Investor IFM Global will Flughafen Wien übernehmen und zettelt Machtkampf an

| Tobias Seifried 
| 18.08.2022

Der Vorstand rät den Aktionären, das Angebot nicht anzunehmen. Insgesamt läuft das Geschäft nach den Pandemiejahren wieder rund.

Die Airports Group Europe S.à r.l., eine indirekte Tochtergesellschaft des IFM Global Infrastructure Fund, hält derzeit 40 Prozent plus neun Aktien an der Flughafen Wien AG (FWAG). Nun wurde bekannt, dass der Investor ein Teilangebot für den Erwerb von weiteren bis zu ca. 9,99 Prozent (insgesamt bis zu 50 Prozent minus einer Aktie) abgegeben hat.

Der Vorstand des Flughafen Wien hat die vom Gesetz geforderte Stellungnahme zum Angebot von IFM ausgearbeitet. Diese wurde durch den bestellten Gutachter geprüft, vom Aufsichtsrat der FWAG einstimmig beschlossen und liegt seit  Donnerstag vor. Der Aufsichtsrat schließe sich der Stellungnahme des Vorstandes vollinhaltlich an. Dabei wird klar, dass ein Machtkampf um den Flughafen entbrannt ist.

Vorstand rät, das Kaufangebot nicht anzunehmen

In dem Schreiben heißt es, dass der Vorstand nach Abwägung der Pro- und Kontra-Argumente den Aktionären empfiehlt, das Kaufangebot nicht anzunehmen. Es stelle zwar grundsätzlich einen Vertrauensbeweis in die Performance der FWAG dar, aber in der Stellungnahme werde begründet, "warum der angebotene Kaufpreis von 33 Euro pro Aktie angesichts der erwartbaren weiteren positiven Entwicklung des aktuell völlig entschuldeten und gut performenden Unternehmens als zu gering eingeschätzt wird." So würde das Angebot abzüglich der nach der aktuellen Guidance bei 0,75 Prozent zu erwartenden Dividende für 2022 nicht nur rund 5 Prozent unter dem tiefsten Schlusskurs 2019, sondern sogar rund 20 Prozent unter dem höchsten Schlusskurs 2019 liegen.

Zudem sehe der Vorstand die Gefahr, dass bei Annahme des Angebots die Liquidität und damit die Handelbarkeit der Aktie weiter eingeschränkt werden, was schließlich zu einem von Vorstand und Aufsichtsrat unerwünschten Abgang (Delisting) der FWAG-Aktie von der Börse führen könnte. Der Interessenverband für Anleger (IVA) rät den langjährigen Anleger:innen laut der Stellungnahme ebenfalls von der Annahme des Angebots ab. Die Stadt Wien und das Bundesland Niederösterreich halten jeweils 20 Prozent am Flughafen und dürften kein Interesse am Verkauf oder vom Verschwinden von der Börse haben. Letzteres gilt auch für die Mitarbeiterstiftung. Ob Kleinaktionäre ihre Anteile verkaufen wollen, wird sich zeigen.

Am 18. August 2022 wurden jedenfalls die vollständigen Stellungnahmen von Vorstand, Aufsichtsrat und Sachverständigem auf der Flughafen-Website sowie die entsprechende Hinweisbekanntmachung im Amtsblatt der Wiener Zeitung veröffentlicht. 

Erfreuliche Halbjahresbilanz

Am Donnerstag hat der Flughafen Wien auch seine Halbjahresbilanz 2022 präsentiert. Gegenüber dem aufgrund der Pandemie von einem niedrigen Verkehrsniveau geprägten ersten Halbjahr 2021 legten die Verkehrszahlen der offiziellen Bilanz zufolge im ersten Halbjahr 2022 stark zu: Von Jänner bis Juni 2022 sei das Passagieraufkommen in der Flughafen-Wien-Gruppe inklusive der Auslandsbeteiligungen Malta Airport und Flughafen Kosice auf insgesamt 11.772.582 Passagiere (+391,8 Prozent) gestiegen. Am Standort Wien sei die Zahl der Passagiere auf 9.237.544 (+369,7 Prozent) gestiegen. Die Zahl der Flugbewegungen hätte von Jänner bis Juni 2022 auf 81.017 Starts und Landungen zugelegt. Die durchschnittliche Auslastung (Sitzladefaktor) habe sich im Vorjahresvergleich von 52,8 Prozent auf 71,6 Prozent erhöht. Anders sehe es beim Frachtaufkommen (Luftfracht und Trucking) auf. Dieses sei im Vergleich zum Vorjahr auf 123.900 Tonnen (-0,7 Prozent) gesunken.

"Nach schwierigen zwei Jahren lässt die stark gestiegene Urlauber-Reiselust das Geschäft der Flughafen-Wien-Gruppe wieder ordentlich brummen. Die Reisewilligkeit der Österreicher ist fast wieder auf Vorkrisenniveau. Das Resultat zum 30.6. im Vorjahresvergleich: Deutlich gestiegene Passagierzahlen, eine Verdopplung beim Umsatz und massive Verbesserungen bei EBITDA, EBIT und Nettoergebnis. Auch der Ausblick auf den Rest des Jahres bleibt positiv. Da die Flughafen Wien AG praktisch schuldenfrei ist, haben wir auch die notwendige wirtschaftliche Kraft, coronabedingt aufgeschobene Investitionen jetzt wieder anzugehen. So wird der Flughafen Wien 2023 als ein Vorreiter zum Green Airport und wird seinen Betrieb künftig CO2-neutral führen. Unsere große PV-Anlage liefert dabei auch einen Beitrag zur Versorgungssicherheit, an sonnigen Tagen erzeugen wir so den gesamten Stromverbrauch selbst", sagt Günther Ofner, Vorstand der Flughafen Wien AG, der seit kurzem auch Aufsichtsratschef der ÖBAG ist (LEADERSNET berichtete).
 
Julian Jäger, Vorstand der Flughafen Wien AG, lobt vor allem das gesamte Flughafenteam: "Nach den Krisenjahren 2020 und 2021 legen die Passagierzahlen heuer deutlich zu. Im Juli erreichten wir mit 2,8 Mio. Fluggästen bereits 87,7Prozent des Vorkrisenniveaus, in den Spitzenzeiten sogar fast 90 Prozent. Für 2022 erwarten wir rund 22 Mio. Reisende am Standort Wien, das entspricht etwa 69 Prozent des Jahres 2019. Gerade im internationalen Vergleich hat der Flughafen Wien nicht nur die Krise, sondern auch den Restart mit den starken Passagierzuwächsen vor allem in der Hauptreisezeit sehr gut und ohne nennenswerte Unregelmäßigkeiten gemeistert. Das ist vor allem allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Flughafen Wien, vor allem in der Passagier- und Gepäckabfertigung, der Sicherheitskontrolle, dem Terminalbetrieb sowie unseren Systempartnern zu verdanken, die hier täglich größten Einsatz bringen. Das wird auch anerkannt: Der weltweite Flughafenverband ACI hat den Flughafen Wien zum 'Best Airport in Europe 2022' gewählt".

www.viennaairport.com

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