Do you like Likes?

In ihrer monatlichen Kolumne, wirft Höllinger, GF  BFI Wien, einen anderen, unerwarteten Blick auf aktuelle Fragen der Digitalisierung. Heute: Was ein „Like“ nicht sagen kann.

Das Internet ist mittlerweile voll von Daumen-hoch-Zeichen – in fast allen digitalen Medien heißt es: „Gefällt mir“; „I like“. Unsere Meinung ist überall gefragt. Wir dürfen partizipieren – uns aktiv einbringen. Kleidung, Urlaubsorte, Events, Fotos, Gedankengänge – alles kann und soll geliked werden.  Man ist regelrecht geneigt, ins Schwärmen zu kommen: Welch schöne Welt der Teilhabe, des Teilens, des Mitteilens, ja sogar des Mitbestimmens. Das Liken wir zum zutiefst demokratischen Instrument! Aber ist es das wirklich?

Ich stehe dem offen gesagt ambivalent gegenüber. Das Liken kann wohl in der Tat für sich verbuchen, eine Form des Hinweisens, eine Form der Meinungsäußerung, eine Form des positiven Feedbacks, der Freude und mehr sein zu können. Natürlich ist es auch ein probates Marketinginstrument. Wobei das nicht sonderlich verwerflich ist, wenn es sich um eine Bedarfsfeststellung oder das ehrliche Bemühen um Kundenfeedback handelt.

Die dunkle Seite des Likes

Aber es gibt auch Schattenseiten, die man nicht außer Acht lassen darf: Es beginnt bei der Kompaktheit des Likens. Kurz und bündig „gefällt mir“ sagen zu können, ist ok. Gleichzeitig lässt diese Verkürzung doch sehr viele Fragen offen.

Das zeigt sich schon an einfachen Beispielen: Das Kleid letztens. Drücke ich mit dem Like Gefallen an der Farbe oder dem Schnitt aus? Ist es die nachhaltige und faire Herstellungsweise? Oder bedeutet mein Like gar „Das steht Dir gut!“? Kurzum: Hinter dem Statement „I Like“ kann schon bei einem einfachen Produkt so viel Verschiedenes an Aussagen stehen. Noch dramatischer wird dieser Effekt beim Liken von Twitter-Botschaften, Artikeln, Kommentaren, Büchern – also dann, wenn mitunter komplexe Gedankengänge transportiert werden. Bewerte ich mit meinem Like den Stil des Beitrags? Drücke ich damit meine  Zustimmung zum Inhalt aus?  Oder heißt mein Like, dass ich den Gedankenimpuls als Anregung zum Diskurs wertvoll finde, obwohl ich dem Inhalt keineswegs zustimme? Oder… Wie Sie sehen, geht mit dem kompakten Like doch Einiges an Information verloren – oder wird im schlimmsten Fall beim „Liken“ erst gar nicht überlegt. Das Like verkommt so mitunter zum schnell dahingegebenen oberflächlichen Feedback, was vielleicht auch dem Zeitgeist immer kürzer werdender Aufmerksamkeitsspannen geschuldet ist.

Die neue Weltwährung: Likes
Ein weiterer kritischer Aspekt ist sicherlich, dass Likes ganz leicht gesammelt und so ganz unterschwellig zum Abstimmungsinstrument – und so zur teuer gehandelten Währung – umgeformt werden können. Unser Likeverhalten hat uns so die /*Sarkasmus on*/ enorme Entdeckung gebracht /*Sarkasmus off*/, dass Katzenbildchen und -filme äußert entzückend sind. Es sei nicht verschwiegen, dass die Zahl der Likes bei manchen Inhalten tatsächlich großes Informationspotenzial hat. Bei Urlaubsquartieren zum Beispiel, wenn man von den eingangs erwähnten Einschränkungen der Verkürzheit einmal absieht.

Wirklich problematisch wird der vermeintliche Abstimmungscharakter des kompakten Likes bei Meinungen und Weltanschauungen. Ziehen wir ein erfundenes Beispiel heran: Wer kürzlich eine Pannenhilfe positiv erlebt hat, ist gewillt einer Autofahrerorganisation ein schnelles Like zuzuwerfen. Kontextbefreit können diese tausenden Likes aber auch für nicht konsensbehaftete Anschauungen wie die Aufhebung aller Tempolimits o.ä. vereinnahmt werden. Und je weiter wir diesen Aspekt auf weltanschauliche Fragen übertragen, umso schwindliger kann einem beim Likes-Zählen werden. Im worst case wird mittels Likes über die Wahrheit abgestimmt: Eine Information, eine Nachricht, aufgrund welchen Motives auch immer geliked kann schnell instrumentalisiert werden. Ganz leicht wird aus „mag ich“ ein „stimmt so“. Je nachdem, was der Likesammler damit tun will. Für mich ist jedenfalls klar: Die Wahrheit kann kein Abstimmungsergebnis sein. Sie ist ein komplexer Geselle, jedenfalls einer, der Sorgfalt, Aufmerksamkeit und Differenziertheit verdient. Es stellt sich daher die Frage, ob wir mit so manchem Like, aktiv verteilt oder passiv erhalten, nicht an einer großen Übung im Populismus teilnehmen. Teilnehmen an der Illusion einfacher Antworten auf komplexe Fragen. Vielleicht sind Likes sogar ein Feedbackinstrument, das uns gleichzeitig den Mund stopft für unsere ausführlicheren Kommentare, Fragen, Gedanken und so eine Illusion von Teilhabe und Mitbestimmung generiert.

Was ist mein Fazit? Nein, ich möchte die Likes nicht abschaffen. Ich sehe den sinnvollen Umgang mit ihnen – im liken und im geliked werden – vielmehr als eine Kompetenz. Diese Kompetenz war zwar schon immer gefordert, aber im digitalen Zeitalter und der Omnipräsenz des Daumen-hoch-Zeichens tritt sie noch mehr in den Vordergrund. Wird zur Notwendigkeit, um nicht ständig nur instrumentalisiert zu werden. Vielleicht ist ja öfters einmal doch ein ausführlicher Kommentar oder ein sorgfältiges Feedback angemessener. Zumindest könnte man sich bei jedem Like fragen, was damit wohl getan werden wird. Daher: I like Likes – aber die hier festgehaltenen Gedankengänge und mehr gehören dazu!

Sie haben spannende Themen zum Spannungsfeld der Digitalisierung, die Sie mit uns teilen möchten? Lassen Sie uns darüber diskutieren. Ich freue mich auf Ihre Zuschriften unter geschaeftsfuehrung@bfi.wien.

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