"Leider halten sich einige Vorurteile gegenüber Elektroautos hartnäckig"

Thomas Hörmann, Managing Director und Elisabeth Binder, PR & Communications bei Polestar Österreich sprechen im LEADERSNET-Interview anlässlich des zweiten Jahrestags des Österreichstarts der Automarke u.a. über Verkaufszahlen, Bekanntheitsgrad, Händlernetz, allgemeine Hürden der E-Mobilität, kommende Polestar-Modelle, Greenwashing und einen speziellen Granitblock in Göteborg.

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Hörmann, seit der Eröffnung des Showrooms in der Wiener Innenstadt am 5. Oktober 2021 ist Polestar in Österreich offiziell vertreten. Sind Sie mit der Entwicklung des Bekanntheitsgrades der Marke in den ersten beiden Jahren zufrieden?

Thomas Hörmann: Absolut. In den letzten zwei Jahren hat sich viel getan und wir durften einige Meilensteine feiern, von den ersten Fahrzeugauslieferungen über die Eröffnung unseres Polestar Space in der Wiener Innenstadt bis hin zu weiteren Locations. Mittlerweile ist Polestar in Österreich angekommen und zunehmend bekannt – und das, obwohl wir aktuell erst ein Modell auf den Straßen haben.

LEADERSNET: Wie viele Polestar-Modelle sind derzeit auf Österreichs Straßen (mit grünem Nummernschild) unterwegs? Und wie teilt sich der Verkaufsanteil zwischen Firmen- und Privatkund:innen auf?

Hörmann: Aktuell sind rund 1.300 Polestar 2 in Österreich zugelassen. Das Schöne ist, dass wir mittlerweile täglich Fahrzeugen im Straßenverkehr begegnen – während es vor zwei Jahren noch vor allem Autos aus unserer eigenen Flotte waren, sind es mittlerweile Kundinnen und Kunden. Der Anteil an Flottenkunden liegt dabei bei rund 70 Prozent. Österreich ist ein B2B-Markt und die Elektromobilität ist natürlich sowohl aus finanziellen und ökologischen Aspekten besonders für Unternehmen und deren Angestellte interessant.

LEADERSNET: Ein großer Schwerpunkt beim Start der Marke in Österreich lag im Aufbau eines flächendeckendes Händlernetzes. Wo steht man diesbezüglich am zweiten Geburtstag und profitiert man hier von der Schwestermarke Volvo?

Hörmann: Wir nutzen Synergieeffekte mit Volvo und profitieren hier sowohl von ihrem großen Netzwerk als auch von ihrer Erfahrung und Fahrzeug- und Sicherheitstechnologie. Aktuell gibt es bei 28 Volvo Partnern sogenannte Polestar Service Points, bei denen Wartungen und Reparaturen durchgeführt werden können. Das ist ein entscheidender Vorteil für unsere Kundinnen und Kunden, da so stets ein Ansprechpartner in der Nähe ist. Klassische Händler:innen gibt es bei uns aber nicht, unsere Fahrzeuge sind ausschließlich online direkt von uns zu erwerben.

LEADERSNET: Polestar verfolgt im Gegensatz zu vielen etablierten Herstellern einen stark digital fokussierten Ansatz – Probefahrten-Buchung, Konfiguration, Leasing, Kauf, etc. werden zum Großteil online abgewickelt. Wie wird dieses Konzept von den Österreicher:innen angenommen?

Hörmann: Tatsächlich nehmen immer mehr Hersteller den digitalen Direktvertrieb in Angriff, aber wir waren unter den ersten, die diesen auch in Österreich umgesetzt haben. Entscheidend ist, dass der gesamte Prozess benutzerfreundlich gestaltet ist und wir alles aus einer Hand anbieten können. Zudem braucht es nach wie vor auch persönliche Touchpoints, immerhin ist ein Fahrzeug ein größeres Investment. Deshalb bieten wir persönliche Beratung im Polestar Space in Wien sowie an weiteren Standorten in Wiener Neudorf, Linz und Graz, aber auch per Telefon oder Livechat. Wir merken, dass die Pandemie hier durchaus ein Umdenken bewirkt hat und dass dieses Konzept des Fahrzeugskaufs nicht mehr so fremd ist, wie noch vor zwei Jahren.

LEADERSNET: Bisher hat das Unternehmen nur den Polestar 2, der heuer eine große technische Aufwertung erhalten hat, im Programm. Der Polestar 3, der unlängst seine Österreich-Premiere feierte, ist bereits bestellbar. Wie groß ist das Interesse an dem neuen, großen SUV?

