Gravierende Mängel: Spar, Berglandmilch, Vivatis und Sipcan üben scharfe Kritik am "Nutri-Score"

Gesundheitsrelevante Lebensmittelbestandteile werden nicht berücksichtigt. 

Viele EU-Länder haben den Nutri-Score schon umgesetzt. Daher ist die auf Farben und Buchstaben basierende Nährwertangabe für Lebensmittel auch in Österreich zu sehen, obwohl der Score hierzulande noch nicht eingeführt ist.

Ein wissenschaftliches Gutachten des vorsorgemedizinischen Instituts Sipcan zeigt nun schwerwiegende Mängel des Nutri-Scores auf. Gesundheitsrelevante Lebensmittelbestandteile wie sekundäre Pflanzenstoffe und Probiotika werden bei der Berechnung nicht berücksichtigt, Parameter wie Verarbeitungsgrad, Bio-Qualität oder auch gentechnikfrei werden ignoriert. Spar, Berglandmilch, Vivatis und Sipcan fordern daher eine umfassende Überarbeitung des Nutri-Scores.

"Eine mögliche Einführung des Nutri-Scores in Österreich liegt auf dem Tisch und wir sehen, dass dieses sehr mangelhafte System die Konsument:innen in die Irre führen wird, anstatt sie bei einer gesunden Ernährung zu unterstützen. Wir brauchen daher dringend eine Überarbeitung des Nutri-Scores, einen ergebnisoffenen Diskurs und vielleicht sogar ein gänzlich neues Kennzeichnungssystem", so Markus Kaser, Spar Vorstand.

Pizza mit Pizza und nicht mit Joghurt vergleichen

In der Theorie soll der Nutri-Score über den Wert eines Produkts im Vergleich zu anderen Produkten in derselben Lebensmittelkategorie informieren, sagt aber nichts darüber aus, ob das Produkt gesund oder ungesund ist. Das heißt, die Konsument:innen dürfen nur Pizza mit Pizza und Jogurt mit Jogurt vergleichen. "In der Theorie klingt das Nutri-Score-Kennzeichnungssystem logisch, aber in der Praxis besteht die Gefahr, dass die Menschen die Farbgebung mit ‚essen‘ und ‚nicht essen‘ assoziieren", warnt Primar Friedrich Hoppichler, der den Nutri-Score in einem wissenschaftlichen Gutachten unter die Lupe genommen hat und ergänzt weiter: "Die Ausklammerung von Süßstoffen sehe ich besonders kritisch, da der Nutri-Score quasi dazu auffordert, statt Zucker Süßstoffe zu verwenden, um eine bessere Bewertung zu erhalten. Wir wissen aber aus Studien, dass es einen Zusammenhang zwischen einem regelmäßigen Konsum süßstoffhaltiger Lebensmittel und erhöhten Gesundheitsrisiken, von Bluthochdruck bis hin zu Diabetes, gibt."

Keine Portionsgrößen

Die Nutri-Score-Angaben beziehen sich immer auf jeweils 100 g beziehungsweise 100 ml eines Produkts und berücksichtigen somit nicht die Portionsgröße. Dennoch verzerren freiwillige, oft unrealistische, zu kleine Portionsangaben (z.B. 1/3 Pizza) durch den Hersteller das Bild. Die Berechnung pro 100 ml bzw. 100 g führt außerdem zu schlechten Bewertungen für natürliche Produkte wie z.B. Olivenöl oder Butter, von denen keine großen Mengen verzehrt werden. Dadurch kommen viele Produkte scheinbar besser weg, als man vermuten würde und umgekehrt.

Kritik kommt auch von Berglandmilch: "Der Nutri-Score mag für hochverarbeitete Lebensmittel seine Berechtigung haben. Milchprodukte sind überwiegend Grundnahrungsmittel und hier erachten wir die Nutri-Score Beurteilung als zu einseitig. Viele Aspekte einer umfassenden Lebensmittelqualität, wie zum Beispiel biologische Produktion, werden dabei völlig ausgeblendet. Zudem werden die Produkte nicht nach Portionsgrößen, sondern pro 100g berechnet, wodurch ein natürliches Produkt wie die Butter eine schlechte Bewertung erhält. Ein System, dass davon ausgeht, dass ein Mensch 100g Butter auf einmal isst, sollte aus unserer Sicht nochmals überdacht werden", sagt Josef Braunshofer, Generaldirektor der Berglandmilch.

Ein wertendes System

Gegen den Nutri-Score spricht sich auch der größte heimische Lebensmittelproduzent, Vivatis, aus: "Alle Bestrebungen, die unternommen werden, um das Ernährungsverhalten der Konsument:innen nachhaltig zu verändern, unterstütze ich natürlich. Ein wertendes System, das eine Einteilung in gute und schlechte Lebensmittel vornimmt, ist meiner Ansicht nach aber nicht der richtige Zugang. Wesentliche Parameter für eine objektive Beurteilung eines Lebensmittels werden bei der Nutri-Score-Kennzeichnung aktuell nicht berücksichtigt. Das führt zu einer Irreführung und Fehlleitung der Konsumentinnen und Konsumenten und sorgt darüber hinaus für eine große Zusatzbelastung für die vielfach mittelständischen Unternehmen der österreichischen Lebensmittelindustrie. Ich appelliere deshalb an die Verantwortlichen, dieses System nochmals zu überdenken", so Gerald Hackl, Vorsitzender der Fachvertreter der Nahrungs- und Genussmittelindustrie der WKO OÖ und Vorstandsvorsitzender der Vivatis Holding AG. (jw)

www.spar.at

www.berglandmilch.at

www.vivatis.at

www.sipcan.at

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