"Ich muss offen gestanden sagen, dass ich ein Spätentschlossener bin"

Generaldirektor der Wiener Städtischen Ralph Müller im Interview über seine neue berufliche Herausforderung, die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Versicherungssektor, das Potential der Nachhaltigkeit und die Tragweite persönlicher Risiken.

LEADERSNET: Seit Jahresbeginn sind Sie Geschäftsführer der Wiener Städtischen. Wie ist diese neue Herausforderung für Sie?

Müller: Es ist eine schöne Aufgabe, macht Riesenspaß, ist aber natürlich auch eine große Verantwortung. Das letzte Jahr war ja besonders spannend mit den Rahmenbedingungen, die wir alle erleben und zum Teil auch erleiden. Aber es ist uns gut gegangen und wie gesagt – eine sehr schöne Aufgabe.

LEADERSNET: Was muss man denn diesbezüglich können, um Generaldirektor der Wiener Städtischen zu werden?

Müller: Das ist ja eine gute Frage. Ich habe eine lange Vergangenheit in der Finanzbranche. Eigentlich geht das schon zurück bis ins Jahr 1995. Und die Hauptaufgaben hier sind natürlich eher strategisch. Das bedeutet man muss die Richtung vorgeben, aufpassen, dass nichts passiert und schauen, dass es allen gut geht – den Kunden vor allem aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das sind die Hauptaufgaben. Eigentlich habe ich das Juristische gelernt. Aber das mache ich nicht mehr seit Beginn meiner beruflichen Tätigkeit. Das ist nur ein Nebenaspekt.

LEADERSNET: Muss man denn als Generaldirektor der Wiener Städtischen ein Wiener sein?

Müller: Könnte man sein, ich bin jedoch kein geborener Wiener. Ich bin in der Steiermark aufgewachsen, aber seit Mitte der 90er-Jahre in Wien und hier so richtig heimisch geworden.

LEADERSNET: Was bedeutet die Wiener Städtische in Zahlen? Wieviel Mitarbeiter hat Ihr Unternehmen?

Müller: Wir haben 4.000 Mitarbeiter, ungefähr die Hälfte davon ist im Verkauf im Außendienst unterwegs. Die andere Hälfte ist im Innendienst, im Service und Ähnlichem tätig. Wir haben 3,2 Milliarden Euro Jahresumsatz Prämie und sind damit Nummer 2 in Österreich. Wir sind aber der größte Lebensversicherer. Das ist für uns sehr wichtig ist, weil das Thema "Altersvorsorge" so entscheidend ist. Somit sind wir gut aufgestellt.

LEADERSNET: Könnte man sagen, Sie haben als Generaldirektor der Wiener Städtischen einen Traumjob?

Müller: Ja, das ist ein Traumjob. Ich habe viele schöne Aufgaben gehabt in meiner beruflichen Laufbahn und das ist sicherlich eine ganz besonders schöne Aufgabe.

LEADERSNET: Es war ein Bundeskanzler, der in der Sandkiste bereits gesagt hat, dass er einmal diesem Beruf nachgehen möchte. War das bei Ihnen auch der Fall?

Müller: Das war definitiv nicht so. Ich muss offen gestanden sagen, dass ich ein Spätentschlossener bin. Ich hab noch während des Studiums lange überlegt, was ich eigentlich machen möchte. Da war auch einmal das Thema Anwalt im Gespräch, dann wollte ich eigentlich in den Handel und danach ist es die Finanzbranche geworden. Dort wollte ich ursprünglich nicht hin. Und nach wenigen Monaten hab ich entdeckt, dass das genau meins ist und mir unheimlich gefällt.

LEADERSNET: Sie haben Ihr Amt mit Jahreswechsel übernommen. Wie groß ist denn, besonders in solchen herausfordernden Zeiten, das Thema Digitalisierung bei Ihnen im Unternehmen?

Müller: Ja, wir waren digital sehr gut vorbereitet. Das alles hat natürlich niemand erwarten können. Aber wir sind natürlich technisch sehr gut ausgerüstet. Wir haben davor schon sehr viel elektronisch mit den Kunden kommuniziert. Das ist danach natürlich nochmal deutlich stärker geworden. Die Herausforderung war eigentlich, dass unser Innendienst gar nicht darauf ausgerichtet war, von zuhause aus zu arbeiten. Also war das Homeoffice für den Innendienst, besonders den Servicebereich, eigentlich in kurzer Zeit zu organisieren. Das haben wir innerhalb weniger Tage geschafft und ohne spürbare Service-Verluste geschafft.

LEADERSNET: Denken Sie, hat Österreich beim Thema Digitalisierung im internationalen Vergleich einen Aufholbedarf beziehungsweise gibt es Versicherungsunternehmen, die auf reine Online-Beratung setzen?

