, um kreativ sein zu können, um überhaupt etwas Innovatives entdecken zu können. Und das ist eigentlich etwas, was ich den Leser:innen und jungen Leuten mitgeben möchte. Nur nicht Angst davor zu haben, etwas Neues zu machen, neu zu denken und durchzustarten, sondern sich das zu trauen – auch wenn man scheitert. Das war auch der Grund, warum ich mich für die TV Show "2 Minuten 2 Millionen" engagiere. Ich finde, dass wir da in Österreich schon noch ein bisschen mehr Marketing und PR für Entrepreneurship vertragen.

www.blueminds-company.com

Zur Person

Eveline Steinberger, von der The Blue Minds Company, ist Unternehmerin, die sich den High-Tech Trends Green-Energy, Nachhaltigkeit, Big Data, Künstliche Intelligenz und Blockchain angenommen hat. Sie ist Beirats-Mitglied in der Evergreen Privatstiftung und Aufsichtsrätin in der Unicredit Bank Austria. In zwei israelischen Venture Fonds agiert sie als Venture Advisor.

2014 gründete Eveline Steinberger das Beratungs- und Venture Capital Unternehmen "The Blue Minds Company", mit dem sie sich auf die globale Energiewende fokussiert. Zu Ihren erfolgreichsten Unternehmensbeteiligungen zählen dabei der deutsche Solarglas-Hersteller Interfloat Corporation, das israelische Softwareunternehmen Cylus Ltd., die deutsche Plattform für die Nachnutzung von Batterien Circunomics GmbH, die Foresight Energy Ltd. (AI Energy Platform) und die österreichische has-to-be GmbH (Exits in 3-stelliger Millionenhöhe).

Zuvor bekleidete Steinberger verschiedene leitende Positionen im Energie- und Infrastruktursektor, u.a. als Geschäftsführerin beim Verbund; bei Siemens leitete sie die Geschäfte für (erneuerbare) Energieprojekte in Zentral- und Osteuropa. Als Investitions- und Innovations-Expertin sitzt Sie in der Jury des Puls4 TV-Formates "2 Minuten 2 Millionen“.

Kommentar schreiben

* Pflichtfelder.

Zur Person

Eveline Steinberger, von der The Blue Minds Company, ist Unternehmerin, die sich den High-Tech Trends Green-Energy, Nachhaltigkeit, Big Data, Künstliche Intelligenz und Blockchain angenommen hat. Sie ist Beirats-Mitglied in der Evergreen Privatstiftung und Aufsichtsrätin in der Unicredit Bank Austria. In zwei israelischen Venture Fonds agiert sie als Venture Advisor.

2014 gründete Eveline Steinberger das Beratungs- und Venture Capital Unternehmen "The Blue Minds Company", mit dem sie sich auf die globale Energiewende fokussiert. Zu Ihren erfolgreichsten Unternehmensbeteiligungen zählen dabei der deutsche Solarglas-Hersteller Interfloat Corporation, das israelische Softwareunternehmen Cylus Ltd., die deutsche Plattform für die Nachnutzung von Batterien Circunomics GmbH, die Foresight Energy Ltd. (AI Energy Platform) und die österreichische has-to-be GmbH (Exits in 3-stelliger Millionenhöhe).

Zuvor bekleidete Steinberger verschiedene leitende Positionen im Energie- und Infrastruktursektor, u.a. als Geschäftsführerin beim Verbund; bei Siemens leitete sie die Geschäfte für (erneuerbare) Energieprojekte in Zentral- und Osteuropa. Als Investitions- und Innovations-Expertin sitzt Sie in der Jury des Puls4 TV-Formates "2 Minuten 2 Millionen“.

leadersnet.TV