"Wir können uns nicht nur hinstellen und sagen: Wir sind so grün und wir sind so toll"

Der Bedarf an Beton wächst von Jahr zu Jahr. Gleichzeitig wird der Druck, nachhaltig zu produzieren, immer größer. Berthold Kren, CEO des Zementherstellers Lafarge, erzählt im LEADERSNET-Interview wie das Unternehmen diesen Spagat bewältigen will.

Jeden Monat einmal New York neu bauen: Das ist der weltweite Bedarf an Zement. Bei dieser Größenordnung überrascht es nicht, dass die Zement- und Betonindustrie einen großen CO2-Fußabdruck hinterlässt. Berthold Kren und Lafarge wollen das ändern.

LEADERSNET: Sie sind Geschäftsführer von Lafarge, dem größten Zementhersteller in Österreich. Wohin geht die Firmenzukunft?

Kren: Wir bei Lafarge haben uns auf die Fahnen geheftet, als Marktführer auch Verantwortung bei den Themen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft zu übernehmen. Und das ist gerade bei Beton ein Thema. Der ist nämlich nachhaltiger als man denkt.

LEADERSNET: Warum ist der Rohstoff Beton viel nachhaltiger, als man glaubt?

Kren: Um das zu beantworten, muss man zuerst verstehen, dass Beton ja zu einem Teil aus Zement besteht und wie viel Beton wir benötigen. Ein Beispiel: Bis 2050 bauen wir jeden Monat einmal New York neu. 75 Prozent der Infrastruktur, die wir bis 2050 brauchen, ist noch gar nicht gebaut. Das hinterlässt natürlich einen ordentlichen CO2-Fußbabdruck, den es zu minimieren gilt – und darin sind wir in Österreich eigentlich sehr, sehr gut.

LEADERSNET: Und wie genau wird das bewerkstelligt?

Kren: Wir haben ein Werk in Retznei, das den Kohleausstieg schon fast geschafft hat. Dort wird an 86 Prozent der Produktionstage mit 100 Prozent Ersatzbrennstoff Zement produziert. Das sind hochwertige Brennstoffe, die wir mit unserem Joint-Venture Partner Saubermacher aufbereiten. Auch in Mannersdorf, dem größten Zementwerk in Österreich, werden wir sehr bald diesen Status erreichen. Außerdem haben wir heuer im Frühjahr in unserem steirischen Werk einen Klimazement, den "Klimazem TB", gelauncht. Mit diesem Normenzement können wir CO2 einsparen. Und ich bin wirklich froh und stolz, auch zu sagen, dass das auch bei den Kunden sehr gute Resonanz gefunden hat. Das heißt, mit dem "Klimazem" produzieren wir einen Zement, der weniger CO2-Fußabdruck hat.

LEADERSNET: Wie viel CO2-Reduktion bewirkt dieser Klimazement?

Kren: Wir investieren dafür in Mannersdorf gerade 20 Millionen Euro in eine neue Anlage, um den "Klimazemt" auch in Ostösterreich anbieten zu können. Im ersten Halbjahr wird es so weit sein. Da reden wir von bis zu 20 Prozent CO2-Reduktion und von einem Netto-Fußabdruck von 360 Kilogramm CO2 pro Tonne Zement. Das österreichische Mittel liegt zurzeit bei 493 Kilogramm. Das ist schon eine wesentliche Verbesserung und das ist aber noch nicht Ende der Fahnenstange. Was mich besonders freut, ist auch, dass die gesamte Zementindustrie an einer Dekarbonisierungsroadmap arbeitet.

LEADERSNET: Sie arbeiten ja an dem Projekt "Carbon to Product Austria" (C2PAT). Was kann man sich darunter vorstellen?

Kren: Genau. Wir als Lafarge sehen das als besonderes Privileg, zusammen mit der OMV, mit Borealis und dem Verbund dieses "Carbon to Product Austria"-Projekt am Start zu haben, mit dem wir versuchen, eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft in Bezug auf CO2 zu schaffen. Das bedeutet: Wir wollen mit dem Verbund grünen Wasserstoff aus Photovoltaik und Windstrom produzieren. Das CO2 aus den Abgasen in unserem Zementwerk Mannersdorf wird abgeschieden und mit diesem Wasserstoff in Methanol übergeführt. Dieses wird dann mit einem Verfahren in Polypropylen umgewandelt und die Borealis macht dann wieder Kunststoff daraus. Das wäre dann grüner Kunststoff, der nicht aus Erdöl hergestellt wird, sondern aus grünem Wasserstoff und CO2 aus unserer Produktion besteht. Kunststoff der nach dem Ende seiner Recyclinglaufbahn wieder bei uns als Ersatzbrennstoff landet. Hier schließt sich der Kreislauf.

LEADERSNET: Gibt es dieses Projekt schon irgendwo anders?

Kren: Nein. Wir haben bis 2025 vor, eine Pilotanlage in Mannersdorf zu bauen. Es geht einmal darum zu zeigen, dass das geht und dass das skalierbar ist. Und sollte das von Erfolg gekrönt werden, wovon ich ausgehe, wäre es durchaus möglich, ab 2030 diese Anlage auch zu skalieren und dann die gesamten CO2-Emissionen des Werkes Mannersdorf in Polypropylen umzuwandeln. Es wäre für Österreichs Emissions-Situation ein wirklich wesentlicher Beitrag.

LEADERSNET: Also ergibt sich daraus eine hundertprozentige Kreislaufwirtschaft, wobei das CO2 gebunden und in Kunststoff umgeformt wird?

Kren: Genau richtig. Das CO2 wird aus dem Abgasstrom abgeschieden, wodurch die CO2-Emissionen die beim Schornstein in Mannersdorf rauskommen, gegen Null gehen.

LEADERSNET: Ihr Motto ist "Zurück in die Zukunft", was meinen Sie damit?

Kren: Ich habe sehr viel rund um die Welt gearbeitet und dadurch natürlich sehr viele verschiedene Entwicklungsstufen kennengelernt. In dieser Zeit habe ich sehr davon gezehrt, was ich in den Jahren auf der Uni gelernt habe und was wir im Unternehmen umgesetzt haben. In Europa waren wir Anfang der 2000er bei den Ersatzbrennstoffen Speerspitze. Ich habe sehr davon gezehrt, was ich hier in Österreich über Ersatzbrennstoffe und Kreislaufwirtschaft gelernt habe und dann zum Beispiel In Asien umgesetzt habe. Und diese Ersatzbrennstoffe sind überall die Zukunft. Jetzt komme ich wieder zurück und darf ein Unternehmen führen, welches die neuesten Technologien wieder vorantreibt – quasi zurück in die Zukunft. Wir müssen den nächsten Schritt setzen und die nächsten Entwicklungen vorantreiben. Das was wir jetzt hier machen, kann dann in fünf bis zehn Jahren überall anders auch ausgerollt werden. Und deswegen wollen da auch mit einem guten Beispiel vorangehen.

LEADERSNET: Dürfen wir uns auf die Zukunft freuen oder müssen wir diese mit Respekt erwarten?

Kren: Beides. Wir müssen mit Respekt die Verantwortung nehmen. Und ich glaube, wenn man Respekt hat, hat man auch eine gewisse Ehrfurcht und man sieht das dann auch als Verpflichtung, dass man abliefert. Wir können uns nicht nur hinstellen und sagen "Wir sind so grün und wir sind so toll". Wir müssen auch abliefern. Das heißt, wir müssen beständig neue Produkte nachschieben, die immer weiter geringeren CO2-Fußabdruck haben. Wir müssen Normen und Bauweisen weiterentwickeln und dann kann man auch mit Zuversicht in die Zukunft schauen. Ich glaube, da schulden wir uns. Das schulden wir ganz besonders unseren Kindern und den Kindern unserer Kinder. (ca)

www.lafarge.at

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