Müller: Der Unterschied zum Ausland ist gar nicht so groß. Wir haben manchmal aufgrund der Produkt-Zusammensetzung das Thema, dass bei uns noch sehr viel nicht digital abgeschlossen wird. Das liegt aber auch daran, dass in Österreich das qualitative Altersvorsorgegeschäft, die Krankenversicherung und ähnliches wirklich das Wichtigste ist. Und diese Dinge sind nicht so einfach online abzuschließen, hier braucht es Berater-Persönlichkeiten und den Austausch mit dem Kunden. Hierbei muss auch vieles hinterfragt werden, um die richtige Lösung zu schnüren. Und deswegen ist das Thema digital nicht bahnbrechend im Markt verankert.

LEADERSNET: Die Wiener Versicherungsmakler haben das Motto "richtig versichert". Ab wann ist man denn richtig versichert?

Müller: Das ist gar keine so ganz einfache Frage. Aber ich persönlich bin der festen Überzeugung, dass es wichtig ist, die ganz großen schwerwiegenden Risiken zu versichern. Es ist möglicherweise nicht so wichtig, kleinere Gegenstände oder auch Vermögensgegenstände, die man sich wieder beschaffen kann, zu versichern. Aber wichtig sind die elementaren Risiken, wie beispielsweise die Arbeitskraft oder Entschädigungsleistungen im Falle von gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Außerdem ist es wichtig, hohe Vermögenswerte, wie ein Eigenheim, zu verischern. Das ist ganz wichtig, dass man diese großen Risiken richtig versichert. Der Rest ist dann eher Ergänzung.

LEADERSNET: Wie wir während der Pandemie gesehen haben, ist kein Stein auf dem anderen geblieben. Damit haben sich auch Werte verschoben. Was werden aus Ihrer Sicht wirtschaftlich die großen Meilensteine sein, auf die wir uns vorbereiten müssen?

Müller: Wir befinden uns jetzt am Ende dieser Pandemie und hoffen, dass wir mit dieser Situation irgendwann sehr gut zurande kommen und es wird danach ein "neues Normal“ geben. Es wird sicherlich ähnlich zu dem sein, was wir von früher kennen, aber möglicherweise nicht ganz so. Wir haben gewisse Abstandsmaßnahmen, die wahrscheinlich länger bleiben werden und darauf muss man sich auch in Zukunft einstellen. Und ganz entscheidend wird sein, dass wir für einen guten Start wieder Aufschwung bekommen. So können wir Wirtschaftswachstum erzeugen und das ist aus meiner Sicht elementar wichtig. Versicherungen können da einen guten Beitrag leisten. Wir finanzieren den Staat, wir finanzieren aber auch Unternehmen. Das ist für den Wiederaufbau wichtig. Und das alles ist natürlich im Großen und Ganzen auch sehr stark aus der Lebensversicherung heraus finanziert. Deswegen ist "Altersvorsorge", gekoppelt mit der Investment-Tätigkeit der Versicherungen, ein wichtiges Thema. Deswegen sollte man es uns auch im Bereich der Lebensversicherung, von der Seite des Regulators aus – auch der EZB (Europäische Zentralbank) – nicht allzu schwer machen. Da haben wir, leider Gottes, wenig Rückenwind momentan. Aber langfristig ist diese Produktsparte eben auch für die Wirtschaft und für das Wachstum extrem wichtig.

LEADERSNET: Welchen Stellenwert haben Nachhaltigkeit und Umweltschutz bei Ihnen im Unternehmen?

Müller: Ein Unternehmen, dass seit fast 200 Jahren besteht, hat natürlich so etwas in der DNA. Das Thema "nachhaltiges Wirtschaften" ist ganz tief in uns drinnen. Und das ist auch ein Thema, das als Trend in den nächsten Jahren gewaltig an Bedeutung gewinnen wird. Wir bieten im Bereich der fondsgebundenen Lebensversicherung auch nachhaltige Produkte an. Die sind sehr gut nachgefragt und ich bin überzeugt davon, dass es ein Riesen-Trend werden wird.

LEADERSNET: Wie spreche ich denn besonders die junge Zielgruppe in punkto Versicherungen an?

Müller: Die jungen Menschen sind meiner Einschätzung nach tendenziell gut ausgebildet. Das heißt, es gibt hier ein vorhandenes Grundverständnis zum Thema "Sicherheit“. Wichtig ist hierbei, dass wir über soziale Medien in Kontakt mit den jungen Menschen kommen. Da aber auch viele unserer Beraterinnen und Berater selbst noch sehr jung sind, entstehen hier ideale Anknüpfungspunkte .

LEADERSNET: Was würden Sie abschließend als Empfehlung an die Gesellschaft aussprechen?

Müller: Ich glaube, es ist gut, sich mit den persönlichen Risiken zu beschäftigen. Das ist für die Gesamtgesellschaft wichtig. Ich glaube, es ist wichtig, dass man auch ein wenig diese Solidarität im Auge hat. Gerade in Tagen wie diesen, wo  noch sehr viele Menschen auf Intensivstationen liegen, ist es wichtig, dass wir alle gemeinsam einen Beitrag leisten, um diese Krise hinter uns zu bringen. Wenn jetzt alle zusammnhalten und ihren Beitrag leisten, können wir das gut überstehen.

www.wienerstaedtische.at

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