"Ein Großteil des Geschäftsmodells wird sich ändern"

Die Automobilbranche ist im Umbruch. Moderne Technologien stellen die Autovertreiber und -hersteller vor neue Herausforderungen – aber auch Chancen. Jaguar-Land-Rover-Austria-Managing-Director Felix Wannemacher und "Auto Stahl"-Eigentümer Gernot Keusch reden im LEADERSNET-Interview über die Zukunft der Branche.

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Wannemacher, wir dürfen heute gemeinsam mit Herrn Keusch, Eigentümer von "Auto Stahl", in seinem neuen Autohaus im 22. Wiener Bezirk zu Gast sein. Was ist Ihr erster Eindruck?

Wannemacher: Ganz ehrlich: Es ist jetzt das dritte Mal, dass ich hier bin. Das erste Mal war ich auf der Baustelle, beim zweiten Mal wurden die Fahrzeuge angeliefert und heute ist es fertig und ich muss sagen: Es ist wirklich beeindruckend. Ich möchte mich auch jetzt noch einmal bei Familie Keusch für das Engagement, aber auch für die Bereitschaft bedanken, so in Jaguar und Land Rover zu investieren. Wir sind stolz, sie als Partner zu haben.

Keusch: Danke!

LEADERSNET: Sie sind Managing-Director von Jaguar Land Rover Austria. Auf was dürfen sich denn Ihre Kunden – und die die es noch werden möchten – freuen?

Wannemacher: Also prinzipiell haben wir extrem attraktive und tolle Angebote. Unsere Produkte sind einzigartig im Design, in der Positionierung und in ihrer Vielfältigkeit. Ich glaube, das ist etwas, was bei Jaguar Land Rover wirklich ein Alleinstellungsmerkmal ist. Was zunehmend an Bedeutung für uns gewinnt, ist die Elektrifizierung. Bei Jaguar waren zwischen Jänner und August mehr als 50 Prozent der Verkäufe Jaguar I-Pace-Modelle. Auf der Land-Rover-Seite haben wir in fast allen Modellen Plug-in-Hybride. Übergreifend liegt die Installation von Plug-in-Hybride bei praktisch allen Modellen zwischen 40 und 50 Prozent. Diesen Weg haben wir eingeschlagen und unser Ziel ist es, bis 2025 Jaguar voll zu elektrifizieren. Das ist genau der richtige Schritt und wir sind auch stolz drauf, dass wir diese Entscheidung getroffen haben. Das war auch durchaus mutig, immerhin waren wir einer der Ersten, die sich dieses Ziel gesetzt haben. Jetzt ziehen peu à peu auch andere Hersteller nach. Aber wir sind zuversichtlich, dass wir vom Produktportfolio und vom Markenauftreten her die richtige Strategie haben.

 Felix Wannemacher © Jaguar Land Rover

LEADERSNET: Gibt es neben der Strategie zur vollständigen Elektrifizierung noch andere Themen?

Wannemacher: Natürlich. Für uns steht ganz klar der Kunde im Mittelpunkt. Der Kunde ist das Wichtigste und wenn wir zufriedene Kunden haben, geht es uns, aber auch dem Handel gut. Und da sind wir auch schon beim Stichwort: Das Bindeglied zum Kunden ist der Handel. Und deshalb ist es uns ein großes Anliegen hier auf eine ehrliche Basis zu setzen und gemeinsam Wege zu finden, um zusammen in die Zukunft zu gehen. Das ist nicht der Hersteller gegen den Handel, sondern dass wir gemeinsam versuchen, nach vorne zu gehen. Denn nur wenn wir gemeinsam stark sind, sind wir auch gut und stark dem Kunden gegenüber. Das ist mein Credo.

Keusch: Was ich hier noch ergänzen möchte: Als Herr Wannemacher kam, hat es in dem Unternehmen viel verbrannte Erde gegeben. Er hat es innerhalb kürzester Zeit zusammengebracht, diese verbrannte Erde wieder zu begrünen. Jetzt sprießt das Gras nur so aus dem Boden. Das muss man wirklich anerkennen.

LEADERSNET: Welche Kundengruppen bedient Jaguar Land Rover derzeit und welche Positionierung wird sich in Zukunft auf dem österreichischen Markt etablieren?

Wannemacher: Also grundsätzlich sind Jaguar und Land Rover zwei unterschiedliche Marken. Jaguar ist stärker im Luxussegment und wird sich auch in Zukunft noch weiter auf dieses fokussieren. Land Rover hat eine extrem weit gefächerte Kundengruppe im Premiumsegment, angefangen von Einsteiger Modellen wie dem Discovery Sport bis hin zu robusteren Fahrzeugen wie der Discovery und der Defender – wobei der Defender als absolutes Lifestyle Produkt auch schon in ein anderes Segment rein geht – hin bis zur absoluten Luxusklasse, dem Range Rover. Ich glaube, wir haben sehr breite Kundengruppen, die alles eins wollen: Design, Qualität und etwas Besonderes.

