Neue "blaue Seite": ORF-Chef weist Mogelpackung-Vorwurf zurück

| Tobias Seifried 
| 07.01.2024

Für den Verband der Zeitungsverleger gehen die Änderungen bei orf.at nicht weit genug. Beim öffentlich-rechtlichen Medienunternehmen sieht man sich jedoch im Recht und droht sogar mit einer Klage wegen Kreditschädigung.

Mit 1. Jänner ist das neue ORF-Gesetz, das vom VfGH teils als verfassungswidrig befunden wurde und deshalb bis März 2025 repariert werden muss (LEADERSNET berichtete), in Kraft getreten. Zu den wichtigsten Änderungen zählen neben der Einführung einer Haushaltsabgabe die Einschränkungen bei orf.at. Die "blaue Seite" war dem Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) ein Dorn im Auge, was auch von der Politik anerkannt wurde. Deshalb gab es u.a. eine Beschränkung der Textmeldungen auf 350 Beiträge pro Woche - davor waren es knapp dreimal soviel. Im Gegenzug darf der ORF nun auch Videobeiträge rein für orf.at produzieren. Doch mit der Umsetzung zeigt sich der VÖZ ganz und gar nicht zufrieden.

Der Verlegerverband spricht bei der Novelle zum ORF-Gesetz nun gar von einer Mogelpackung, da diese eine Vermengung von Überblicksberichterstattung und anderen Online-Aufträgen auf der blauen Seite zulasse, wird VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger von mehreren Medien zitiert. Dem VÖZ ist orf.at also nach wie vor zu zeitungsähnlich. Das dürfte vor allem daran liegen, dass die 350er-Beschränkung vor allem für orf.at gilt. Links von anderen ORF-Seiten wie beispielsweise wien.orf.at oder kaernten.orf.at sind hingegen nicht betroffen. Deren Headlines erscheinen zwar auf orf.at, werden aber mit einem kleinen Zusatzsymbol gekennzeichnet (siehe Screenshot). So sollen die User:innen erkennen, dass sie auf eine andere ORF-Seite weitergeleitet werden und sich der Beitrag nicht wie bisher auf orf.at "aufklappt". 

orf.at 2024Mit diesem Icon (roter Pfeil) werden die externen Links gekennzeichnet © Screenshot orf.at

ORF-General weist Vorwurf zurück

Ganz anders sieht man das freilich beim ORF. Generaldirektor Roland Weißmann weist den Vorwurf, dass die Gesetzesnovelle und damit auch das neu aufgestellte Angebot von orf.at eine "Mogelpackung“ sei, zurück. "Ein gesunder Konkurrenzkampf ist das eine, die Unterstellung unlauter vorzugehen das andere. Dann ist die Grenze dessen, was man sich gefallen lassen muss, erreicht. Die Neuaufstellung von orf.at entspricht in allen Belangen den gesetzlichen Vorgaben und ist gleichzeitig jenen Millionen User:innen verpflichtet, die von einem 'ORF für alle' zu Recht verlangen, weiterhin bestmöglich informiert zu werden. Leider werden im Rahmen dieser Kampagne gegen den Online-Auftritt des ORF wie schon in den vergangenen Monaten Berichterstattung mit Eigentümerinteressen vermischt. Wir scheuen uns daher auch nicht davor, den Klagsweg zu bestreiten, sollten weiterhin kreditschädigende Anschuldigungen erhoben werden."

Beschränkung ad absurdem geführt

Grünberger ist jedenfalls davon überzeugt, dass die Vorgehensweise ein Fall für die Medienbehörde KommAustria werden wird. Laut dem VÖZ-Geschäftsführer werde nämlich die Beschränkung auf 350 Textmeldungen pro Woche ad absurdum geführt, wenn die Bundesländer-Schlagzeilen in gleicher Weise wie die Headlines der bundesweiten, europäischen und internationalen Berichterstattung in die blaue Seite eingebunden werden. Da die Landesstudios jeweils bis zu 80 Meldungen pro Woche anlegen dürfen, ergebe das bis zu 720 zusätzliche Meldungen pro Woche, so Grünberger gegenüber diversen Medien. Rechnet man die 350 erlaubten dazu, wären dass dann wieder gut 1.000 neue Textmeldungen.

Auch wenn derzeit noch nicht abzusehen ist, wie sich der Zwist weiterentwickelt, steht bereits fest, dass die "blaue Seite" auch 2024 ein großer Zankapfel zwischen dem VÖZ und dem ORF bleiben wird.

www.orf.at

www.voez.at

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