Die Sanktionen gegen Russland und ihr Einfluss auf den Rubel

Gastkommentar von Gerhard Scharinger, Head of Corporate Hedging Central and Eastern Europe bei Western Union Business Solutions.

Die russische Währung kann auf eine lange Tradition zurückblicken, deren Ursprünge bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen. Trotz dieser mittelalterlichen Herkunft sind es jedoch moderne Probleme, welche den Rubel in den letzten Jahren geplagt haben. Dabei stellt das Jahr 2014 einen Wendepunkt dar, welcher noch heute als Ursprung der geopolitischen Anspannungen zwischen den Vereinigten Staaten und Russland gilt.

Krimkrise als Auslöser

Der Bruch der diplomatischen und politischen Beziehungen, der Russland nicht nur aus der Gruppe der G8 verbannte, sondern auch als einer der Auslöser der russischen Finanzkrise gesehen werden kann, nimmt mit der Krise in der Ukraine seinen Anfang. Die Annektion der ukrainischen Halbinsel Krim im Jahr 2014 heizte die globalen politischen Spannungen weiter an. Schnell wurden die ersten Sanktionen gegen Russland verhängt, welche zu einer diplomatischen Krise führten. Fünf Jahre nach Beginn der Ukraine-Krise bleibt die Relevanz der Geschehnisse nicht nur für politische Zuschauer, sondern auch für Ökonomen und Finanzanalysten von Bedeutung.

Den Sanktionen, welche in den ersten Jahren des Konflikts verhängt wurden, sind seither 49 weitere gefolgt. Neben Menschrechtsverletzungen dienen auch die Anschuldigungen bezüglich einer Manipulation der US-amerikanischen Präsidentschaftswahl im Jahr 2016 als Grundlage für neue Maßnahmen gegen Russland. Diese Geschehnisse resultierten nicht nur in einem Öl-Schock 2014, sondern auch in einer 50-prozentigen Abwertung des russischen Rubels. Auch in den Jahren 2018 und 2019 haben einige Industrien Russlands mit den Folgeschäden der Sanktionen zu kämpfen. Diesmal scheint Russland jedoch besser vorbereitet zu sein und weist neben einer makroökonomischen auch eine souveräne geldpolitische Stabilität auf.

Finanzkrise und Rubel-Abwertung als Kollateralschäden

Dass die Finanzkrise in Russland und die darauffolgende Abwertung des russischen Rubels solch verheerende Ausmaße erlangten, scheint neben den politischen Sanktionen insbesondere an der intensiven Ölkrise von 2014 gelegen zu haben. Inmitten einer erhöhten US-amerikanischen Ölproduktion und einer sinkenden globalen Wirtschaftsaktivität verzeichnete der Ölpreis zwischen 2014 und 2016 einen 70-prozentigen Rückgang.

Dass der russische Rubel weiterhin schlecht performt, muss jedoch auf die Sanktionen und die limitierte Unterstützung an den internationalen Finanzmärkten zurückgeführt werden. Während sich andere rohstoffabhängige und angeschlagene Länder an den ausländischen Geldmärkten Kredite holen konnten, blieb Russland diese Option durch die US-Sanktionen verschlossen.

Somit können zwei angebotsseitige Schocks für das Jahr 2014 identifiziert werden, welche die russische Wirtschaft erfahren hatte. Zum einen war es die Herausforderung sinkender Ölpreise, zum anderen die erhöhte politische und diplomatische Anspannung, welche eine Unterstützung an den globalen Kapitalmärkten nicht zuließ. Als Gegenmaßnahme nutzte Russland dabei die Gelegenheit, sich unabhängiger von der Außenwelt zu machen, und schlug einen protektionistischen Ton an.

Kurzfristiger Schub durch Importrestriktion

Im Rahmen dieser neuen Handelspolitik begrenzte Russland die Nahrungsexporte in die USA und europäische Länder und subventionierte eigene Bauern bei der Produktion. Diese Importrestriktion gab lokalen Produzenten einen kurzfristigen Schub und führte zu einer Vergrößerung des heimischen Marktes. Die negativen Begleiterscheinungen machen sich in einem jährlichen Preisanstieg der Nahrungsmittel bemerkbar. Innerhalb von dreizehn Monaten verteuerten sich diese zuerst um 5,5 Prozent und darauffolgend um über 23 Prozent.

Um der erhöhten Inflation, der Abwertung des Rubels und der Kapitalflucht entgegenzuwirken, setzte die russische Zentralbank auf geldpolitisch drastische Maßnahmen und griff neben der Leitzinserhöhungen ebenfalls auf Devisenreseren zurück. Vor diesem Hintergrund stieg der Leitzinssatz im Jahr 2014 von 5,5 Prozent auf 17 Prozent an, wobei die Zentralbank Reserven im Wert von mehr als 200 Milliarden US-Dollar im Kampf gegen die Abwertung des Rubels opfern musste.

