"Vor allem in digitalen Zeiten hat ein starkes Netzwerk noch viel mehr an Bedeutung gewonnen"

Margarete Kriz-Zwittkovits, Vorsitzende von "Frau in der Wirtschaft Wien", erklärt im Interview, was getan werden muss, um die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Frauen zu verbessern und welche Rolle Netzwerke in der heutigen Zeit spielen.

Finanzielle Freiheit und Unabhängigkeit sind starke Motive, weshalb sich Frauen selbstständig machen. LEADERSNET hat die Vorsitzende von "Frau in der Wirtschaft", Margarete Kriz-Zwittkovits, anlässlich des Jahresthemas "Mut zum Geld" zum Interview gebeten.

LEADERSNET: Das Wirtschaftskammer Wien-Netzwerk "Frau in der Wirtschaft" macht sich für verbesserte Bedingungen für Frauen stark. Welche Themen sind besonders wichtig?

Kriz-Zwittkovits: Neben dem bundesweiten Anliegen von Frau in der Wirtschaft, die Kinderbetreuung auszubauen, ist es dem Wiener Netzwerk wichtig, Themen wie moderne Arbeitswelten, Digitalisierung, Bildung, Tätigkeiten im MINT-Bereich sowie das Mindset der Frau zu beleuchten. Zum Thema Mindset wird die Selbstverständlichkeit von Frauen im Unternehmertum – egal in welchem Bereich groß geschrieben. Das Sichtbarmachen durch Role Models ist hier ein ausschlaggebender Faktor, dadurch wird die Personengruppe nach außen vertreten.

LEADERSNET: Finanzielle Unabhängigkeit ist ein starkes Motiv für Frauen, sich selbstständig zu machen. Aktuell gibt es 51.000 Unternehmerinnen in Wien. Wie hat Corona dies beeinflusst?

Kriz-Zwittkovits: Laut einer statistischen Erhebung der WKO gründeten im Vergleich zum Vorjahr im Jahr 2020 rund 600 Frauen weniger ein Unternehmen (Verringerung von 6.900 auf 6.300 Neugründungen). In gewissen Branchen hängt das stark mit Corona zusammen. In anderen wiederum fanden Frauen einen Anlass, erst recht in der Krise mit ihrem eigenen Unternehmen zu starten. Zudem gehen wir davon aus, dass sich viele Personen momentan auf das Unternehmertum vorbereiten und in den Startlöchern stehen, da es im letzten Jahr über 2.000 Kontakte mehr im Gründerservice der Wirtschaftskammer Wien gegeben hat als im Jahr zuvor. Die finanzielle Unabhängigkeit und vor allem die Flexibilität werden den Wienerinnen zunehmend wichtiger.

LEADERSNET: Was raten Sie Frauen, wenn sie sich selbstständig machen wollen?

Kriz-Zwittkovits: Wenn man sich dazu entschließt und langfristig erfolgreich sein will, dann kann man das nicht nur nebenbei machen. Dann muss man dranbleiben, Chancen ergreifen, ohne zu viel zu grübeln. Es braucht Engagement, Flexibilität und Zielstrebigkeit. Dafür sind noch bessere politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen notwendig, etwa bei der Aufteilung der Kinderbetreuung. Ein gutes Netzwerk ist unglaublich hilfreich. Wir wollen Frauen stärken, ihnen Mut machen, indem wir Erfolgsstorys zeigen.

LEADERSNET: Wie stark sind Unternehmerinnen in Wien derzeit in den einzelnen Sparten vertreten? Wo besteht Aufholbedarf?

Kriz-Zwittkovits: Am stärksten vertreten sind Unternehmerinnen in der Sparte Gewerbe und Handwerk, wo es derzeit mehr weibliche als männlich geführte Unternehmen gibt. Im Bereich Tourismus und Freizeitwirtschaft ist die Verteilung sehr ausgeglichen. Aufholbedarf gibt es ist in den Branchen Transport und Verkehr sowie Information und Consulting, da liegt der Frauenanteil jeweils unter 30 Prozent.

LEADERSNET: "Mut zum Geld" lautet heuer der Themenschwerpunkt. Wie wollen Sie Unternehmerinnen dazu motivieren, sich näher mit ihren Finanzen auseinander zu setzen?

Kriz-Zwittkovits: Dieses Jahr steht das Finanzthema unter dem Jahresmotto "Mut zum Geld" im Fokus. Ziel des Jahresthemas ist es, verstärkt die Wichtigkeit der eigenen Finanzsituation zu kommunizieren und mehr Awareness zu schaffen. Finanzielle Unabhängigkeit ist ein starkes Motiv für Frauen, sich selbstständig zu machen. Dabei wollen wir helfen und Wissen in unseren Webseminaren vermitteln - auch um besser aus der Krise zu kommen. Von der Analyse der Ist-Situation über die Ziele, die man sich steckt, bis zur Pensionsvorsorge, mit der man früh genug anfangen muss, ist alles dabei.

