Decentralized Finance – Hype oder gekommen, um zu bleiben?

Gastkommentar von Till Oberhummer, Head of Sales and Business Development Central Europe & Ireland Western Union Business Solutions.

Nach einem recht ruhigen 2019 haben Krypto-Währungen 2020 wieder verstärkt Aufmerksamkeit erhalten – bis hin zu einem regelrechten Run in den letzten Wochen. Während man sich immer noch uneinig ist, ob Krypto-Währungen die Zukunft sind oder doch verteufelt werden sollten, haben sich viele weitere Anwendungsmöglichkeiten der Blockchain-Technologie herauskristallisiert. Eine davon ist die sogenannte "Decentralized Finance", kurz DeFi.

Doch was ist DeFi überhaupt?

Die Idee hinter DeFi steckt schon im Namen: Es soll möglich sein, sich dezentral Geld auszuborgen, ohne dafür einen Intermediär – zum Beispiel eine Bank – zu benötigen. Das Investment wird über sogenannte "Smart Contracts" gesteuert, die wiederum in den meisten Fällen auf der Ethereum-Blockchain-Technologie basieren. Der Kreditnehmer hinterlegt ein Asset und darf sich einen gewissen Prozentsatz des Werts dieses Assets ausborgen.

Wie sieht das in der Praxis aus?

Wenn man also einen Bitcoin besitzt, kann man diesen als Sicherheit hinterlegen und diesen belehnen zu folgenden, beispielhaften Rahmenbedingungen: Bis zu 50 Prozent des aktuellen Werts sind belehnbar, der Kredit muss innerhalb eines Monats zurückgeführt werden und die Verzinsung für diesen Zeitraum beträgt 0,5 Prozent.

Man überweist also diesen Bitcoin an einen Smart Contract, der genaue diese Bedingungen abbildet. Daraufhin werden, abhängig von der Plattform, Token erstellt, die den Wert von 50 Prozent eines Bitcoins repräsentieren. Über diese neuen Token kann man dann frei verfügen, diese veranlagen, eintauschen etc. und nach einem Monat führt man diese wieder – inklusive Zinsen – dem Smart Contract zu. Der Smart Contract gibt den hinterlegten Bitcoin wieder frei und zerstört die Token. Das stellt sicher, dass sich immer nur Token im Umlauf befinden, die durch ein anderes Asset wertgesichert sind.

Klingt toll, aber wo ist der Haken?

Aus eigener Erfahrung kann der Autor festhalten, dass es tatsächlich funktioniert. Es bestehen jedoch, wie bei jedem Investment, auch hier Risiken. Das offensichtlichste ist die starke Wertschwankung von Krypto-Assets – was bedeutet, dass der Wert der geleisteten Sicherheit auch schwankt. Wie bereits erwähnt, sollte jeder Token mindestens seinen aktuellen Wert in Form einer Sicherheitsleistung hinterlegt haben.

Verschlechtert sich der Wert der Sicherheitsleistung, würde sich auch der Wert des Tokens verschlechtern. Um das zu verhindern, wird zum einen der Belehnungsgrad entsprechend eingeschränkt und zum anderen prüft der Smart Contract laufend die Werthaltigkeit. In den Parametern des Smart Contracts ist auch vorgegeben, wann vorzeitig aufgelöst und der Verlust aus der Sicherheitsleistung abgedeckt wird.

Ein Smart Contract wiederum ist ein Programm, welches nachträglich unveränderbar ist und den vorgegebenen Parametern folgt. Während man mit einem klassischen Intermediär (der Bank) in unvorhersehbaren Fällen – siehe Covid-19 – also Lösungen suchen und finden kann, lässt ein Smart Contract nicht mit sich handeln, sondern folgt stur den Vorgaben. Das kann zu einer deutlichen Schlechterstellung führen.

Ein weiterer Punkt, der in der Vergangenheit schon aufgetreten ist, sind Fehler in diesen Smart Contracts. Bei der Programmierung wurden Eventualitäten nicht berücksichtigt oder es sind ausnützbare Fehler im Code. Das kann es Dritten erlauben, diese Fehler zu ihrem Vorteil zu nützen und/oder dazu führen, dass es nicht mehr möglich ist, auf die Sicherheitsleistung zuzugreifen.

Weiters gibt es auch noch keinen wirklichen Standard. Es gibt inzwischen eine Vielzahl von DeFi-Plattformen, die auf unterschiedlichen Blockchains basieren (ETH bzw. BTC) und auf unterschiedliche Standards zur Validierung setzen (Proof of Work, Proof of Stake, etc.).

Conclusio

DeFi ist eine großartige Ergänzung und hat das Potential, in einigen Bereichen den Intermediär zu ersetzen. Es nützt alle Vorteile, welche die Blockchain-Technologie bietet, hat aber auch genau dieselben Schwierigkeiten. Wann immer Informationen von extern kommen, ist das Risiko einer Fehlinformation gegeben. Auch findet das initiale Geschäft im Ökosystem der jeweiligen DeFi-Plattform statt und wird deshalb auch zuerst in Token bedient und nicht in Fiatwährung.

Auch erlauben nicht alle Plattformen einen direkten Tausch der Token in Fiat, sondern es muss ein Umweg über z.B. Bitcoin oder Ethereum gegangen werden. Neben generellen Kursverlusten/Kursgewinnen und der Tatsache, dass man Konvertierungskosten und Transaktionskosten hat, kann das auch steuerlich relevant werden, da jeder Tausch des Assets einen Gewinn oder Verlust darstellen kann, der berücksichtigt werden müsste. Je nachdem in welchem Land man also ansässig ist, sind unterschiedliche Aspekte zu beachten.

Decentralized Finance ist also definitiv gekommen, um zu bleiben, und die immer stärker wachsende Community dahinter arbeitet laufend daran, die Möglichkeiten zu vereinfachen und zu verbessern.

business.westernunion.com


 

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