"Die Politik darf Unternehmen auf ihrem Weg in eine nachhaltigere Zukunft nicht allein lassen"

Laut dem Deloitte Sustainability Check bleiben die Klimaziele beim aktuellem Tempo unerreichbar. Viele Betriebe sind sich dem Handlungsbedarf zwar bewusst, unterschätzen dabei jedoch den damit einhergehenden Aufwand sowie die Kosten. LEADERSNET.tv fragte bei Expert:innen nach, wie eine nachhaltige Transformation der Wirtschaft dennoch gelingen kann.

Auch wenn das Thema aktuell von anderen Krisen überschattet wird, ist der Klimawandel laut zahlreichen Expert:innen die zentrale Herausforderung unserer Zeit. Das macht die Auseinandersetzung mit der eigenen Nachhaltigkeit auch für österreichische Unternehmen unabdingbar. Laut einer repräsentativen Studie von Deloitte Österreich und Sora (siehe Infobox) ist das den Betrieben zwar bewusst, der damit einhergehende Aufwand werde aber massiv unterschätzt. LEADERSNET war bei der Präsentation der Ergebnisse dabei.

Bewusstsein ist da, aber...

"Der Klimawandel hinterlässt seine Spuren auch in der Wirtschaft: Der Anteil jener Betriebe, die ihr Geschäftsmodell von der Klimakrise beeinflusst sehen, hat sich im vergangenen Jahr mit einem Sprung von 24 Prozent auf 55 Prozent mehr als verdoppelt. Das verdeutlicht nicht nur den Schweregrad des Problems, auch die Notwendigkeit angepasster Betriebsabläufe und Geschäftsstrategien rückt damit in den Fokus", betont Christoph Obermair, Partner und Sustainability Lead bei Deloitte Österreich.

Gegenüber LEADERSNET.tv fasst Obermair die Ergebnisse so zusammen: "Gesamt gesehen, ist bei den Unternehmen ein unglaubliches Bewusstsein da, dass es Handlungsbedarf gibt, um die Wettbewerbsfähikgeit zu erhalten. Andererseits kommt aber auch klar heraus, dass den Betrieben noch nicht bewusst ist, wie viel sie dafür investieren und was sie alles tun müssen, um diesen Schritt auch zu gehen." Unternehmen seien zwar sehr wohl vorbereitet, es fehle ihnen aber noch die strategische Ausrichtung, um die vorhandenen Lücken zu schließen, so der Experte.

Unternehmen unterschätzen Aufwand und Kosten

Weiters zeigt die Studie, dass die Mehrheit der Befragten dem Thema Nachhaltigkeit einen hohen Stellenwert für den Unternehmenserfolg zuschreibt. Rund neun von zehn Betrieben (88 Prozent) erachten Nachhaltigkeit als wichtigen Faktor für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit. Gleichzeitig sehen auch ganze 82 Prozent eine wesentliche Mitschuld an der Klimakrise bei sich. Dennoch mangelt es vielerorts an einer entsprechenden strategischen Ausrichtung: 52 Prozent haben keine Strategie zur Reduktion der eigenen CO2-Emmissionen – ein besorgniserregendes Ergebnis angesichts der gebotenen Dringlichkeit.

"Auch, wenn das Bewusstsein hoch ist: Solange die Hälfte der Unternehmen ihren Worten keine Taten folgen lässt, bleiben die Klimaziele in unerreichbarer Ferne. Angesichts des schleppenden Tempos bekommt man fast den Eindruck, als hätte sich Österreich davon bereits verabschiedet", bestätigt Alfred Ripka, Partner und ESG-Experte bei Deloitte Österreich. Gegenüber LEADERSNET.tv fügte er hinzu: "Viele Unternehmen sind vorbereitet, aber dennoch muss man klar sagen, dass noch einiges zu tun ist. Ich glaube, dass vor allem die großen Kapitalgesellschaften das Jahr 2024 sehr intensiv dazu nutzen müssen, um Systeme, Prozesse, usw. auf die zukünftigen Reporting-Anforderungen vorzubereiten."

Auch in Hinblick auf die geplanten Kosten müssten die Unternehmen aufschließen. Ein Großteil der Betriebe habe in den kommenden fünf Jahren nicht mehr als 500.000 Euro für die Reduktion ihrer CO2-Emmissionen vorgesehen. Glaubt man den Schätzungen der Europäische Kommission, ergibt sich für Österreich ein jährlicher Investitionsbedarf von etwa 5,5 Milliarden Euro bis 2030.

"Wenn man die geplanten Investitionen der österreichischen Wirtschaft hochrechnet, kommt man allerdings nur auf eine Summe von 2,3 Milliarden Euro jährlich – das entspricht nicht einmal der Hälfte der EU-Schätzungen. Diese Lücke von 3 Milliarden kann vermutlich nur geschlossen werden, wenn die Unternehmen ihre Pläne deutlich ausweiten und darüber hinaus die öffentliche Hand selbst massiv investiert", erklärt Sora-Geschäftsführer Christoph Hofinger.