Hörmann: Definitiv sehr groß. Wir vergrößern damit unser Portfolio um ein ebenso leistungsstarkes wie auch gefragtes Modell – immerhin ist der SUV-Markt aktuell sehr beliebt. Der Polestar 3 unterscheidet sich aber von anderen Fahrzeugen dieser Kategorie, denn er ist unsere Vorstellung eines SUV für das Elektrozeitalter. Das heißt, dass er nicht nur mit seinem skandinavischen Design und hervorragender Performance punktet, sondern auch mit ausgezeichneter Aerodynamik und weiteren Schritten in Richtung Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Das betrifft zum Beispiel die Verarbeitung von recyceltem Aluminium, PET-Flaschen und Flachsfasern. Wir erweitern außerdem die Liste der rückverfolgten Materialien um Nickel, Lithium und Wolle.

LEADERSNET: Welche neuen Modelle sind für die kommenden Jahre konkret geplant? Einige Ankündigungen hat es diesbezüglich bereits gegeben. Sogar eine Roadster-Studie wurde gezeigt.

Hörmann: Unser Portfolio ist bis zum Polestar 6 schon fertig. Der Polestar 4 wird ein SUV Coupé, das 2024 auch in Europa vorgestellt wird, Polestar 5 wird ein fünftüriger GT und Polestar 6 der erwähnte Roadster. 5 und 6 beruhen tatsächlich beide auf Konzeptfahrzeugen, die wir in die Serienproduktion überführen. Geplant ist, jedes Jahr ein neues Modell zu launchen.

LEADERSNET: Sehr geehrte Frau Binder, der Marktanteil von Elektroautos steigt in Österreich zwar kontinuierlich, dennoch ist ihnen der absolute Durchbruch noch nicht gelungen. Wo gibt es hier Ihrer Meinung nach die größten Baustellen?

Elisabeth Binder: Ich glaube, dass eine große Hürde nach wie vor die Skepsis gegenüber Elektroautos ist. Es kursieren diverse Mythen, Vorurteile und Unwahrheiten, die Kund:innen zurecht verunsichern. Meistens geht es dabei um die Angst vor zu wenig Reichweite oder die Sorge um Batterien und deren Herstellung oder Entsorgung. Auf all diese Dinge gibt es fundierte Antworten, doch leider halten sich einige Vorurteile hartnäckig. Viele wissen zum Beispiel gar nicht, dass Batterien nicht zwangsläufig entsorgt werden müssen, wenn sie in einem Elektroauto nicht mehr nutzbar sind. Wir arbeiten zum Beispiel daran, Batterien zu reparieren, aufzubereiten und zu recyceln bzw. ihnen ein sogenanntes Second Life zu geben. Außerdem können wir dank der Blockchain-Technologie Risikomaterialien wie Kobalt bis zur Mine zurückverfolgen und damit auch die Herkunft sowie Art und Weise des Abbaus und der Weiterverarbeitung kontrollieren.

LEADERSNET: Polestar hat sich besonders ambitionierte Klimaziele gesteckt. 2030 soll sogar ein vollständig klimaneutrales Auto auf den Markt kommen. Ist dieser Zeitrahmen nach wie vor aufrecht und kann so etwas überhaupt ohne "Greenwashing" gelingen?

Binder: Unser Ziel ist sogar wortwörtlich in Stein gemeißelt. Wir haben es gemeinsam mit weiteren Zielen in einem Granitblock festgehalten, der in unserem Hauptquartier in Göteborg steht. Aktuell befinden wir uns gemeinsam mit unseren Partnern in der Forschungsphase. Ein Polestar 2 besteht aus rund 50.000 Komponenten, für die wir allesamt klimaneutrale Lösungen oder Alternativen finden müssen. Ab 2025 widmen wir uns der Anwendung unserer Erkenntnisse im Rahmen von Advanced Engineering, ehe ab 2027 die eigentliche Produktentwicklung geplant ist.

Wir machen diese Schritte sehr transparent, bzw. sind wir generell in unserer Kommunikation absolut offen. Zum Beispiel veröffentlichen wir auch die Lebenszyklusanalysen unserer Modelle samt Methodik und CO2-Fußabdruck – das ist leider nach wie vor etwas, was uns von anderen Herstellern unterscheidet. Leider, weil es so an einheitlichen Standards und vor allem an Vergleichbarkeit mangelt. Wir wollen auch nicht den Eindruck erwecken, dass Elektroautos keine Treibhausgasemissionen verursachen – das ist schlichtweg nicht der Fall. E-Mobilität steht erst am Anfang, unser Polestar 2 kommt derzeit mit einem Fußabdruck von rund 23 Tonnen CO2 aus dem Werk und dieser bleibt weitgehend unverändert, wenn man das Auto mit Strom aus erneuerbaren Quellen lädt.

Greenwashing ist definitiv ein kritisches Thema, gleiches gilt auch für Kompensationsmaßnahmen wie das Pflanzen von Bäumen. Umso wichtiger ist auch der neue Gesetzesentwurf der EU, mit dem Greenwashing verboten werden soll. Es braucht klare Ziele, ehrliche Kommunikation und Transparenz über die Klimaauswirkungen von Produkten und Industrien, damit wir daran arbeiten können, diese zu reduzieren.

www.polestar.at

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