70. Geburtstag
Albertina Modern zeigt umfassende Retrospektive von Erwin Wurm

| Gerhard Krispl 
| 24.09.2024

Erstmals wird aus Anlass seines 70. Geburtstags in der Albertina Modern eine umfassende Retrospektive zu seinem vielseitigen Œuvre in allen künstlerischen Medien zu sehen sein.

Erwin Wurm zählt international zu den erfolgreichsten und bekanntesten Künstlern der Gegenwart. Die Ausstellung in der Albertina Modern aus Anlass seines 70. Geburtstags ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen gegenseitigen Verbundenheit zwischen der ALBERTINA und diesem einzigartig versatilen Künstler. Es ist auch die erste umfassende Retrospektive dieses vielseitigen Œuvres in allen künstlerischen Medien: Skulpturen, Zeichnungen und Handlungsanweisungen, Videos und Fotografien laden dazu ein, das Paradoxe und Absurde unserer Welt zu beleuchten.

Erwin Wurm verleiht dem Augenblick und dem sich darin offenbarenden Lebensgefühl des Absurden Gestalt. Sein gesamtes Schaffen kreist um die Einsicht, dass wir vergeblich einen Sinn des Lebens suchen, vergeblich versuchen, dem menschlichen Dasein eine Bedeutung zu geben. Albert Camus erkannte das Absurde im menschlichen Streben nach Sinn in einer sinnleeren Welt: "Das Absurde kann jeden beliebigen Menschen an jeder beliebigen Straßenecke anspringen."

One Minute Sculptures
Wurms berühmteste Arbeiten waren lange Zeit die One Minute Sculptures. In einer unlogischen, grotesk-komischen Verbindung nimmt ein Mensch auf Anweisung des Künstlers mit Hilfe einer Banane, von Zitronen, mit Bleistiften, Möbelstücken oder Kleidungsstücken eine unmögliche, jeder Logik und Vernunft spottende Stellung ein, die man eine Minute lang halten soll – eine zutiefst sinnlose Handlung. Erwin Wurm hat mit diesen One Minute Sculptures eine völlig neue Ausdrucksform für seine tiefen Zweifel an unserer angeblich so rationalen Kultur gefunden. Mit diesen performativ-situativen Szenarien wendet er sich bewusst von der klassischen Skulptur ab, die schon in ihrer Statuarik auf Dauer angelegt ist. 3 Ihr klassisches Mittel ist der Kontrapost, das ausgewogene Verhältnis zwischen Standbein und Spielbein. Ihr bevorzugtes Thema ist der sinnvolle Austausch zwischen dem Menschen und seiner Umwelt, wie er sich in einer vernünftigen Körpersprache und Haltung abzeichnet. An dessen Stelle treten bei Erwin Wurm grotesk-komische Verknüpfungen des Menschen mit Gegenständen. Was entsteht, ist ein skurril-absurdes Meisterwerk, das die Vergänglichkeit bereits in sich trägt und nur für 60 Sekunden besteht: one minute!

Immer geht es, wie der Künstler selbst erklärt, um den Begriff des Skulpturalen im Verhältnis zum Sozialen. Um das Hinterfragen der Strukturen unserer Gesellschaft, die sich auch in den Formen unserer Alltagsgegenstände manifestiert. So kann ein Essiggurkerl durchaus zu einem Selbstporträt erklärt werden, oder ein üppiges Luxusauto wie das Fat Car zum Symbol von Gier, Überfluss und Warenfetischismus in unserer Gesellschaft. Auf der anderen Seite spiegelt das Narrow House konzeptuell die Beengtheit bürgerlichen Denkens und Handelns und die Enge gesellschaftlicher Normen wider, ob durch Religion, Konvention oder inszeniertes Pathos. Dazu wird in dieser Schau erstmals eine ländliche Schule präsentiert, die für einengende und heute überholte Vorstellungen steht und ein weiteres Symbol einschränkender und wertender Denkmodelle darstellt. Wurms Arbeiten verdeutlichen, wie sehr es um das Entdecken geht, darum, das Vorhandene und unsere bestehenden Strukturen immer wieder neu zu denken und neu zu gestalten.

Die Ausstellung versammelt Hauptwerke aus allen Stationen des künstlerischen Schaffens von Erwin Wurm. Von den frühen Holz- und Staubskulpturen spannt sich der Bogen bis zu neusten Arbeiten, die zum Teil erstmals in dieser Ausstellung zu sehen sind. Daneben stehen Arbeiten, mit denen er internationale Bekanntheit erlangte, wie die One Minute Sculptures, das Fat Car oder ein Narrow House.

Die Ausstellung ist noch bis 9. März 2025 in der Albertina Modern zu sehen.
www.albertina.at/albertina-modern

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Herausgeber von LEADERSNET-ART ist Gerhard Krispl.

 

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