Das angeschlagene Vertrauen in die russische Wirtschaft konnte jedoch nicht so rasch wiederbelebt werden, und so verlor der russische Rubel von 2014 bis 2016 mehr als die Hälfte seines Wertes. Aus makroökonomischer Perspektive gehen Schätzungen von einem Verlust im Wert von 170 Milliarden US-Dollar aufgrund der Sanktionen und 400 Milliarden US-Dollar aufgrund des Öl- und Gasverfalls für die russische Wirtschaft aus. Auch die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verzeichneten innerhalb eines Jahres einen Verlust von 100 Milliarden Euro. Neben den wirtschaftspolitischen Effekten scheint der Sanktionskrieg eine zweite, geldpolitische Implikation mit sich gebracht zu haben. Dollar-Reserven wurden abgebaut und Euro-, Renminbi- sowie Goldkäufe getätigt.

Das Jahr 2019 als Neuanfang?

Betrachtet man den Konflikt der beiden Atommächte aus rein diplomatischer Sicht, scheint das Jahr 2019 genauso weiterzugehen wie die Jahre zuvor. Im März und September wurden neue Sanktionen gegen Russland aufgrund der Skripal-Affäre und der versuchten Manipulation der US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen verhängt. Was nun jedoch anders erscheint, ist die positive fiskalische Lage in Russland und der ersichtlich begrenzte Einfluss der politischen Nachrichten auf den Rubel. Dies heißt natürlich nicht, dass die russische Währung keinerlei Reize durch die geopolitischen Anspannungen erhält. Diese fallen im Jahr 2019 einfach nur geringer aus.

Der Rubel konnte sich im Laufe des Jahres sogar deutlich gegenüber dem Euro und dem US-Dollar festigen und bleibt eine der stärksten Währungen unter den Schwellenländern im Jahr 2019. Derzeit scheinen sich geldpolitische Divergenzen bemerkbar zu machen. Die Zinssenkungen in Europa und in den USA verleiten immer mehr Investoren, in Rubel zu investieren. Auf der Suche nach Rendite stößt der Rubel plötzlich auf hohe Nachfrage. Ein Blick auf die spekulativen Positionen bei der US-Aufsichtsbehörde CFTC verrät, dass die Wetten auf einen Anstieg des Rubels im Mai 2019 ein Allzeithoch erreicht hatten. Ein weiterer Indikator dieser "Flucht in die Rendite" ist die erhöhte Nachfrage nach russischen Staatsanleihen, wobei ein Drittel der in Rubel denominierten Staatsschulden von Ausländern gehalten wird.

Eine ungewöhnlich sichere Investition

Aus der Perspektive der internationalen Anleger bleiben russische Staatsanleihen somit eine ungewöhnlich sichere Investition. Nicht nur fallen die öffentlichen externen Schulden Russlands mit zehn Prozent gegenüber den Währungsreserven der Zentralbank gering aus. Auch die Schuldenquote (gemessen am BIP) von 13 Prozent ist eher ungewöhnlich für ein Schwellenland. Dies wird durch eine erhöhte Nachfrage der Investoren belohnt. Diese positiven Rahmenbedingungen scheinen das Vertrauen in den osteuropäischen Riesenstaat gestärkt zu haben. Investoren erhalten dafür eine saftige Rendite mit derzeit geringem Risiko.

Für den weiteren Verlauf des Jahres bleiben somit zwei makroökonomische und politische Themen im Fokus: Unsicherheiten auf der globalen politischen Bühne, wie etwa der Handelskrieg zwischen USA und China, führen ebenfalls zu einer schwächeren globalen Nachfrage und zu einem tendenziell rückläufigen Ölpreis, welcher hingegen den Rubel belastet.

Geldpolitische Divergenzen bleiben vor dem Hintergrund sinkender Rendite weiterhin im Zentrum der Investitionsentscheidungen von Anlegern und werden die Kursverhältnisse des Rubels sowohl gegenüber dem Euro als auch dem US-Dollar prägen. Heimische Gegebenheiten weisen wie bereits angesprochen eine weiterhin positive Tendenz auf und könnten dem Rubel Rückenwind für das nächste Jahr verschaffen. Dabei bilden die geringe Schuldenquote, gekoppelt mit einem Leistungsbilanzüberschuss, die perfekten Ausgangsbedingungen für einen stärkeren Rubel, sollte es auf der politischen Bühne zu keinen weiteren Eskalationen und Handelskriegen kommen.

business.westernunion.at


 

Kommentare auf LEADERSNET geben stets ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors bzw. der jeweiligen Autorin wieder, nicht die der gesamten Redaktion. Im Sinne der Pluralität versuchen wir unterschiedlichen Standpunkten Raum zu geben – nur so kann eine konstruktive Diskussion entstehen. Kommentare können einseitig, polemisch und bissig sein, sie erheben jedoch nicht den Anspruch auf Objektivität.

leadersnet.TV