Warum Unternehmen #NewPay brauchen

| 21.12.2022

Gastkommentar von Marita Haas, Senior Managerin Ward Howell International.

Arbeit wird mittlerweile neu gedacht: Hierarchien werden abgeflacht, wann und wo wir arbeiten, ändert sich grundlegend. Teamwork und die Frage, wie alle gemeinsam zum Ziel kommen, verdrängen Einzelkämpfer:innen. Bezahlt wird dann aber doch wieder individuell, in der vermeintlichen Idee, dass individuelle Beiträge korrekt gemessen, bewertet und belohnt werden können.

Was stimmt nicht am individuellen Gehalt?

Der individuelle Anteil am Gesamtergebnis – gibt es den? Unternehmen verwenden zum Teil komplexe Berechnungs- und Bewertungsmodelle, um individuelle Gehälter und Boni zu bestimmen – der hohe administrative Aufwand steht nicht immer in Relation zum tatsächlich geleisteten Beitrag, manchmal auch nicht in Relation zum Unternehmensergebnis. Darüber hinaus steigen bei individuellen Gehaltsverhandlungen nach wie vor jene Personen besser aus, die öfter fragen; Frauen fordern tendenziell weniger oft ein höheres Gehalt; jüngere Mitarbeiter:innen halten sich zurück, weil sie noch nicht so lange dabei sind.

Wo bleibt die Fairness?

Fairness wird nicht nur individuell anders konzipiert, sondern vor allem auch in der Relation zu Kolleg:innen: Bekomme ich im Vergleich zu meinen Kolleg:innen weniger oder mehr für meine Arbeitsleistung, und warum? Die meisten Menschen finden beispielsweise, dass Erfahrung belohnt werden sollte, insbesondere wenn es darum geht als Newcomer:in etwas zu lernen. Seniorität per se zu belohnen, wird hingegen vor allem von jüngeren Mitarberiter:innen als unfair betrachtet. Nicht immer lassen sich die Gerechtigkeitserwartungen erfüllen bzw. auf einen Nenner bringen - rund 20 Prozent der Mitarbeiter:innen verlassen ein Unternehmen, wenn auf transparente Gehälter umgestellt wird. Transparenz kann also nicht der Beginn von #NewPay sein, sondern stellt eher einen Meilenstein aum Weg zu fairen Gehältern dar.

Wie passt das Gehalt zur Arbeit vs. wie passt die Arbeit zum Gehalt.

Gleiches Gehalt, unabhängig von Position und Erfahrung erscheint hingegen den meisten Personen ebenso wenig fair – zu unterschiedlich sind Ausbildungswege, Erfahrungswerte oder auch die ins Unternehmen eingebrachte Zeit. Ähnlich logisch erscheint es uns, Gehälter anteilig zu verringern, wenn weniger Stunden gearbeitet werden. Gleichzeitig zeigen Erfahrungswerte von Firmen, die die 30h-Woche bei vollem Lohnausgleich eingeführt haben, dass genau diese verkürzte Arbeitszeit zu höherer Produktivität führt.

Soll sich jede:r ein Gehalt wünschen, das zum eigenen Lebenskonzept passt? Dieses Modell gibt es vereinzelt in Unternehmen, die auf Vertrauensarbeitszeit und kollektive Aushandlungsprozesse setzen. Das Modell ist mutig, ersetzt aber nicht die Aushandlungsprozesse nach den passenden Prozessen, wie überschießende Gehaltsforderungen reduziert und umgekehrt Selbstausbeutung minimiert werden können. Die Organisation stellt also immer noch ein Regulativ dar, um für Fairness zu sorgen; einfach "aussuchen" funktioniert nicht.

#NewPay bedeutet, Gehaltsstrukturen grundlegend an neue Arbeits- und Arbeitszeitmodelle anzupassen. Dafür braucht es Transparenz und klare Regeln: Wann und wie wird über Gehalt gesprochen. Und es braucht die Bereitschaft, Gehälter in Relation zum Unternehmen zu sehen: Es wird mehr bezahlt, wenn mehr da ist, und weniger, wenn weniger da ist. Damit bleibt die Kollaboration, das gemeinsame Ziel im Vordergrund.

Boiler Plate

Dr. Marita Haas leitet bei Ward Howell International den Bereich People, Culture & Organization Advisory. Zu ihren Tätigkeiten zählen die Begleitung bei Change Prozessen, Strategie- und Organisationsentwicklung sowie Executive Coaching und Board Advisory. Die Unternehmensberaterin beschäftigt sich mit der Frage wie faire, innovative und inklusive Arbeitsplätze aussehen können. Sie verfügt über einen wissenschaftlichen Background und steht für Veränderung von Strukturen und Prozessen – Arbeit muss aus ihrer Sicht nochmals neu "gedacht" und konzipiert werden.

www.ward-howell.com


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