Druck von außen steigt

Nichtsdestotrotz steige der Druck auf die Unternehmen. Vor allem von Geschäftskundenseite (31 Prozent), aber auch von Privatkund:innen sowie von Endverbraucher:innen (21 Prozent) werden nachhaltigere Geschäftspraktiken eingefordert. Und auch die Corporate Sustainability Reporting Directive – kurz CSRD – sitze laut den Expert:innen den österreichischen Betrieben im Nacken. Die EU-weite Richtlinie verpflichtet die Unternehmen zur Offenlegung ihrer Nachhaltigkeitsdaten. Die Vorbereitungen dafür laufen bereits.

"Laut der repräsentativen Umfrage befinden sich fast zwei Drittel mitten im Planungsprozess, weitere 13 Prozent haben diesen bereits abgeschlossen. Damit liegen die heimischen Unternehmen an sich gut in der Zeit", ergänzt Alfred Ripka. Mit 56 Prozent sieht die Mehrheit der Befragten eine generelle Nachhaltigkeitsberichterstattung als positiv und notwendig an. Eine breite Zustimmung, die überrascht: "Die positive Stimmung hängt aus unserer Erfahrung aber auch mit einem generellen Unterschätzen der Berichtspflicht zusammen. Die Komplexität der Datenerhebung und der Grad der erforderlichen Präzision ist vielen noch nicht bewusst", analysiert der Experte.

Umfassende Maßnahmen notwendig

Um die nachhaltige Transformation der Wirtschaft voranzutreiben, reicht der Druck von außen aber nicht aus. Was jetzt unabdingbar ist, ist die rasche Umsetzung effektiver Maßnahmen auf allen Ebenen. Von den Unternehmen braucht es die strategische Verankerung ihrer Nachhaltigkeitsziele. Und der Gesetzgeber muss klare Vorgaben schaffen, an denen sich die Wirtschaft orientieren kann.

Auf die LEADERSNET.tv-Frage, wie man am besten für zielführenden Wandel in Sachen Nachhaltigkeit ansetzt, sagt Sabine Schellander, Co-Head of Sustainability Greiner AG: "Ich glaube man muss sehr breit und ganz oben ansetzen. Zunächst braucht man das Commitment vom Eigentümer, vom Vorstand und von der obersten Management-Ebene. Dann muss man sich wirklich auch nach unten arbeiten, bis hin zum:r letzten Mitarbeiter:in. Unternehmen müssen also das Bottom-Up und das Top-Down verankern, sowie viele Maßnahmen setzen, um wirklich alle zu erreichen und die unterschiedlichen Zielgruppen dementsprechend ins Boot holen zu können."

"Auch die Politik ist jetzt gefordert. Sie darf die Unternehmen auf ihrem Weg in eine nachhaltigere Zukunft nicht allein lassen. Die Bereitstellung finanzieller Mittel in Form von zielgerichteten Förderungen ist in diesem Zusammenhang das Um und Auf, um die hohen Kosten der Transformation zu stemmen. Nur so kann nachhaltiges Wirtschaften langfristig zur Normalität in Österreich werden", so Christoph Obermair abschließend.

Weitere Expert:innen vor der Kamera

LEADERSNET.tv fragte neben Christoph Obermair, Alfred Ripka und Sabine Schellander auch noch bei Jakob Mayr, Programm Manager Sustainable Finance WWF Österreich, Herbert Tempsch, Senior Advisor to the Head of Corporates UniCredit Bank Austria AG, Stefan Sengelin, Bundesministerium für Klimaschutz und Moderatorin Corinna Milborn zum Thema nach.

Fotos von der Veranstaltung sehen Sie in unserer Galerie.

www.deloitte.com/at

www.sora.at

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Über den Sustainability Check

Im Rahmen einer Studie hat Deloitte in Zusammenarbeit mit dem Sozialforschungsinstitut Sora 413 österreichische Unternehmen zu ihren Bestrebungen im Bereich Nachhaltigkeit befragt.

Das Ergebnis des "Sustainability Checks": Zwar steigen sowohl das Bewusstsein für die Thematik als auch die eigene Betroffenheit, insgesamt passiert aber viel zu wenig, um die im Pariser Abkommen definierten Klimaziele zu erreichen.

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Über den Sustainability Check

Im Rahmen einer Studie hat Deloitte in Zusammenarbeit mit dem Sozialforschungsinstitut Sora 413 österreichische Unternehmen zu ihren Bestrebungen im Bereich Nachhaltigkeit befragt.

Das Ergebnis des "Sustainability Checks": Zwar steigen sowohl das Bewusstsein für die Thematik als auch die eigene Betroffenheit, insgesamt passiert aber viel zu wenig, um die im Pariser Abkommen definierten Klimaziele zu erreichen.

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