Dunkle Inflations-Wolken am Horizont

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

Es sind die abgedroschenen Phrasen der Kommunikationspolitik der Regierungen, die die jetzige Fahrtrichtung einmal mehr verdeutlichen: Das Licht am Ende des Tunnels ist weiter entfernt denn je. Wir steuern möglicherweise auf ein Desaster zu, das nur von einem gesamtgesellschaftlichen Bollwerk aufgehalten werden kann. Und dieses kann ich gegenwärtig nicht erkennen. Nicht im Entferntesten.

Massive Preissteigerungen rollen auf uns zu

Gleich vorneweg: Die Inflation war absehbar und ich habe schon vor einem Jahr darauf hingewiesen. Der Ukrainekrieg hat diese Dynamik nur verstärkt. Massive Preissteigerungen bei Treibstoff, Energie und Wohnen werden in den nächsten Monaten auf uns zurollen. Auf uns alle. Die aktuellen Zahlen sind erst die Vorboten: Die Lebensmittelpreise sind um fast acht Prozent gestiegen, die Energiekosten bei Gas haben sich für private Haushalte um 30 Prozent, bei Strom um 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr schon jetzt in schwindelerregende Höhen katapultiert – Talfahrt nicht in Sicht.

Billigstromanbieter kündigen die Verträge und schmeißen im wahrsten Sinne des Wortes ihre Kund:innen raus. Haushalte, die so schnell wie möglich Alternativen für ihre Gasheizungen suchen, können aufgrund der Liefer- und Produktionsengpässe frühestens im nächsten Frühjahr umrüsten. Von der Industrie gar nicht zu sprechen, die noch gar nicht die Preiserhöhungen an die Endkunden weitergegeben hat.

Die Preise steigen immer schneller, der russische Überfall auf die Ukraine wirkt weiter inflationstreibend und der wirtschaftliche Schaden für uns alle wird mit jedem Tag, an dem der Krieg fortgesetzt wird, immer größer. Schlaraffenland ade, sofern es je in Sichtweite war.

Genau deswegen wäre jetzt Handeln statt Herumlamentieren das Gebot der Stunde. Die politisch Verantwortlichen versuchen zwar irgendwie, das Ruder herumzureißen, aber die Lösungsansätze sind glaube ich weder zielgerichtet noch zeitgerecht. Sie kommen viel zu spät und bringen uns keinen erheblichen Schritt weiter. Es muss eine rasche Kehrtwende geben, damit die Teuerungswelle, die noch nicht das Plateau erreicht hat, nicht über uns schwappt und auch die Gehaltskluft noch weiter auseinanderklaffen lässt.

Working Poor

Denn trotz Gehaltserhöhungen werden sich viele Menschen das Leben nicht mehr leisten können. Working Poor, einer Entwicklung, die bereits in den letzten Jahren in Österreich einen traurigen Rekord erzielt hat, sowie auch den sinkenden Realeinkommen muss entgegengewirkt werden.

Wir fahren gerade von einem Tunnel in den anderen oder besser gesagt, werden wir gerade von einem Tunnel in den anderen Tunnel manövriert – und haben vielleicht ganz kurz einen Lichtblick gesehen. Es fühlt sich einmal mehr wie „nach Corona“ an, könnte aber auch mittendrin oder vor der nächsten Welle sein – so genau weiß man es nicht. Die zumindest nicht sichtbare Strategie der Regierung und der russische Invasionskrieg in der Ukraine tun ihr Übriges dazu.

Es gibt viele Baustellen, wahrscheinlich zu viele. Relevante erste Schritte, um der Krise entgegenzusteuern wären, dass die Europäische Zentralbank die Anleihekäufe stoppt und langsam, mit vorhersehbaren Schritten mit Zinsanhebungen beginnt. Lohnnebenkosten, die Einkommenssteuer müssen gesenkt werden, für Nicht-Steuerzahler sollte es eine Einmalzahlung geben. Zudem muss die kalte Progression abgeschafft werden. Denn es kann nicht sein, dass der Staat aufgrund der steigenden Energiepreise und den damit einhergehenden Steuereinnahmen sogar noch profitiert. Darüber hinaus muss ganz klar – vor allem in einer Stadt wie Wien – ein Stopp der Gebührenerhöhungen erfolgen. Und man muss auch fragen dürfen, wie klug es genau inmitten dieser Wirren war, mit der Erhöhung des Richtwertzinses weiteres Öl ins Feuer zu gießen?

Was neben den wirtschaftlichen Folgen des falschen Handelns zu sehen ist und mir große Sorge bereitet ist, dass es mit dem mehr oder minder schlechten Krisenmanagement zur weiteren gesellschaftlichen Spaltung kommt und damit weiteren gesellschaftspolitischen Sprengstoff liefert. Die Radikalisierungstendenzen, die seit der Corona-Krise sichtbarer denn je zuvor geworden sind, sowie extreme politische Meinungen werden zunehmen, einhergehend mit einem Rückgang von Solidarität. Wer wird noch an die Ukraineflüchtlinge denken, wenn man sich das Schnitzel nicht mehr leisten kann?

Wir werden alle unseren Preis zahlen – auf wirtschaftlicher, aber auch auf sozialer und gesellschaftspolitischer Ebene, wenn jetzt nicht kluge Entscheidungen getroffen werden. Die Brisanz der Krise sowie die Dringlichkeit des Handels dürfen deshalb keinesfalls unterschätzt werden.

Wir sollten deshalb alle so schnell wie möglich darauf hinwirken, um das Ruder herumzureißen und dabei den Optimismus nicht zu verlieren.

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