"Unternehmen kann die Angst genommen werden, junge Frauen einzustellen, wenn Väter genauso in Karenz gehen"

Mikaela Kumlin Granit, schwedische Botschafterin in Österreich, und Moderator und Kampagnenbotschafter Florian Danner im Interview anlässlich des Vatertages und der neuen "Zuhause mit Papa"-Kampagne von Ikea.

Schweden hat seit vielen Jahren in Sachen Gleichstellung und Väterkarenz eine Vorreiterrolle inne, doch wie steht es um die Etablierung einer modernen Väterrolle in Österreich? Auf Initiative der Schwedischen Botschaft will Ikea mithilfe der "Zuhause mit Papa"-Kampagne alte Rollenbilder aufbrechen. LEADERSNET hat die schwedische Botschafterin Mikaela Kumlin Granit und mit Florian Danner einen der Ikea-Kampagnenbotschafter zum Interview gebeten.

LEADERSNET: Sind Swedish Dads dem europäischen Durchschnittspapa bei der Gleichstellung und in der Repräsentation der Vaterrolle voraus?

Kumlin Granit: In Schweden ist dies ein aktives und all-gegenwärtiges Thema in der Politik. Wie in anderen Ländern ist es auch in Schweden historisch gewachsen. 1974 hat Schweden als erstes Land der Welt die Elternzeit eingeführt und seitdem hat sich viel getan. 1989 wurden die letzten damals noch vorhandenen beruflichen Monopole abgeschafft, 2002 wurde die Elternzeit auf 480 Tage verlängert, wobei zwei Monate davon nicht von einem Elternteil auf den anderen transferierbar sind. Diese und viele andere Gesetze schaffen Rahmenbedingungen, die benötigt werden, um Veränderungen durchzuführen, aber genauso wichtig ist die Bereitschaft der Bevölkerung, der BIldungsinstitutionen und der einzelnen Mitglieder der Gesellschaft aktiv zu gestalten, Gleichstellung "zu leben" und anzustreben.

LEADERSNET: Wie können alte Rollenbilder verändert werden?

Kumlin Granit: Dies geschieht meiner Meinung nach schon, wenn Kinder ganz klein sind. Je mehr Eltern zeigen, dass Väter genauso mit Kindern lernen, das Klo putzen und vom Kindergarten abholen und Mütter eine Glühbirne austauschen können und wichtige berufliche Termine wahrnehmen, desto natürlicher ist es für Kinder, keine Stereotypen für Männer und Frauen zu haben. Dies gilt auch für die Wahl von Kinderspielsachen und Kinderbüchern. Man muss sich trauen es anders zu machen. Ich zum Beispiel habe selber als Kind lieber Pirat gespielt als mit Barbies.

LEADERSNET: Wo steht Österreich am Weg zu einer gleichberechtigten Gesellschaft?

Kumlin Granit: Aus meiner Sicht ist Österreich auf gutem Weg dorthin. Es gilt aber das, was schon geschafft wurde, weiter auszubauen und zu verteidigen, damit es nicht verloren geht. Dazu braucht es gesetzliche Grundlagen und eine Bereitschaft in der Gesellschaft. Das Thema Kinderbetreuung auf zwei Elternteile gleichmäßiger aufzuteilen, ist ein wichtiger Ansatzpunkt. In Schweden haben wir das Glück, dass es schon für Kleinkinder staatliche Kinderbetreuung gibt, die beiden Eltern eine volle Berufstätigkeit ermöglicht und die auch allgemein genutzt wird. In der Kampagne "Zuhause mit Papa" rufen wir dazu auf, schon im Familienleben mit Gleichstellung anzufangen.

LEADERSNET: Was soll die Kampagne "zu Hause mit Papa" alles bewegen?

Kumlin Granit: Es soll auf lustige Art zeigen, dass Papa sein etwas "Schönes" ist – für die Kinder und Väter. Es geht darum, die Menschen zu sensibilisieren, sie daran zu erinnern, dass die Väter für die Kinder genauso wie Mütter da sind und da sein können.

Ich sehe es als "win – win -win", für Kinder, Mütter und Väter. Die Kinder lernen beide Elternteile besser kennen, entwickeln mehr Nähe und Vertrauen zu beiden, sehen nicht die konventionellen Geschlechterrollen als Zielvorstellung oder gar als ein "Muss".

Väter bekommen durch ihr Engagement eine bedeutendere Rolle in den Augen der Kinder und können mehr im Familienleben mitgestalten. Frauen können Beruf und Familie besser kombinieren. Damit werden Frauen finanziell unabhängig und der Partner und die Kinder profitieren auch vom höheren Gesamteinkommen der Familie. Wenn die Vaterrolle als positiv wahrgenommen wird, weckt das bei Männern vielleicht Interesse zur Gruppe der involvierten Papas zu gehören.

