"Jobvernichter Corona: Es ist fünf nach zwölf, wir müssen handeln"

Gastkommentar von Bernhard Ehrlich, Gründer von 10.000 Chancen zur Arbeitsmarktintegration.

Eine Arbeitslosenquote von 9,4 Prozent (Stand März 2021) ist trotz leichtem Rückgang kein Grund zur Freude. Die Zahl ist erschreckend hoch. 90.000 Menschen mehr als zu Vor-Corona-Zeiten sind arbeitslos und es ist zu erwarten, dass diese Zahl noch weiter steigen wird. Besonders stark betroffen, sind Menschen aus niederschwelligen Arbeitsbereichen, wie zum Beispiel Hilfskräfte. Sie – und nicht die permanent gesuchten IT-Fachleute – sind es, die in die Langzeitarbeitslosigkeit abrutschen und den harten Kern der wachsenden Sockelarbeitslosigkeit darstellen.

Jetzt sind bereits die ersten "Corona-Langzeitarbeitslosen" da. Wer seit mindestens einem Jahr arbeitslos ist, gilt als extrem schwer vermittelbar und hat kaum Chancen am Arbeitsmarkt. Das hat die Erfahrung im Rahmen unserer "10.000 Chancen" Jobinitiative deutlich gezeigt. Mit jedem Tag sinkt für diese Menschen die Hoffnung. Gleichzeitig steigt die Notwendigkeit für lang andauernde finanzielle Unterstützung durch staatliche Institutionen. Wir alle müssen den Tatsachen ins Auge sehen und erkennen, dass im Digitalisierungszeitalter kaum neue Jobs im niederschwelligen Bereich entstehen werden – auch dann nicht, wenn die Pandemie vorbei ist und die Gesamtwirtschaft wieder in Schwung kommt.

Es ist fünf nach zwölf

Wir müssen handeln! Es reicht nicht, arbeitslosen Menschen Schulungen anzubieten. Das sieht zwar in der Statistik besser aus, nützt aber nichts, wenn sie nach ihrem Abschluss trotzdem keinen Job finden. Es ist wichtig, mit der Wirtschaft eng zusammenzuarbeiten, etwa, indem man mit Unternehmen vereinbart, dass Kandidaten übernommen werden, wenn sie eine bestimmte Schulung absolvieren.

Hier fehlt ein Bindeglied zwischen Arbeitsvermittlung und Wirtschaft. Denn viele Unternehmen melden ihre Jobs nicht über das Arbeitsmarktservice, sondern suchen über ihre eigenen Kanäle. Hinzu kommt, dass sich die Möglichkeiten, zueinander zu finden, für Jobsuchende und Unternehmen aufgrund von Corona stark reduziert haben. Denn Job-Events und andere Präsenzveranstaltungen sind in Pandemiezeiten nicht durchführbar und Online-Veranstaltungen finden nicht in großem Ausmaß statt.

Gemeinsame Lösungen müssen her

Besonders ärgerlich ist, dass im Lauf der Pandemie immer wieder darüber diskutiert wurde, dass Lösungen gegen die Langzeitarbeitslosigkeit entwickelt werden müssen. Geschehen ist aber wenig. Es gibt weiterhin kein bundesweites staatliches Beschäftigungsprojekt, nicht einmal einen akkordierten Fahrplan zu einem solchen.

Wir müssen gemeinsam kreative Lösungen entwickeln. Beispielsweise funktionierende, einfache Plattformen, die es engagierten Jobsuchenden ermöglichen, mit Arbeitgebern in Kontakt zu treten. Wir müssen Unternehmen praxisorientierte Lösungen bieten, um jene Kandidaten anzusprechen, die sie wirklich brauchen. Mit punktuellen Maßnahmen werden wir unser Ziel nicht erreichen, die steigende Langzeitarbeitslosigkeit einzudämmen. Es ist Zeit, gemeinsam an einem Strang zu ziehen.

www.10000chancen.com


Kommentare auf LEADERSNET geben stets ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors bzw. der jeweiligen Autorin wieder, nicht die der gesamten Redaktion. Im Sinne der Pluralität versuchen wir unterschiedlichen Standpunkten Raum zu geben – nur so kann eine konstruktive Diskussion entstehen. Kommentare können einseitig, polemisch und bissig sein, sie erheben jedoch nicht den Anspruch auf Objektivität.

Kommentar schreiben

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV