Raus aus der Schuldenpolitik

| Redaktion 
| 19.03.2023

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

Wenn Menschen für ihre Anliegen auf die Straße gehen, dann tragen sie gern Banner und Plakate mit sich – auf meinem Transparent zum Thema Schuldenpolitik stünde "Sparen ist angesagt! Schwarze Null!" Warum? Die Niedrigzinsphase der Vergangenheit hat es den Staaten sehr einfach gemacht, Schulden aufzunehmen. Dann kam die Corona Pandemie und es wurden Füllhörner an Subventionen und Unterstützungen ausgeschüttet, frei nach dem Motto "wer will noch mal, wer hat noch nicht". Ein objektives Gefühl für Millionen und Milliarden ging damit bei den Staaten aber auch den Menschen endgültig verloren.

"Sparen lohnt sich"

Nun haben wir mit den daraus resultierenden und extrem negativen Folgen zu kämpfen, denn plötzlich steigen die Zinsen wieder (angeblich vollkommen überraschend) und die Nullzinspolitik ist zu Ende. Vorab ein positiver Aspekt dieser Zinswende, der mich als gebürtigen Schwaben ganz besonders freut: Sparen lohnt sich erstmals seit den 2000er-Jahren wieder, wenn auch manche Banken mit den Habenzinsen viel zu langsam nachziehen. Besonders clevere Sparer:innen erreichen z. B. in den USA sogar über 6 Prozent, Tendenz steigend. Die Zinssteigerungen, das sei hier nebenbei auch angemerkt, sind ja nicht primär die Ursache der Inflation, sondern die Reaktion darauf. Und so ist der Aufschrei vieler Staaten, aber auch Privater, laut, plötzlich Zinsen zahlen zu müssen, denn ganze Generationen haben sich daran gewöhnt und sich von "billigem Geld" abhängig gemacht.

"Sparen, Sparen, Häuslebauen"

So wurden Kreditvereinbarungen mit flexiblem Zinssatz abgeschlossen, nur um bei einem ohnehin schon niedrigen Zinssatz noch weitere 0,5 Prozent zu sparen, um einen Lebensstandard aufrecht zu erhalten, den man sich eigentlich nicht leisten kann. Von denjenigen, denen dies nun auf den Kopf fällt, hört man lautes Jammern, doch dafür fehlt mir jegliches Verständnis. Ebenso befremdlich scheinen mir Beschwerden darüber, 20 Prozent Eigenkapital der Finanzierung aufbringen zu müssen, um einen Kredit zu bekommen. Ich verstehe natürlich die konkreten Sorgen der Menschen, die in solche Situationen gekommen sind. Blickt man aber in die 1980-er Jahre zurück, dann waren Eigenkapitalvoraussetzungen und Kreditzinsen um einiges höher, trotzdem haben es die Menschen geschafft, Eigentum zu erwerben. Nicht, weil früher alles so viel besser war, sondern weil man sich vielleicht an anderer Stelle zurückgehalten hat. Heutzutage ist es halt gänzlich aus der Mode geraten, zuerst zu sparen und dann das Geld auszugeben. So, wie es in schwäbischen Haushalten früher galt: "Sparen, Sparen, Häuslebauen".

Auf nationaler Ebene erheben nun vor allem jene Staaten ihre Stimme, die schuldenmäßig immer schon weit über EU- und anderen Defizitkriterien gelebt haben. Sie rufen laut nach einer Schuldenallianz, weil ihnen die Zinsen über den Kopf wachsen. So bitter es für diese Staaten auch sein mag: an einer Umkehr zu einer Spar- und restriktiven Schuldenpolitik führt kein Weg vorbei. Die lockere Geldpolitik hat nicht nur zur Bankenkrise 2008 und der jetzigen Wirtschaftskrise geführt, sondern vor allem auch dazu, dass wir auf Kosten künftiger Generationen leben – und das mit noch unabsehbaren Folgen. Und wir stehen aktuell vor der realen und problematischen Situation, dass uns Geld für dringend benötigte Zukunftsprojekte fehlt. Ein "weiter wie bisher" ist vor diesem Hintergrund schlicht nicht möglich.

Schwerer Schritt

Ja, dieser Schnitt wird für einige Staaten und auch Private absolut schwer werden, doch da müssen sie nun durch. Denn die Problematik der Schuldenpolitik zieht ja noch viel weitere Kreise. Verzeihen Sie mir, wenn ich generalisiere: Wir haben ganze Generationen erzogen, für die Geld nie wirklich ein Problem, sondern stets vorhanden war. Ein wirtschaftlich-finanzielles Verständnis kann so gar nicht entstehen, darüber hinaus ist dadurch das Vertrauen in die Finanzwirtschaft, vor allem beim Auftauchen von Problemen sehr volatil oder in letzter Konsequenz gar nicht mehr vorhanden, wenn plötzlich kein Geld mehr da ist. Prominente Beispiele dafür sind die erst letzte Woche in die Insolvenz geschlitterte Silicon Valley Bank, bis dahin die 17. größte Bank der USA, oder die Schweizer Großbank Credit Suisse, die ebenso zu kämpfen hat. Die Hauptursache dafür ist ein Run der Sparer:innen auf die Banken, die das Vertrauen in die Institutionen verloren hatten – Vertrauen nämlich in das Vorhandensein von Geld, ihres Geldes.

Es ließe sich hier noch einiges dazu auszuführen, aber mein Punkt ist, dass wir Geld nicht als etwas Selbstverständliches betrachten dürfen, sondern uns wieder mehr von dem Grundsatz leiten lassen sollten, nicht mehr auszugeben, als man hat. Für die 239-jährige Firmengeschichte und das Bestehen von JTI Austria hat diese Art zu Wirtschaften ein solides Fortkommen ermöglicht. So könnte auch das verloren gegangene Vertrauen zurückgewonnen werden, und alle – jede:r einzelne, der Staat und vor allem künftige Generationen – könnten ruhiger schlafen, ohne Sorgen vor dem Morgen.

www.jti.com


Kommentare auf LEADERSNET geben stets ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors bzw. der jeweiligen Autorin wieder, nicht die der gesamten Redaktion. Im Sinne der Pluralität versuchen wir unterschiedlichen Standpunkten Raum zu geben – nur so kann eine konstruktive Diskussion entstehen. Kommentare können einseitig, polemisch und bissig sein, sie erheben jedoch nicht den Anspruch auf Objektivität.

Entgeltliche Einschaltung

Kommentar schreiben

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV