"Ich musste meinen Eltern auch erst mal erklären, was ich da eigentlich mache"

Ein Film über die österreichische Snowboarderin Anna Gasser flackert gerade über heimische Bildschirme. Die 30-Jährige spricht im LEADERSNET-Interview über ihren wichtigsten Sieg, das Sponsoring von Red Bull und ob ein Wettkampf oder ein Interviewmarathon anstrengender ist.

In jeder Ära einer Sportart gibt es Persönlichkeiten, die den Sport prägen und hervorstechen. Anna Gasser ist so eine Persönlichkeit. "The Spark Within" ist ein Dokumentarfilm über Anna Gassers kometenhaften Aufstieg von der jungen Turnerin zur wahrscheinlich einflussreichsten Snowboarderin unserer Zeit. Dabei beleuchtet der Film welchen Einfluss die Familie, Verletzungen und vor allem ihr innerer Funke auf die bisherige Reise hatten.

Am 11. November feierte der Film nun im Filmcasino Wien Weltpremiere. LEADERSNET traf die Olympiasiegerin und Weltmeisterin kurz davor.

LEADERSNET: Sie wurden für den Film die letzten drei Jahre von einem Team begleitet. Es kommen aber auch deutlich ältere Aufnahmen vor. Wie geht das?

Gasser: Ich hatte das Glück, dass mein Freund immer dabei war und mit gefilmt hat – bevor wir überhaupt wussten, dass wir mal eine Doku machen. Dadurch haben wir enorm viel Material gesammelt, weil irgend eine Kamera quasi immer gelaufen ist. Wir haben sogar Aufnahmen von meinen ersten olympischen Spielen 2014. Damals noch alles mit Handy und eigener Kamera. Ich denke, dass es dadurch wirklich authentisch geworden ist und man bekommt wirklich einen Einblick wie das damals war.

LEADERSNET: Stichwort Olympia: Die Veranstaltung ist nur einmal alle vier Jahre. Haben Sie sich am Start da anders gefühlt als sonst?

Gasser: Um ehrlich zu sein: Ich habe noch nie so viel Druck verspürt, wie vor dem Big-Air-Event. Bei ersten Bewerb, dem "Slopstyle", war ich nicht die Top-Favoritin. Dadurch, dass ich Weltmeisterin im Big-Air war, war vor allem in Österreich der der ganze Fokus auf dieser Disziplin. Und ich dachte mir: Perfekt, wenn ich hier gleich eine Medaille mitnehmen kann, dann ist der Druck vor meiner Paradedisziplin vielleicht etwas weniger. Und dann kam der Wettbewerb und es ist alles in die Hose gegangen. Wir Athletinnen wurden regelrecht vom Wind verweht.

Und dann war der Druck auf einmal da. Ich musste zehn Tage lang auf diesen einen Bewerb warten. Und da habe ich mir natürlich auch selber einen heftigen Druck gemacht, weil ich genau gewusst habe, dass ich nie mehr in dieser Ausgangslage bei Olympischen Spielen sein werde. Ich hatte im Vorfeld alles gewonnen und konnte Sprünge, die andere Teilnehmerinnen nicht mal kannten. Meine Gedanken waren: Na toll, wenn es jetzt nicht hinhaut, wer weiß ob es dann jemals klappt. Das war eine wahnsinnige Last. Umso besser ist es, dass dann am Ende doch alles geklappt hat.

LEADERSNET: War das Ihr wichtigster Sieg?

Gasser: Ja! (lacht) Auf jeden Fall.

LEADERSNET: Sie werden seit mittlerweile sieben Jahren von Red Bull gesponsert, hat das irgendwas leichter gemacht?

Gasser: Natürlich. Red Bull ist so eine riesen Firma mit fast unendlichen Möglichkeiten. Da kommt enorm viel Professionalität, vor allem im Sport, mit. Wenn man sich etwa verletzt, hat man da die Möglichkeit eine super Betreuung oder Physios zu kriegen. Oder man hat die Chance Filme zu machen, wie jetzt eben "The Spark Within". Deshalb ist es so ein guter Partner. Es ist nicht nur das finanzielle, sondern das ganze drumherum. Die sind einfach darauf spezialisiert Sportler:innen zu helfen.