LEADERSNET: Herr Keusch, das Autohaus hier ist ja ein Autohaus der Superlative. Sie sind jetzt eines der größten Autohäuser in Österreich. Warum haben Sie es so groß gebaut?

Keusch: Das ist eine gute Frage. Ich denke, es hat sich quasi so ergeben. Mein Ziel war es ja nicht nur, den jeweiligen Marken und Kunden ein schönes Zuhause zu bieten. Mir war es vor allem wichtig, dass eine gute Atmosphäre herrscht. Der Begriff Superlative ist so ein spezielles Thema. Ich möchte nicht "super" sein. Mir ist es wichtig, dass sich die Menschen wohlfühlen. Das schließt für mich sowohl Kunden als auch Mitarbeiter ein. Denn, wenn sich der Mitarbeiter wohlfühlt, dann kann er dem Kunden auch den besten Service bieten. Und dann haben wir eben eine gute Atmosphäre.

LEADERSNET: Sie waren jeden Tag selbst auf der Baustelle. Worauf haben Sie beim Bau besonders Wert gelegt?

Keusch: Wir haben natürlich darauf geschaut, dass wir in den Kosten bleiben. Das ist in Zeiten wie diesen natürlich unumgänglich. Mir war es auch wichtig, dass wir mit neuesten Technologien bauen und die Umwelt schonen. Und das nicht nur im Rahmen der Errichtung sondern auch in weiterer Folge. Wir haben einen niedrigen Energieverbrauch und eine eigene Photovoltaikanlage. Gegenwärtig denken wir darüber nach, uns eine Weitere zuzulegen. In Wien ist es ja allgemein so, dass man einen gewissen Anteil an erneuerbarer Energie haben muss und ich möchte einfach, dass das nachhaltig und langfristig ein gutes Haus ist. Das ist aktuell nicht so einfach, weil die Baubranche sehr viel Arbeit hat. Das hat zur Konsequenz, dass die Firmen im Bau- und Baunebengewerbe kaum nachkommen und dadurch wiederum die Qualität leidet. Leider kommt dann noch ein gewisser Mangel an Materialen dazu. Ich glaube, dass wir mit dem Zeitpunkt des Baus ein riesengroßes Glück gehabt haben. Wenn wir jetzt anfangen würden, wäre es fast ein Ding der Unmöglichkeit.

Gernot Keusch © Auto Stahl

LEADERSNET: Wie viele Kilowatt-Peak Strom produziert Ihre Anlage?

Keusch: Wir können aktuell 120 KW-Peak erzeugen und wir könnten auf über 200 hochrüsten. Kühlen und Heizen können wir dadurch größtenteils selbst über die Photovoltaikanlage. Wir wollten auch noch eine Wärmepumpe machen. Das ist leider nicht möglich, weil das Grundwasser im Sommer zu warm ist. Und damit kannst du eben keine Kältemaschine betreiben.

LEADERSNET: Auf der Autofahrt hierher habe ich gemerkt, dass sie E-Ladestationen gebaut haben. Wie war hier die Abwicklung mit den Behörden und den Drittanbietern? War das einfach?

Keusch: Ganz ehrlich: Am Ende des Tages habe ich das Prozedere als einfach empfunden. Wir haben Ladestationen oder Ladepunkte auf unserer Anlage, die wir auch selbst betreiben. Die haben bis zu 22 KW Wechselstrom. Wir haben dann noch viermal 50 KW Gleichstrom-Ladepunkte, welche wir in Kooperation mit einem großen Wiener Energieunternehmen abgeschlossen haben. Da ist natürlich auch die Frage gewesen, ob wir sie selber betreiben und damit auch das Risiko tragen wollen, oder ob wir die Stationen von anderen betreiben lassen und eben einen Teil dazu zahlen. Wir haben uns für die zweite Variante entschieden. Wir wissen natürlich, dass es im Umfeld auch noch nicht viele 50 KW Gleichstrom-Lader gibt. Und es ist ja kein Geheimnis, dass in der Nähe auch ein großer Vorreiter der Elektromobilität mit einer großen Reparaturwerkstätte seinen Sitz hat. Im Idealfall kommen deren Kunden dann noch bei uns vorbei und finden ein gutes Auto. Dann haben wir gewonnen.

LEADERSNET: An diesem Standort ist jetzt natürlich alles neu. Aber welche Herausforderung werden auf Autohändler allgemein in Zukunft zukommen?

