Interview Angela Vadori
"Das Problem liegt in der Verzahnung von Kreativität und Erwerbsarbeit"

| Redaktion 
| 07.03.2024

Angela Vadori, CEO von Smart Coop, spricht im LEADERSNET-Interview über selbstständige Frauen in "versteckter Teilzeit" und den bürokratischen Aufwand für EPUs.

LEADERSNET: Was sind die Ziele von Smart Coop?

Angela Vadori: Smart Coop Austria setzt sich zum Ziel die Arbeitsbedingungen Freelancer:innen zu verbessern und mehr Sicherheit durch Einbindung in die sozialen Systeme zu ermöglichen.

LEADERSNET: Österreich gilt als Bürokratie-Albtraum. Spüren das EPUs besonders?

Vadori: Es ist in vielen Belangen irrelevant welche Größe Unternehmen haben, ob sie EPUs sind oder mittelgroße Unternehmen. Bürokratie und Verwaltung bleiben ähnlich. Das bedeutet aber, dass die Arbeitslast bei EPUs im Vergleich viel höher ist. Es ist auch zu bedenken, dass EPUs keine spezialisierten Abteilungen haben. Der Druck sich überall auszukennen, ist also groß.

LEADERSNET: Wie arbeitet Smart Coop daran, die Situation der Solo-Selbstständigen zu verbessern?

Vadori: Smart Coop Austria funktioniert als gemeinsame Unternehmensstruktur für Solo-Selbständige und Kollektive. Durch Zahlungsgarantien, Beratung, Trainings und Vernetzung in der Community werden die Solo-Selbständigen gestärkt und in vielen Fällen auch in geregelte Anstellungsverhältnisse gebracht.

LEADERSNET: EPUs genießen gerne den Ruf als "schnell, innovativ, immer am technologischen Puls der Zeit". Trifft das tatsächlich zu oder ist das ein Klischee?

Vadori: Ich kann nur über die Erfahrung mit den Freelancer:innen sprechen, die bei Smart andocken. Das kreative Potenzial ist unvergleichlich und oft noch unausgeschöpft. Das Problem liegt in der Verzahnung von Kreativität und Erwerbsarbeit. An dieser Stelle zeigt sich die Kehrseite: die Ausnutzung, das Prekariat, die Überforderung mit den tausend Dingen, die mit der Selbständigkeit einhergehen, die fehlende Absicherung im Krankheitsfall.

LEADERSNET: Sie haben mir im Vorfeld gesagt, dass Selbstständigkeit für Frauen oft eine "versteckte Teilzeit" ist. Wie haben Sie das gemeint?

Vadori: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für Eltern nicht einfach. Zahlen zeigen, dass der Großteil der Care-Arbeit in Österreich nach wie vor von Frauen geleistet wird. Eine Lösung, auf die zugegriffen wird, ist die Selbständigkeit, mit der freien Zeiteinteilung, der Möglichkeit von zu Hause zu arbeiten. Der Verdienst entspricht hier oft einer Teilzeit. Das scheint aber, anders als die Teilzeitbeschäftigung, in keiner Statistik auf und führt trotzdem langfristig zu Altersarmut. Hier braucht es gesellschaftliche und politische Lösungen zur Verteilung von Care-Arbeit, sowie einen dringenden Ausbau der Kinderbetreuung.

LEADERSNET: Können Sie einen Einblick geben, welche konkreten Maßnahmen die Regierung angekündigt hat, um die Situation der Solo-Selbstständigen zu verbessern, und warum diese noch nicht umgesetzt wurden?

Vadori: Im Regierungsprogramm steht etwas zur Verbesserung des Krankengeldes. Es werden aber nach wie vor Solo-Selbständige genauso behandelt wie Gesellschafter-Geschäftsführer großer Firmen. Das kann nicht funktionieren. Wenn Solo-Selbständige ernsthaft erkranken, dann riskieren sie den finanziellen Ruin, vielleicht sogar Obdachlosigkeit. Diese Regelung ignoriert 350.000 EPUs in Österreich. Es braucht aber auch eine Gesetzgebung gegen Scheinselbständigkeit, auch das steht im Regierungsprogramm.

LEADERSNET: Wie können Interessierte sich an Smart Coop beteiligen oder von Ihren Dienstleistungen profitieren?

Vadori: Wir bieten zunächst einmal kostenlose Erstberatungen an um zu sehen, ob Smart die richtige Lösung für ein persönliches Anliegen sein kann. Die Arbeit ist dann über unser Smart Portal organisiert, wo auch ein Community Bereich zu finden ist. Dieses Portal wurde in den letzten zwei Jahren mit unseren Mitgliedern erarbeitet und auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten. Ermöglicht hat das eine Förderung des Digifonds 4.0 der AK Wien.

www.smartat.coop

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