LEADERSNET: Das Netzwerk Frau in der Wirtschaft Wien lädt immer wieder zu Vorträgen oder Seminaren ein. Kann auch in den Online-Talks das Wissen gut vermittelt werden?

Kriz-Zwittkovits: Uns ist es wichtig gerade in einer Pandemie das Wissen weiterzuvermitteln, um die Unternehmerinnen bestmöglich zu unterstützen. Dazu laden wir Expertinnen und Experten ein, die ihr Wissen an unsere Mitglieder weitergeben. Bei Onlineformaten ist es wichtig, die Informationen kompakt zu vermitteln. Gelingt das, kann auf diesem Weg Expertise mindestens genauso gut weitergegeben werden. Bei Online-Events ist es hilfreich, die wichtigsten Inhalte am Ende zusammenzufassen und im Nachhinein schriftlich festzuhalten. Der Vorteil der Online-Veranstaltungen ist die damit verbundene Flexibilität. Aus unseren Erfahrungen wissen wir, dass unsere Online-Veranstaltungen auch im Nachhinein noch sehr oft nachgesehen werden. Wir stellen sie deshalb auf unserer Webseite zur Verfügung.

LEADERSNET: Neben unternehmensbezogenen Fragestellungen stehen auch Themen wie Pensionsvorsorge im Fokus. Besteht hier noch immer Nachholbedarf?

Kriz-Zwittkovits: Auf alle Fälle! Wir wissen aus diversen Studien und Umfragen, dass sich immer mehr Frauen mit ihrer Pensionsvorsorge auseinandersetzen möchten, ihnen aber die Expertise dazu fehlt. Das öffentliche Angebot der Pensionsvorsorge ist in vielen Fällen nicht ausreichend und es ist notwendig, sich selbst über Alternativen zu informieren. Dieses Bewusstsein wollen wir schaffen und allen Unternehmerinnen vermitteln, dass sie ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen sollen – es gibt mittlerweile zahlreiche seriöse Anlaufstellen. Man muss sich nur trauen zu fragen, braucht sozusagen „Mut zum Geld". Wir haben der Pensionsvorsorge auch einen Online-Talk gewidmet, bei dem wir konkrete Vorgehensweisen mit unserer Expertin besprochen haben.

LEADERSNET: Was kann getan werden, um die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Frauen zu verbessern?

Kriz-Zwittkovits: Eine Verbesserung ist nur dann möglich, wenn es Lösungsvorschläge gibt. Es reicht nicht, Probleme aufzuzeigen und darauf zu warten, dass sich etwas von alleine ändert. Durch Role Models kann gezeigt werden, wie es geht. Wenn immer mehr Frauen den Weg vorgehen, können die Rahmenbedingungen leichter verbessert werden. Zudem gibt es starke Persönlichkeiten in der Politik, die sich laufend für Verbesserungen einsetzen. Eine wichtige und langjährige Forderung von Frau in der Wirtschaft ist es, die Kinderbetreuung flächendeckend auszubauen. Wir sind auf einem guten Weg aber es gibt noch einiges zu optimieren.

LEADERSNET: Setzen Sie sich auch für mehr Funktionärinnen in der Interessenpolitik ein?

Kriz-Zwittkovits: Wir denken, Frauen sollen in jedem Bereich vertreten sein und mitsprechen können. Funktionärinnen haben da eine ganz klare Vorbildfunktion und repräsentieren somit die Stimme der Frauen.

LEADERSNET: Welche Rolle kommt (Frauen-) Netzwerken in Zukunft zu?

Kriz-Zwittkovits: Die Vernetzung ist das A und O im Unternehmertum. Ohne ein gutes Netzwerk ist der Weg in ein erfolgreiches Unternehmertum sehr schwierig. Vor allem in digitalen Zeiten hat ein starkes Netzwerk noch viel mehr an Bedeutung gewonnen. Deswegen bin ich davon überzeugt, dass den Netzwerken auch weiterhin eine sehr wichtige Rolle zukommt.

LEADERSNET: Braucht es in der heutigen Zeit eigentlich noch Tage wie den internationalen Frauentag?

Kriz-Zwittkovits: Dieser Tag hatte von Anfang an eine wichtige Funktion. Nach dem ersten Weltkrieg setzte er ein Zeichen für das Wahlrecht der Frauen, bis heute steht er für Gleichberechtigung, Wahrnehmung und Mitbestimmung von Frauen - politisch genauso wie in der Arbeitswelt. Als Unternehmerin hat man größte Chancen, Gleichstellung zu erreichen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Für mich macht dieser Tag sichtbar, wie die Situation von Frauen - weltweit - aussieht. Es gibt aber noch viel zu tun, daher ist der internationale Frauentag nach wie vor notwendig. (jw)

www.wko.at/site/fiw-wien

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