LEADERSNET: Zur Jahrtausendwende war Snowboarden auf Wettkampfbasis noch ziemliches Neuland. 2003 launchte A1 dann eine aufsehenerregende Kampagne um für die Snowboard-WM 2003 in Kreischberg zu werben. Haben Sie das Gefühl, dass die mediale Aufmerksamkeit seitdem größer geworden ist?

Gasser: Auf jeden Fall. Vor allem im Freestyle-Bereich. Viele haben Snowboarden nur mit Rennen in Verbindung gebracht. Als ich vor zwölf Jahren angefangen habe, haben mich meine Eltern zuerst gefragt, was ich da überhaupt mache. Das musste ich ihnen auch erst mal erklären. Und wenn heute ein Großvater auf mich zu kommt und sagt: "Meine Enkelin ist so ein großer Fan von dir. Gratulation, dass du das letzte Big-Air-Event gewonnen hast", dann denk ich mir: "Was? Der kennt Big-Air?" Das ist für mich persönlich einfach ein gewaltiger Erfolg. Einfach zu wissen, dass jetzt auch diese Sportart mehr Aufmerksamkeit bekommt.

LEADERSNET: Ist es manchmal auch anstrengend auf der Straße erkannt zu werden?

Gasser: Das Problem habe ich nicht so. Bei mir ist die Bekanntheit nicht einmal annähernd so groß wie etwa bei einem Marcel Hirscher. Bei mir überwiegt eher die Freude darüber, dass jemanden eine Sportlerin aus dieser Sportart erkennt.

LEADERSNET: Angenommen Ihr Film inspiriert jemanden, mit dem Snowboarden zu beginnen. Welches Material können Sie da empfehlen?

Gasser: Es gibt jetzt etwas richtig cooles für Anfänger, dass ich wirklich jedem empfehlen kann. Das nennt sich "Step On". Das ist eine spezielle Bindung. Das lästige am Snowboarden ist, dass man die Schuhe immer ein- und aufschnallen muss. Das kann am Anfang wahnsinnig nerven und viel Zeit kosten. Mittlerweile gibt es eine Bindung bei der man einfach reinsteigt. Das ist einfach viel schneller und man kann auch viel einfacher wieder raussteigen. Ich denke, das erleichtert das Anfangen sehr.


© Matthias Heschl/Red Bull Content Pool

LEADERSNET: Jede Sportkarriere geht irgendwann einmal zu Ende. Wenn es einmal soweit sein sollte, denken Sie, Sie würden etwas vermissen?

Gasser: Ich glaube, ich habe etwas Angst davor, dass mein Tag dann sehr strukturiert sein wird. Klar gibt es auch heute den Kalender mit den Bewerben, die man fahren will. Aber sonst fühle ich mich extrem frei. Ich bin mein eigener Chef und kann alles entscheiden. Ich habe eher ein bisschen Angst mal eine strukturierte Woche zu haben und diese Freiheit etwas abgeben zu müssen.

LEADERSNET: Was ist eigentlich mental anstrengender – Ein Wettkampf oder ein Interviewmarathon für einen Film?

Gasser: (lacht) Ein Interviewmarathon. Nein ernsthaft, es kommt auf den Bewerb an und … okay, es ist doch der Interviewmarathon.

Unter den begeisterten Gästen der Filmpremiere waren neben der Familie und Freund Clemens Millauer auch die beiden Wintersportlegenden und Kärntner Franz Klammer und Thomas Morgenstern. "Anna Gasser – The Spark Within" ist ab 16. November 2021 kostenlos auf Red Bull TV unter redbull.com/annagasser verfügbar und kann über alle gängigen Plattformen gestreamt werden. Eindrücke von der Premiere gibt es hier. (ca)

www.anna-gasser.com

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