Heimische Industrie steht laut der IV vor einer Rezession

| Redaktion 
| 25.07.2023

Aktuelles Konjunkturbarometer der Industriellenvereinigung verheißt nichts Gutes - alle Indikatoren deuten nach unten.

Am Dienstag hat die Industriellenvereinigung (IV) im Rahmen einer Pressekonferenz über die aktuellen konjunkturellen Entwicklungen informiert. Und diese seien alles andere als vielversprechend. IV-Generalsekretär Christoph Neumayer beschreibt das derzeitige Konjunkturbild wie folgt: "Gesamtwirtschaftlich gesehen deuteten die Anzeichen bis dato auf eine prolongierte Phase der wirtschaftlichen Stagnation hin. Die Erwartung eines noch in diesem Jahr einsetzenden Aufschwungs lässt sich vor dem Hintergrund der jüngsten IV-Konjunkturerhebung jedoch nicht aufrechterhalten. Vielmehr muss sich die österreichische Industrie mit Blick auf das Winterhalbjahr auf eine Rezession einstellen."

Angesichts der fordernden wirtschaftlichen Lage sollte man erneut über gezielte Maßnahmen zur Hebelung privatwirtschaftlicher Investitionen nachdenken: "Das Erfolgsrezept der Investitionsprämie hat in Zeiten der Covid-Pandemie zielgerichtet Investitionen gefördert – jeder investierte Euro hat dabei rund zehn Euro an Investitionen mobilisiert", meint Neumayer.

IV-Konjunkturbarometer sinkt

Die Einschätzung des aktuellen Geschäftsganges durch die Unternehmen fällt laut der IV nunmehr bereits seit acht Quartalen ununterbrochen schwächer aus. Zugleich verschlechtere sich die Einschätzung für die Geschäftslage in sechs Monaten nach einer kurzen Zwischenerholung und komme nunmehr noch weiter in negativem Terrain zu liegen. Per saldo sinkt das IV-Konjunkturbarometer um elf Punkte. Zwar könne eine weitere konjunkturelle Großkrise weiterhin als abgewendet betrachtet werden, sofern kein zusätzlicher exogener Negativschock die europäische Wirtschaft trifft, aber ungeachtet dessen würde die konjunkturellen Aussichten für die österreichische Industrie derzeit deutlich nach unten weisen, hieß es im Rahmen der Pressekonferenz.

Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung, sagte: "Die letzten Wochen verzeichnen eine rasch voranschreitende Eintrübung der Konjunkturaussichten in der Industrie. Dies betrifft die gesamte Palette der Indikatoren, angefangen bei den Stimmungsindikatoren über klassische Vorlaufindikatoren wie die Auftragseingänge und -bestände bis zu bereits realisierten Werten von gleich- und nachlaufenden statistischen Größen. Trotz des weiterhin guten Geschäftsganges in einzelnen Industriezweigen gewinnt die sich abschwächende Dynamik auch in branchenseitiger Betrachtung an Breite. Konjunkturell wird sich die Lage daher zunächst weiter verschlechtern, ehe es bestenfalls im kommenden Frühjahr wieder aufwärts gehen wird."

Die Ergebnisse der aktuellen IV-Konjunkturumfrage

Das IV-Konjunkturbarometer, welches als (gewichteter) Mittelwert aus den Beurteilungen der gegenwärtigen Geschäftslage und der Geschäftslage in sechs Monaten bestimmt wird (siehe Infobox), sinkt auf exakt null Punkte, nachdem zuvor ein Wert von 10,7 Punkten verzeichnet worden war.

Dieser ausgeprägte Rückgang des IV-Konjunkturbarometers ist laut den Experten im nahezu identischen Ausmaß auf beide Teilkomponenten zurückzuführen. Die Geschäftsaussichten mit einem Horizont von sechs Monaten trüben sich von dem ohnedies schon niedrigen Niveau von minus elf Punkten ausgehend um weitere zehn Punkte auf einen Saldo von nunmehr -21 Punkten ein. Sie erreichen damit das Niveau einer Rezession mittleren Ausmaßes. Lediglich sechs Prozent der Befragten erwarten auf Sicht des nächsten Halbjahres noch einen günstigen Geschäftsverlauf, während über ein Viertel mit einer ungünstigen Entwicklung rechnet.