Keusch: Also ich glaube, dass es eine Branche ist, die sich jetzt wirklich komplett verändern wird. Die Covid-19 Krise hat dabei als Brandbeschleuniger gewirkt. Daneben gibt es natürlich auch die Bestrebungen, die Umwelt mehr zu schützen. Die Elektromobilität hat für uns natürlich Konsequenzen. Der Kunde wird nicht mehr so viele Reparaturarbeiten bei seinem Fahrzeug haben. Das führt dazu, dass wir im mechanischen Bereich der Werkstätten natürlich ein Problem bekommen werden und sich das Geschäft drehen wird. Zusätzlich ist es so, dass eben viele Assistenzsysteme zwar gut und schön sind und natürlich den Kunden sicherer machen. Für mich aber heißt das, dass man weniger wo anfahren wird. Da fällt natürlich Arbeit für uns weg. Das heißt, wir haben am Ende des Tages, im Vergleich zu den vielen Marken die wir hier vertreiben, mit 18 mechanischen Arbeitsplätzen eigentlich eine recht kleine Werkstatt. Wir haben auch im Bereich Body and Paint Shop, also Spenglerei und Lackiererei, in Relationen eine eher kleine Anlage. Wir arbeiten hier aber für alle drei unserer Standorte. Man muss schon sagen: Ein Großteil des Geschäftsmodelles wird sich ändern.

 Felix Wannemacher und Gernot Keusch © LEADERSNET

LEADERSNET: Man hört immer wieder von Geschäftsführern, auch aus anderen Branchen, dass die Arbeitsmarktsituation derzeit nicht die Beste ist und hängeringend Angestellte gesucht werden. Wie viele Mitarbeiter haben Sie im Standort und was tut das Unternehmen, um diese zu halten?

Keusch: Wir versuchen, dass wir den Mitarbeitern ehrlich und aufrecht zuhören und es eine offene Kommunikation gibt. Es ist natürlich schon so, dass wir – jedenfalls aus meiner Sicht – zwei Bewegungen haben. Durch das Covid-19 bedingte Homeoffice ist eine gewisse Entfremdung entstanden und es haben sich dadurch auch die Prioritäten verschoben, was ich menschlich absolut verstehe. Am Ende des Tages müssen wir es aber jetzt schaffen, dass wir nicht nur beim Feiern, sondern auch in der Arbeitswelt wieder zurück in die Normalität finden. Ich glaube, da sind wir alle gefordert, sowohl der Dienstgeber als auch der Dienstnehmer. Der Dienstgeber muss Verständnis für den Mitarbeiter haben, dass der jetzt gewisse Freiheiten genossen hat, die er nicht gerne hergibt und dass er von zuhause aus auch arbeiten will. Andererseits muss es aber auch eine gewisse Flexibilität des Dienstnehmers geben. Da ist es einfach wichtig, dass man aufeinander zugeht. Ich versuche von meiner Seite aus für meine Leute da zu sein und bemühe mich mit bestem Wissen und Gewissen meine Arbeit selbst so zu machen, als würde ich einem imaginären Eigentümer in die Augen schauen müssen. Ich verlange nichts, was ich nicht selber bereit bin zu tun.

LEADERSNET: Welche abschließenden Worte möchten Sie unseren Leser:innen, aber auch anderen Geschäftsführer:innen zur wirtschaftlichen Situation im Jahr 2021 mitgeben?

Keusch: Mir ist bewusst, dass wir seit geraumer Zeit in einer Geisterbahn sind. Aber auch diese Fahrt ist irgendwann einmal zu Ende und das Wichtigste ist, dass wir zusammenhalten und dass wir loyal sind. Loyal gegenüber meinen Lieferanten, Herstellern, Geschäftspartnern, Kunden und Mitarbeitern. Wenn wir das tun, dann werden wir das immer schaffen.

Wannemacher: Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wenn wir die Chance jetzt nutzen, alle gemeinsam viel effizienter arbeiten. Viel dynamischer, viel flexibler. Ob das jetzt durch Home Working, Smart Working, Mixed Working oder wie man es nennen will, erreicht wird – es geht um flexiblere Arbeitszeiten.  Wenn der Mitarbeiter da motivierter ist und dadurch bessere Arbeitsleistung bringt, finde ich, ist das genau der richtige Weg.

Keusch: Es kann natürlich sein, dass wir durch die Rahmenbedingungen die wir in den nächsten Jahren haben werden, auf eine neue Biedermeierzeit zusteuern. Aber das hat auch etwas Gutes, weil dann kann man sich immerhin darauf verlassen. Und der Staat wird nicht ewig weiter das Füllhorn ausschütten können. Irgendwann muss ja auch die Republik wieder Geld bekommen. Es ist mir einfach wichtig, dass die Menschen verstehen, dass wir es nur gemeinsam aus dieser Geisterbahnfahrt schaffen. Arbeiten wir nicht zusammen, wird die Fahrt für jeden von uns nur umso länger. (ca)

www.autostahl.com

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