Digital(k) – Die Sache mit der Chefsache

In ihrer monatlichen Kolumne, wirft Valerie Höllinger, Geschäftsführerin des BFI Wien, einen anderen, unerwarteten Blick auf aktuelle Fragen der Digitalisierung. Heute: Warum Vielfalt und Convergence eine große Rolle bei der digitalen Agenda spielen.

Die Medien sind aktuell voll mit Beiträgen zum Thema Digitalisierung und der Frage, wo Österreich diesbezüglich steht. Aktuelle Initiativen – wie die kürzlich angekündigte Startup-Initiative der Bundesregierung – versuchen, einen fruchtbareren Boden für innovative Geschäftsideen und Technologieentwicklungen zu schaffen. Darüber hinaus zeigen allerdings aktuelle Studien einiger namhafter Beratungsunternehmen, dass es um das Tempo der Digitalisierung hierzulande nicht allzu gut bestellt ist. So weist beispielsweise eine der jüngsten Untersuchungen aus, dass etwa 20 Prozent der Unternehmen noch nicht einmal die Notwendigkeit einer „digitalen Agenda“ für sich sehen. In manchen Branchen scheinen Überlegungen über Chancen und Potenziale der Digitalisierung entweder so gut wie gar nicht zu existieren oder sich auf Effizienzsteigerungsmöglichkeiten zu konzentrieren.

Muss es ein zentraler Kreativkopf sein?

Als – vielleicht typisch österreichische – Antwort auf die Frage, was vor diesem Hintergrund zu tun sei, hört man oft: „Die Digitalisierung muss zur Chefsache werden.“ Aber genügt das?

Meine Antwort: Nur, wenn der Begriff „Chefsache“ richtig besetzt ist. In den Köpfen vieler Menschen – nicht nur hierzulande – spukt noch immer ein unzureichendes Unternehmensbild herum: „Die Oben sind das Gehirn der Firma, das mittlere Management das Nervensystem und die Mitarbeiter die ausführenden Organe und Extremitäten.“ Durch gelebte und vermittelte Eitelkeiten und das Hervorheben der eigenen Bedeutung für den Geschäftserfolg tragen manche Manager ein Übriges dazu bei, dieses Bild noch zu forcieren. Dabei pfeifen es die Spatzen seit Jahrzehnten von den Dächern: Leadership – eigentlich auch schon wieder ein „alter Begriff“ – das bedeutet heutzutage vor allem vernetzen, Kooperationsklima- und Kooperationsmöglichkeiten schaffen. Im eigenen Unternehmen. Und darüber hinaus.

Innovation – und auf das Erkennen von Innovationspotenzialen der Digitalisierung, vor allem jener, die für die eigene Branche und die Kunden geschäftsrelevant sind, wird es zentral ankommen – entsteht aus Vielfalt. Aus Austausch, Zusammenführen von verteiltem Wissen, kollektiver Kreativität. Stichworte wie „Convergence“ werden bedeutend, also das Zusammenführen und gemeinsame Entfalten verschiedener Fachdisziplinen – wobei „Technologie“ nur EINE davon ist.

Man könnte an dieser Stelle an Beispielen wie Facebook aufgehängt argumentieren, dass da ja ein zentraler Kreativkopf die Führung eines höchst erfolgreichen Unternehmens auf Basis einer völlig neuen Geschäftsidee leistet. Dabei darf man aber nicht übersehen, dass es sich dabei um ein besonderes Szenario handelt: Der Ideengeber selbst, also der, von dem die Innovation ausging, hat das Unternehmen selbst gegründet. Das ist das komplementäre Szenario zu den meisten bestehenden Unternehmen: Die Führungskräfte, die oft aus anderen guten Gründen in diese Positionen sind, stehen vor der Herausforderung dazu beizutragen, das Kreativ- und Innovationspotenzial des Unternehmens zu erschließen.

Was ist daraus zu folgern? „Digitalisierung zur Chefsache machen“ – das ist ein guter Anlass, das eigene Führungsverständnis und auch auf Mitarbeiterseite die Führungserwartung zu adaptieren. Es ist ein guter Anlass um tatsächlich zum „Enabler“ zu werden, d. h. Raum zu lassen, Dialog, Vernetzung und Austausch zu fördern, damit man die Ideen von überall „abholen" kann, wo sie eben entstehen. Die Tragweite der „Digitalen Revolution“ ist enorm. Sie beschränkt sich nicht auf Technologie, sondern erfordert von uns allen Reflexion – auch bezüglich „konventioneller“ Rollenverständnisse in unseren Führungsetagen.

Sie haben spannende Themen zum Spannungsfeld der Digitalisierung, die Sie mit uns teilen möchten? Lassen Sie uns darüber diskutieren. Ich freue mich auf Ihre Zuschriften unter geschaeftsfuehrung@bfi.wien.

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