  • Geschäftsaussichten
    Die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage habe sich erwartungsgemäß weiter von +32 Punkten auf +21 Punkte verschlechtert. Mit zeitlicher Verzögerung sei sie damit der Teilkomponente der Geschäftsaussichten gefolgt, wenngleich in einem geringeren Ausmaß.
  • Gesamtauftragsbestände
    Mit einem Saldo von +19 nach zuvor +28 Punkten liegen die Gesamtauftragsbestände in der Industrie inzwischen weit unterhalb eines aufschwungsaffinen Niveaus und sind im Durchschnitt nicht mehr auskömmlich, um die Kapazitätsauslastung in allen Wirtschaftszweigen in den kommenden Monaten vollumfänglich aufrechtzuerhalten. Zugleich beschleunigt sich ihr Abbau im Tandem mit der Verringerung bei der Komponente der Auslandsaufträge (Saldo +20 nach +28) wieder, sodass die Auftragsreichweite rasch abnimmt. Von letzterer Seite sei aufgrund der Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar um rund neun Prozent binnen eines Jahres und der infolgedessen abnehmenden preislichen Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Exporteure auf Drittmärkten außerhalb der EU zudem weiterhin wenig Unterstützung zu erwarten, so die IV-Experten.

  • Produktionserwartungen
    Weiters geht aus dem Barometer hervor, dass die Unternehmen angesichts des erheblich eingetrübten Konjunkturbildes ihre ohnedies schon vorsichtigen Produktionsplanungen substanziell nach unten revidieren. In saisonbereinigter Analyse der kurzfristigen Produktionserwartungen fällt der Saldo bei -17 Punkten nach zuvor minus acht Punkten noch weiter in negatives Terrain, sodass bereits ab dem Spätsommer mit einer ausgeprägten konjunkturellen Schwächephase in der österreichischen Industrie zu rechnen sei.

  • Beschäftigungsaussichten
    In Übereinstimmung mit den gekappten Produktionsplanungen kommt es bei den Beschäftigungsaussichten zu einer Saldendrehung. Der Wert kehrt sich von plus neun Punkten auf nunmehr minus zehn Punkte um. Hinter dieser Saldenbetrachtung verberge sich ein stärker in Bewegung geratender Arbeitsmarkt. 

  • Preisentwicklung
    Angesichts einer Saldendrehung von +22 Punkten auf nunmehr minus zehn Punkte habe der gegenwärtige Preisauftriebszyklus auf der Ebene der Erzeugerpreise nicht nur ein jähes Ende gefunden, sondern er gehe nahtlos in ein deflatorisches Szenario über. Laut der IV wird die Warenherstellung damit noch im Verlauf des heurigen Jahres einen disinflatorischen Beitrag zum österreichischen Warenkorb leisten. Von der Industriegüterkomponente geht in den kommenden Quartalen somit ein wesentlicher kaufkraftstärkender Beitrag in Bezug auf die verfügbaren Haushaltseinkommen aus.

  • Ertragslage
    Die Vielzahl der konjunkturellen Störfaktoren wirkt der Umfrage zufolge auf die aktuelle Ertragslage der Unternehmen zurück. Nachdem der betreffende Saldo zuvor drei Mal in Folge bei einem Saldo von unverändert plus neun Punkten verharrte, verliert er nunmehr bei einer schwächer werdenden Mengenkonjunktur zwei Punkte auf plus sieben Punkte. Mit -23 Punkten nach zuvor null Punkten gerate der Saldo der Ertragserwartungen infolge der kumulativ belastend wirkenden Preis- und Mengenerosion auf Sicht des nächsten Halbjahres hingegen bereits weitaus stärker unter Druck. Der Anteil der Befragten mit der Erwartung einer anhaltenden Ertragserosion erreicht rund ein Drittel, während nur jedes elfte Unternehmen mit einer Verbesserung der Ertragslage rechnet.

www.iv.at

Befragungsmethode

An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 431 Unternehmen mit rund 317.000 Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt folgende Methode zur Anwendung: Den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten) Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible "Saldo" aus den Prozentanteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.

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Befragungsmethode

An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 431 Unternehmen mit rund 317.000 Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt folgende Methode zur Anwendung: Den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten) Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible "Saldo" aus den Prozentanteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.

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