LEADERSNET: Wie kam es überhaupt zur Kampagne?

Kumlin Granit: Inspiriert wurde die Kampagne von der Fotoausstellung des schwedischen Star-Fotografen Johan Bävman, der mit Swedish Dads schwedische Väter in Alltagssituationen mit ihren Kindern ablichtete und so ihr Verständnis einer modernen Väterrolle bildlich zum Ausdruck brachte. Die schwedische Botschaft hat sich mit der Idee an Ikea gewendet, mit österreichischen Vätern eine Sensibilisierungskampagne zu starten, da Ikea viel "schwedischen Lifestyle und schwedische Werte" verkörpert. Ikea wollte dies umsetzen und es kam zu einem produktiven Dialog und dieser Zusammenarbeit.

LEADERSNET: Wie können Unternehmen von diesen Initiativen profitieren?

Kumlin Granit: Unternehmen kann die Angst genommen werden, jungen Frauen eine Anstellung zu geben, wenn beispielsweise Väter genauso viel und oft in Karenz gehen wie Mütter. Denn dann wäre das Fernbleiben vom Arbeitsplatz zwischen den Geschlechtern gleich aufgeteilt.

LEADERSNET: Sie sind als Kampagnenbotschafter für "Zuhause mit Papa" im Einsatz. Wie kam es dazu?

Danner: Die Schwedische Botschaft hat mir von der Idee zur Kampagne erzählt und Clemens Doppler und mich gefragt, ob wir dabei sein möchten. Nachdem ich dann ein bisschen intensiver gegoogelt habe, wie Schweden viel mehr Papas als wir in Österreich dazu kriegt, entweder in Karenz oder Elternteilzeit zu gehen, war es schnell klar. Ich finde ja, diese verstärkte Zeit mit einem Kind daheim sollte sich kein Papa entgehen lassen.

LEADERSNET: Wie läuft ihr Alltag ab?

Danner: Meine Arbeit ist eigentlich ein Traumjob für einen Vater. Ich kann Vollzeit arbeiten und habe trotzdem jeden Tag sehr viel Zeit mit unseren beiden Söhnen Theo und Noah. Mir ist klar, das können viele andere Papas nicht. Aber ich stehe um 2.30 Uhr fürs Frühstücksfernsehen auf, die Morgenroutine mit den Kids macht also meine Frau, während ich Sendung habe. Ich bin aber an den meisten Tagen zu Mittag fertig und kann dann um 14 oder 15 Uhr die Burschen vom Kindergarten beziehungsweise von der Schule abholen, während meine Frau ganz normal tagsüber in ihrem Job arbeitet. Meine Kinder und ich haben also den ganzen Nachmittag zusammen. Und am Abend geh ich dann mit den Kindern schlafen, um 8 oder halb 9 Uhr – und ich bin meistens der erste von uns dreien der schläft! (schmunzelt)

Mein Sender Puls 4 hat mir aber auch gleich nach den Geburten von Theo und Noah jeweils drei Monate Papa-Auszeit ohne zu Zögern möglich gemacht, wo ich dann ganz bei der Familie daheim war. In unserem Unternehmen ist das zum Glück eine Selbstverständlichkeit. Mir ist aber natürlich klar, dass da manche andere Arbeitgeber noch einen Schubs brauchen und man bei einem werdenden Papa genauso mit einer gewissen Karenzzeit kalkuliert wie bei einer werdenden Mama.

LEADERSNET: Droht damit nicht auch Verlust von Macht im Job?

Danner: Wenn das wirklich ein Grund wäre, finde ich, sollte sich ein Mann vorher überlegen, ob er überhaupt Papa werden will. Das heißt nicht, dass ich finde, jeder Papa muss verpflichtend daheim bleiben. Das soll schon jedes Paar in der jeweiligen Lebenssituation für sich entscheiden. Aber ich glaube oder hoffe, die Männer vom alten Schlag, die von ihrer Frau die ganze Kindererziehung erwarten, sterben bald aus. Ich will doch als Papa auch, dass die Kinder mindestens zu 50 Prozent auch meine Werte, meine Erziehung, meine Liebe für ihr Leben mitkriegen.

LEADERSNET: Wie kann man blöden Sticheleien entgegen wirken?

Danner: Ich habe von Kollegen keine Sticheleien mitbekommen. Klar, als Moderator sind ein paar Nachrichten in den Sozial Medien gekommen, was ich für ein Weichei sei, wenn ich nach der Geburt in Karenz gehe. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass mir das, wenn ich mit 80 im Schaukelstuhl über mein Leben nachdenke, wesentlich weniger wichtig sein wird,  als dass ich so viel Zeit wie es nur irgendwie ging mit den Kindern verbracht habe.

