Corona und unsere neuen alten sozialen Netzwerke – Was gibt es Positives zu berichten?

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria. 

Nach inzwischen fast zwei Jahren Covid-Pandemie müssen wir uns langsam die Frage stellen, welche positiven Effekte wir in all dem Wahnsinn entdecken können; um nicht völlig depressiv und wahnsinnig zu werden. Und um das zu tun, was wir Menschen schon sehr oft in unserer Geschichte geschafft haben. Trotz einer Naturkatastrophe wieder aufzustehen, aufzubauen, neue Kapitel aufzuschlagen.

Nicht das "Servus-Grüß Dich-Bussi-Bussi"-Ritual

Was ist es also, was wir mitnehmen könnten, was sich – so grotesk das klingt – zum Positiven verändert hat? Ganz sicher haben unsere menschlichen Bindungen ein deutliches Update bekommen. Aus Masse wurde Klasse – aus dem Bad in der Menschenmenge bei großen Netzwerkveranstaltungen und beiläufigem Smalltalk wurden Treffen im kleinsten, vertrauten Kreis. Lange Gespräche, wie wir sie wahrscheinlich schon sehr lange nicht mehr hatten. So haben sich Freundschaften vertieft und es hat sich gezeigt, worauf es wirklich am Ende ankommt. Nicht das "Servus-Grüß Dich-Bussi-Bussi"-Ritual, für das gerade Wien so berühmt ist. Sondern die leisen Begegnungen, das echte Kennenlernen des Gegenübers, das Wachsen einer echten Vertrauensbasis.

Die sozialen Medien haben über viele Jahre in uns das Gefühl erzeugt, die halbe Welt zu kennen, mit hunderten, gar tausenden Menschen "befreundet" zu sein. Covid und das damit verbundene "social detox" haben diese Maßstäbe wieder zurechtgerückt. Den Blick geschärft für die starken menschlichen Bindungen, die uns in diesen belastenden Zeiten oft ein rettender Lichtblick sind. Wobei ich durchaus zugeben muss, dass ich das „Servus Grüß Dich-Bussi Bussi"-Ritual auch sehr schätze, da es zur Wiener Kultur gehört; man muss es eben nur richtig einzuordnen wissen.

Was sich ebenfalls gezeigt hat, ist der Wert von Familie. Von so vielen als riesige Anhäufung von Verpflichtungen und schrägen Ritualen verstanden, hat die Familie in der Pandemie-Krise gezeigt, wie wichtig dieses engste Netz um uns herum ist. Wochen- und monatelang waren wir mit wenigen Menschen unseres Lebensumfeldes an einem Ort – unserem Zuhause – gebunden. Dies legte sicherlich auch viele, vorher nie bemerkte Reibungspunkte offen. Daraus entstanden sind aber sehr oft ein viel tieferes Verständnis für die Sorgen und Ängste des anderen. Mehr Akzeptanz für die junge Generation. Und im Idealfall mehr Qualitätszeit miteinander, wo wir sonst eher nebeneinander als miteinander leben.

"Wie wenig persönlicher Kontakt nötig ist, um trotzdem produktiv zu bleiben"

Wenn man so will, haben uns Zoom, Skype und Co gezeigt, wie wenig persönlicher Kontakt nötig ist, um trotzdem produktiv zu bleiben aber gleichzeitig, wie viel zwischenmenschliche, nonverbale Kommunikation dabei verloren geht. Die Technik hat uns gezeigt, dass sie vieles einfacher machen kann, aber trotzdem nie und nimmer einen Handschlag, einen direkten Blick, ein Lächeln ersetzen wird. Ich finde das eine extrem wichtige Erkenntnis, die wir ohne den Corona-Ausnahmezustand vielleicht nie gewonnen hätten. Die Wertschätzung der persönlichen Kommunikation, des sich Berührens und sich gegenseitigen Schätzens. Vielleicht schaffen wir es ja, möglichst viel dieses "Menschelns" mitzunehmen in die Zeit nach Corona und ganz bewusst einen Schritt aus der Scheinwelt der sozialen Medien hinein ins "real life" zu machen. Menschen mit voller Aufmerksamkeit zu begegnen und wirklich Argumente auszutauschen, anstatt nur darauf zu warten, endlich selbst zu Wort zu kommen. Ein bisschen vom Gas zu gehen und vielleicht manchen hektischen Termin nicht auch noch in den Kalender zu stopfen, maßvoll und achtsam miteinander umzugehen.

Dann hätte diese Pandemie ja vielleicht doch auch etwas dazu beigetragen, was uns als Gesellschaft wirklich wieder näher zueinander bringt und manchen Konflikt vermeidet.
Ich für meinen Fall werde mir dies im Privaten wie auch im Geschäftlichen jeden Tag vor Augen führen und damit vielleicht auch einen wichtigen Beitrag zu unserer 238-jährigen Unternehmensgeschichte beitragen können.

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