Gastkommentar Ralf-Wolfgang Lothert
Der Ton macht die Musik

| Redaktion 
| 21.04.2024

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

Geneigte Leser:innen, haben Sie nicht auch das Gefühl, dass der Umgangston immer rauer wird? Man meint, die Gesellschaft, aber vor allem die Politik habe jegliche Höflichkeit und Umgangsformen verloren. Ich spreche nicht von der Berliner Herzlichkeit oder dem Wiener Schmäh, sondern von wirklich untergriffigen und üblen Tonalitäten!

Menschen hören nicht mehr zu

Warum ist das so? Man kann wahrscheinlich nicht alles auf die Erziehung schieben, doch bildet sie schon die Basis für das Verhalten, das wir anderen Menschen, ja auch anderen Lebewesen und unserem gesamten Umfeld gegenüber an den Tag legen. Zu diesem Umfeld gehören freilich auch die Sozialen Medien, deren Nutzung eigenen Gesetzen folgt, und in denen es gang und gäbe ist, unreflektiert die eigene Meinung hinauszuposaunen. Gegenteilige Ansichten werden weggeklickt, nicht gelesen oder wortreich als Unfug hingestellt, Beleidigungen und Verhöhnungen inklusive. Auf das analoge Leben umgelegt bedeutet das, dass viele Menschen nicht mehr zuhören können und wollen und schon gar nicht ihr Gegenüber ausreden lassen.

Auch prasseln jede Menge Fake und Bad News auf uns ein, die man augenscheinlich einfacher mit einem ruppigen und schlechten Ton von sich weisen kann, als mit der sogenannten feinen Klinge. Und so kann es passieren, dass man – angesichts des hanebüchenen Unsinns, der einem tagtäglich präsentiert wird – für reflektierte und angemessene Reaktionen schlichtweg zu perplex ist. Schließlich dreht sich die Welt immer schneller und oft wird einer schnellen Nachricht mehr Wert beigemessen als einem durchdachten und gut formulierten Beitrag. Dass alles sehr kompliziert ist, wusste aber schon Fred Sinowatz.

In der Sache hart, aber im Ton wertschätzend

Aber kann all dies als Entschuldigung dafür herhalten, dass es kein Danke, kein Bitte, kurz: keine Wertschätzung mehr gibt? Dem muss ich ein ganz klares und entschiedenes Nein entgegensetzen. Der letzte für mich absolut abstoßende Höhepunkt war die Auseinandersetzung in Österreich zum "Rot-Blauen Machtmissbrauchs-Untersuchungsausschuss". Ich dachte, ich hätte schon viel gesehen und gehört, aber was sich da Bahn brach – entschuldigen sie die Ausdrucksweise – kann nur unter "aggro" und "prollig" zusammengefasst werden. Wie, so frage ich, sollen aber die Bürger:innen bei solch einem Umgangston darauf vertrauen können, dass diese Parteien und ihre Vertreter:innen, so sie einmal in einer Koalition aufeinandertreffen sollten, zum Wohle des Landes gemeinsam arbeiten würden? Unfassbar weit weg scheinen die "guten alten" intellektuellen politischen Duelle mit einem Helmut Schmidt, einem Wilhelm Molterer oder Franz Vranitzky. In der Sache hart, aber im Ton wertschätzend. Danach sehne ich mich: nach echten Gentlemen/Ladies oder "Statespersons".

Warum aber sind der gute Ton und Höflichkeit so wichtig? Wir alle sind Menschen, und der Ton und die Höflichkeit drücken Wertschätzung aus, ungeachtet, ob ich die Meinung meines Gegenübers teile oder nicht. Wertschätzung ist die Basis einer funktionierenden Gesellschaft, in der ein einvernehmliches Miteinander und Nebeneinander herrscht. Wertschätzung ermöglicht es aber auch, offen zu sein und sich für andere Dinge und Meinungen zu interessieren. Und solch gegenseitiges Interesse ist über kurz oder lang immer befruchtend. Im Austausch untereinander lässt sich das Beste aus zwei (oder mehreren) Welten verbinden und so Neues hervorbringen.

Von abweisendem und aggressivem Gehabe wenden sich die Menschen – wenn sie nicht selbst "aggro" sind – hingegen ab. Dieses Abwenden führt wiederum zu totalem Desinteresse und Vertrauensverlust, was in letzter Konsequenz unserer Demokratie erheblichen Schaden zufügen kann. Denn so eine Demokratie braucht Interesse, Mitwirkung und Vertrauen wie einen Bissen Brot.

Manieren und die "gute Kinderstube"

Wir sind deshalb alle gefordert, uns nicht von dieser Stimmung und von diesen Verhaltensweisen anstecken zu lassen, sondern uns auf unsere Manieren und die "gute Kinderstube" zu besinnen. Ermahnen wir uns bewusst jeden Tag dazu, eine richtige und höfliche Ausdrucksweise zu verwenden. Hören wir wieder mehr zu. Weisen wir die Unhöflichen höflich darauf hin, ihr Verhalten zu überdenken – dazu dürfen wir nicht still sein und uns wegducken. Und bemühen wir uns um einen offenen und ehrlichen Umgang miteinander.

In unserer 240-jährigen Unternehmensgeschichte hat sich der Umgangston sicherlich auch mehrmals verändert, was nicht zuletzt mit den hierarchischen Strukturen zu tun hat, die das Unternehmen und seine Mitarbeiter:innen durchlebt haben. Inzwischen sind wir bei einer sehr offenen, wertschätzenden und empathischen Kultur angelangt, die zwar viel Pflege braucht, aber dafür umso mehr Kreativität, Innovation und Entfaltung erlaubt – Potenziale, die für ein erfolgreiches Wirtschaften in der heutigen Zeit unerlässlich sind.

Es würde mich freuen, wenn Sie, geneigte Leser:innen, sich dem einen oder anderen meiner Vorschläge anschließen möchten, damit wir gemeinsam ein bisschen etwas zum Besseren verändern können. Dafür sage ich jetzt schon Bitte und ich bedanke mich, dass sie sich die Zeit genommen haben, meinen Gastkommentar zu lesen.

www.jti.com


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