Handel: Arbeitgeberseite empfiehlt Betrieben freiwillige Erhöhung der Mindestgehälter

| Christoph Aufreiter 
| 17.12.2023

Die Verhandlungen um den Kollektivvertrag sind in der sechsten Runde erneut gescheitert. Die Gewerkschaft spricht von einer "schweren Schädigung der Sozialpartnerschaft".

Die Kollektivertragsverhandlungen für die etwa 430.000 Angestellten und Lehrlinge im Handel sind in der sechsten Runde erneut abgebrochen worden. Nach fast zehn Stunden Verhandlungen konnten sich die beiden Seiten nicht einigen. Die Arbeitgeberseite empfiehlt Betrieben nun eine freiwillige Erhöhung der Mindestgehälter um acht Prozent.

"Nachdem sich die Gewerkschaft bei ihren Forderungen kaum bewegt hat, wäre ein Abschluss mit unabsehbaren wirtschaftlichen Risken einhergegangen, der viele weitere Betriebsschließungen verursacht hätte. Dabei ist der Handel jene Branche, die mit Abstand am stärksten von Insolvenzen betroffen ist", sagt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will in einer ersten Stellungnahme.

"Großer Schaden für Sozialpartnerschaft"

Anders sieht man das naturgemäß bei der Gewerkschaft. "Dieses Vorgehen der Arbeitgeber:innen kommt einer Verhöhnung der Beschäftigten gleich, die nach wie vor nicht wissen, ob sie zum Jahreswechsel eine gesicherte Gehaltserhöhung erhalten und stellt einen großen Schaden für die Sozialpartnerschaft dar. Während wir uns wiederum bewegt haben und einen sozial gestaffelten Abschluss zwischen 9,38 Prozent und 8,58 Prozent vorgelegt haben und auch eine Öffnungsklausel für Betriebe in wirtschaftlichen Schwierigkeiten angeboten haben, blieben die Arbeitgeber:innen bei der Blockadehaltung. Sie wollen offenbar justament nicht, dass Beschäftigte im Handel die Inflation abgegolten bekommen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Arbeitgeber:innen die heutigen Verhandlungen nur pro forma vorgeschlagen haben, um weitere Streikaktionen am Freitag und am Einkaufssamstag zu verhindern", so die Chefverhandlerin der Gewerkschaft GPA, Helga Fichtinger.

Angst vor Insolvenzen

Wie die jüngste KSV1870-Hochrechnung belege, wurde im Handel heuer mit 1.003 insolventen Unternehmen (+17 Prozent) erstmals seit Jahren die Tausendergrenze überschritten, heißt es dagegen vonseiten des Handelsverbands (LEADERSNET berichtete). Weit über 6.400 Geschäfte mussten demnach heuer bereits zusperren. Laut der jüngsten Blitzumfrage des Handelsverbandes werden 39 Prozent der Betriebe das heurige Jahr mit einem Verlust abschließen, weitere 35 Prozent erwarten maximal ein ausgeglichenes Ergebnis. Und: Ein Drittel der Händler:innen befürchtet, 2024 aufgrund der Kostenbelastungen Personal abbauen zu müssen.

Vor diesem Hintergrund habe sich die Arbeitgeberseite nun zur Empfehlung von acht Prozent entschieden, um den Handelsangestellten die Wertschätzung zu zeigen. "Diese Empfehlung der Erhöhung der Mindestgehälter um acht Prozent trägt der Handelsverband vollinhaltlich mit und dankt den Arbeitgeberverhandler:innen für ihr unermüdliches Engagement. Der Entschluss musste in dieser Situation gefasst werden, um Arbeitsplätze im größtmöglichen Ausmaß auch über den Jahreswechsel hinaus nachhaltig abzusichern", so Rainer Will, der Sprecher des österreichischen Handels.

Keine rechtsverbindliche Wirkung

"Die nun angekündigte einseitige Empfehlung von acht Prozent an die Betriebe schafft nur Verunsicherung und wird der Handelsbranche langfristig schaden – die größte Branche schießt sich damit selbst in ein Out – aus dem sie schwer herauskommen wird", ist man hingegen bei der GPA überzeugt. Denn: Dies habe keine rechtsverbindliche Wirkung.

"Wir werden in der kommenden Woche nochmals möglichst viel Beschäftigte über das provokante Verhalten der Arbeitgeber informieren und auch weitere Streiks und öffentliche Aktionen durchführen", so der Vorsitzende des Wirtschaftsbereichs Handel in der GPA Martin Müllauer.

www.handelsverband.at

www.gpa.at

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