LEADERSNET: Ist eine stärkere Bindung zum Nachwuchs zu verspüren?

Danner: Ich habe ja keinen Vergleich, das kann ich also schwer sagen. Wir Papas dürfen uns natürlich nichts vormachen: Die Mamas werden so gut wie immer die Nummer 1 im Leben der Kids sein. Diesen Status haben die Frauen ja auch verdient nach neun Monaten Schwangerschaft und dem Geburtsschmerz. Aber knappe Nummer 2 muss dann schon unser Anspruch sein!

LEADERSNET: Können im Zuge der Kampagne Argumente für die Wichtigkeit der Vaterrolle ins richtige Licht gesetzt werden?

Danner: Ich glaube, Clemens und ich tun ja beide nicht so als wären wir die Paradeväter und jeder müsste so tun wie wir. Clemens ist in seinem Sport manchmal genauso tagelang nicht daheim wie ich bei Reportageeinsätzen in meinem Job. Aber diese Zeit wollen wir einfach durch besondere Präsenz in anderen Phasen aufholen, so gut es uns gelingt. Manchmal auch, indem wir in unseren Jobs eben auf etwas verzichten, genauso wie viele Mamas in ihrem Jobs seit Jahrzehnten auf was verzichten. Aber wir gewinnen ja alle was daraus! Nämlich Kinder, die im besten Fall auch Gutes von uns Papas haben und gar keine altbackenen Rollen mehr kennen, weil sie daheim sie auch gar nicht mehr vorgelebt kriegen.

LEADERSNET: Mit welchen Vorurteilen wollen Sie aufräumen?

Danner: Dass Papas das mit der Kinderbetreuung nicht so gut können. Das ist nämlich schon auch ein Faktor, wenn man Männern das unterbewusst immer suggeriert. Es ist ja oft nett gemeint, wenn man uns Papas die "Arbeit" abnimmt, weil wir vielleicht am Anfang länger zum Babyanziehen, zum Wickeln, Kind baden oder Brei machen brauchen. Und ja, wir machen manches vielleicht auch anders oder umständlicher beim Baden, mit den Windeln, und manches auch himmelschreiend falsch beim ersten Mal. Aber wir kriegen's auch hin. Auch wenn man vielleicht nach einem Papatag einen Waschgang in der Maschine mehr braucht. So what …

LEADERSNET: Was waren ihre schönsten Momente?

Danner: Ich mag es extrem, wenn ich am Abend noch aus einem Buch vorlesen darf, oder wir uns gemeinsam vorm Einschlafen eine Gute Nacht-Geschichte ausdenken. Beim Großen wird das schon zu uncool, da müssen schon ein paar Seiten von Harry Potter her. Aber dann gruseln wir uns halt gemeinsam vor Lord Voldemort. Wenn ich unsere Burschen frage, sagen sie sicher, dass ihr schönster Moment mit mir jetzt in der Pandemie war. Meine Frau wurde in ihrer Arbeit im Büro gebraucht, ich war im Homeschooling bei den Kindern daheim und ein Dreh mit Campino und mit Pizzera & Jaus wurde ganz kurzfristig vorverschoben. Nachdem niemand auf die Kinder aufpassen konnte, hab ich die zwei eingepackt, mitgenommen und sie durften am Set die berühmte Filmklappe machen. Auch das ist halt Realität – und war auch für so einen harten Kerl wie Campino total nachvollziehbar und lustig. Wir Männer müssen eben auch mit ein bisschen mehr Selbstverständlichkeit unsere Papaaufgaben erfüllen und in solchen Ausnahmefällen nicht glauben, die Frau übernimmt dann schon, weil unser Job über dem unserer Frauen stehen würde.

LEADERSNET: Und die größten Herausforderungen, Learnings?

Danner: Schlafmangel, Überforderung, ausgetestete Grenzen: Alles das, was jede Mama auch kennt, wenn wir uns ehrlich sind. Und natürlich auch die Gewissheit, dass im Job manchmal etwas nicht klappt, weil man eben nicht in jeder Minute sofort alles liegen lassen und in der Arbeit sein kann, wenn der Hut brennt, wie das ein kinderloser Mann kann oder einer, der sich von der Kinderbetreuung vollkommen abseilt. Natürlich ist das auch ein Teil der Wahrheit. Aber mir fällt kein guter Grund ein, warum diese Herausforderung nur eine Frau haben soll. (jw)

www.swedenabroad.se

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