Verwirrungen, Erfahrungen und wie es mit der Wirtschaft weitergehen muss

| Redaktion 
| 13.08.2023

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

Für viele meiner geneigten Leser:innen geht langsam der – hoffentlich erholsame – Sommerurlaub zu Ende. Ich persönlich habe meinen Urlaub dieses Jahr einmal mehr auf den Herbst bzw. Winter verschoben, denn der Sommer war gespickt mit spannenden Veranstaltungen. So bescherten mir etwa die Anifer Journalismustage, der Salzburg Summit, die Salzburger Festspiele oder der Sommerdiskurs der Uni Wien eine Vielzahl an Begegnungen, Erfahrungen und Erlebnissen.

Parallel dazu haben mich die "Sommerloch"-Geschichten – etwa darüber, was oder wer normal ist oder ob das Anrecht auf Bargeld in die Verfassung aufgenommen werden müsse – teils verwirrt, jedenfalls kopfschüttelnd zurückgelassen.

Aussichten der Wirtschaft

Was mich diesen Sommer aber, abgesehen von den bevorstehenden Wahlen in Österreich und Deutschland, ganz intensiv beschäftigt hat, sind vor allem die Aussichten der Wirtschaft. Ich glaube, alle Analyst:innen und Kenner:innen sind sich einig, dass es der deutschen Wirtschaft nicht nur nicht gut geht, sondern dass diese sogar im Schrumpfen begriffen ist. Die Investitionen und die Industrie zieht es ins Ausland. Dies sind weder für Österreich noch für die EU gute Nachrichten. Es würde jedoch den Rahmen dieses Gastkommentars sprengen, im Detail auf alle Notwendigkeiten einzugehen, die meiner Ansicht nach vom Staat, den Unternehmen und den Bürger:innen dagegen unternommen werden müssten. Lassen Sie mich aber versuchen, zumindest stichwortartig und ohne den Anspruch auf Vollständigkeit, auf einige Punkte einzugehen.

Es müssten die Lohnnebenkosten gesenkt werden und es bedarf einer grundsätzlichen Einkommenssteuersenkung. Es bedarf günstigerer Energie, andernfalls droht die Deindustrialisierung. Es bedarf eines Techniksprungs und einer Entbürokratisierung – also mehr statt weniger Digitalisierung. Es braucht gezielte Einwanderung von sogenannten "Schlüsselkräften", also jenen, die für das Funktionieren der Wirtschaft und Gesellschaft dringend benötigt werden. Wir brauchen viel mehr Bildung, zusätzlich darf vor allem die Politik ihr Tempo nicht weiter erhöhen, sondern überlegter agieren und die Bevölkerung auf den Wegen mitnehmen – dazu braucht es außerdem bessere Kommunikation. Es braucht ein "Dienstjahr" (egal, ob Wehr- oder Zivildienst), ebenso müssen Renten und die Sozialversicherung reformiert werden. Wir brauchen eine Schuldengrenze nach Schweizer Vorbild. Es muss wieder der Grundsatz der Eigenverantwortung gelten. Es bedarf einer Demokratie- und einer militärischen Stärkung.

Gemeinsam mehr Verantwortung übernehmen

Und was bedeutet das für uns, die Bürger:innen? Wir alle werden mehr Verantwortung übernehmen müssen, anstatt ständig nach dem Staat zu schreien. Bürger:innen werden mehr und länger arbeiten müssen. Sie wissen was jetzt kommt? Ganz richtig, Kennedys Satz "Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, frage, was du für dein Land tun kannst", dessen Gültigkeit vorherrschen muss. Die Bürger:innen müssen die Technik als Fortschritt begreifen und sich auch nicht gegen – überspitzt gesprochen – jedes einzelne Strom-Überlandkabel wehren können. Wir werden uns in mehr Bescheidenheit üben müssen.

Die Unternehmen müssen wieder damit beginnen, sich "Wettbewerbsfähigkeit" und "Innovation" selbst zu erarbeiten, anstatt nach Subventionen des Staates zu verlangen. Unternehmer:innen müssen viel mehr Mut zum Risiko zeigen, dabei aber ihre Mitarbeiter:innen mitnehmen und ihnen Verantwortung übertragen. Auch den Unternehmen würde mehr Bescheidenheit gut anstehen. Und zu guter Letzt müssen wir verhindern, dass "Made in Germany" weiterhin als Siegel für gute Qualität steht und nicht zu seiner ursprünglichen, 1887 durch die Briten eingeführte Bedeutung, zurückfällt, nämlich, um "schlechtere" Ware zu kennzeichnen.

All dies ist, wie ich eingangs betont habe, nicht abschließend, doch will ich damit vor allem zeigen, mit welchen Nebensächlichkeiten wir uns tatsächlich beschäftigen. Nämlich: wer oder was normal ist oder ob das Bargeld in der Verfassung verankert werden muss. Die eigentlichen und brennenden Themen konnte ich diesen Sommer nicht oder nur versteckt wahrnehmen. Zumindest von keinem:r Politiker:in aktiv angesprochen oder von den Medien behandelt. Und falls doch, dann erst auf den hinteren Seiten oder in Spätabend-Sendungen.

Lassen Sie uns in jenen Bereichen, die wir selbst beeinflussen können, unmittelbar aktiv werden! Und in Hinblick auf die anderen Themen lassen Sie uns dafür Sorge tragen, dass diese von den Entscheidungsträger:innen behandelt werden und diese uns zufriedenstellende Antworten liefern.

Denn wenn sich eines aus der 239-jährigen Firmengeschichte von JTI Austria ziemlich klar ergibt, dann, dass uns "Sommerloch"-Themen nicht weiterbringen. Wir müssen Herausforderungen klar und deutlich ansprechen und auch dazu klare Antworten einfordern.

www.jti.com


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