Ferraris erstes SUV lässt den 12-Zylinder noch einmal hochleben

| Tobias Seifried 
| 14.09.2022

Der "Purosangue" will eigentlich kein SUV sein - die Italiener setzen auf Power, Luxus und gegenläufig öffnende Türen.

Ferrari zählte bisher zu den wenigen Autobauern, die sich dem SUV-Trend widersetzten. Doch nun bringt auch die italienische Sportwagenmarke ihr erstes Fahrzeug dieses Segments auf den Markt. Aus wirtschaftlicher Sicht ist dieser Schritt nachvollziehbar und wohl auch sinnvoll. Denn bei vielen Luxus- und Sportwagenmarken sind SUVs mittlerweile die meistverkauften Modelle und spülen ordentlich Geld in die Kassen. Konkurrenten wie Lamborghini (Urus), Aston Martin (DBX), Bentley (Bentayga), Porsche (Cayenne und Macan), Maserati (Levante und Grecale) oder Roll Royce (Cullinan) bieten schon länger solche Crossovermodelle an.

Im April hat Ferrari die Präsentation des Purosangue (deutsch: Vollblut) für diesen Sommer angekündigt, gleichzeitig tauchten auch geleakte Fotos auf (LEADERSNET berichtete). Nun hat auch das offizielle Warten für Fans der Marke ein Ende. Denn am Dienstag wurde das erste Ferrari-SUV, das eigentlich gar keines sein will, am Firmensitz in Maranello enthüllt.

Ferrari PurosangueFerrari Purosangue © Ferrari

Wie die Fotos und das Video zeigen, haben die Designer:innen viel dafür getan, dass der Purosangue nicht wie ein klassisches SUV aussieht. Der Newcomer wirkt eher wie ein hochgelegter Shooting Brake, was ganz gut passt, da er auch den GTC4Lusso beerbt. Trotz der ungewohnten Proportionen ist das Fahrzeug sofort als Ferrari erkennbar. Bei den Abmessungen (noch nicht veröffentlicht) dürfte er sich ebenfalls mit Urus, Cayenne & Co auf Augenhöhe bewegen. Zudem ist das Vollblut das erste Modell der Marke mit vier Türen. Doch auch hier haben sich die Italiener etwas Besonderes einfallen lassen. Die Fondportale sind nämlich – wie bei Rolls Royce – hinten angeschlagen und ermöglichen einen äußerst komfortablen Einstieg.

Ferrari PurosangueFerrari Purosangue © Ferrari

Optik

An der Front sind die extrem schmalen Scheinwerfer sehr markant gestaltet. Die Schürze wird von einem großen Lufteinlass dominiert, in dessen Zentrum das Logo – ein springendes Pferd (Cavallino Rampante) - sitzt. Darüber hinaus findet sich ein gelb hinterlegtes Emblem im schmalen Steg vor der Motorhaube. Auffälligstes Merkmal am Heck ist ein in die Abrisskante integriertes Leuchtenband, das die beiden Rückleuchten miteinander verbindet. Auch die vierflutige Abgasanlage sticht sofort ins Auge. Die Silhouette wird von kurzen Überhängen, markanten Schwellern, eingezogener Taille, ausgestellten Radhäusern, großen Rädern (vorne 22, hinten 23 Zoll) sowie der nach hinten abfallenden Dachlinie geprägt. Die vorderen Türschnallen haben die Designer bündig integriert. Da die Fondportale elektrisch öffnen, fehlen sie hinten völlig. Hinter der ebenfalls elektrisch öffnenden Heckklappe wartet ein 473 Liter großer Kofferraum.

Ferrari PurosangueFerrari Purosangue © Ferrari

Cockpit

Im Cockpit geht es sehr modern zu, was aber keine Überraschung ist. Denn auch in den Sportwagen und Hypercars wie dem SF90 Stradale oder der 296-Reihe ist die volle Digitalisierung längst eingezogen. Optisch hebt sich das Armaturenbrett des Purosangue jedoch deutlich von seinen flachen Brüdern ab. Es wird nämlich fast eins zu eins auf der Beifahrerseite gespiegelt. Passend dazu blicken die Co-Piloten auf ein 10,2-Zoll-Display, das auf Wunsch die identischen Inhalte des virtuellen Kombiinstrumentes hinterm Lenkrad anzeigt. Apple CarPlay, Android Auto und eine induktive Handyladeschale sind ebenfalls serienmäßig an Bord. Anstatt klassischer Hebel werden Funktionen wie Blinker oder Licht direkt übers Lenkrad bedient. Die groß dimensionierten Schaltpadells sind fix verbaut und drehen sich somit nicht mit. Für die Steuerung der Komfortfunktionen gibt es einen versenkbaren Drehknopf in der Mitte des Armaturenbretts; die Mittelkonsole wird von der Schaltkulisse aus Metall dominiert. Zwischen den beiden Einzelsitzen im Fond, die sich optisch stark an den Vordersitzen orientieren, gibt es ebenfalls einen versenkbaren Drehknopf mit Touchbedienfeld. Über diesen können die hinteren Passagiere Komfortfunktionen (Sitzverstellung, -heizung, -beleuchtung, etc.) steuern. Neben edlen Materialien wie Leder, Metall, Aluminium und Carbon verbaut Ferrari auch recycelte Rohstoffe.

Ferrari PurosangueFerrari Purosangue © Ferrari

Antrieb

Unter der langen Haube gibt es eine Überraschung. Während im Vorfeld stark davon ausgegangen wurde, dass der Purosangue von einem V6 oder V8 mit Elektrounterstützung angetrieben wird, feiert Ferrari noch einmal den 12-Zylinder ab. Konkret handelt es sich dabei um das 6,5-Liter-Sauger-Triebwerk mit 65-Grad-Bankwinkel und Trockensumpfschmierung aus dem 812. Für das SUV wurde die Leistung jedoch etwas angepasst. Mit seinen 724 PS steht das Auto ziemlich gut im Futter. Der rote Bereich beginnt bei 8.250 U/min, 2.000 Touren früher stehen die vollen 716 Newtonmeter bereit. Für die Kraftübertragung an alle vier Räder zeichnet ein Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe verantwortlich, das in Transaxle-Bauweise an der Hinterachse sitzt und in 200 Millisekunden den nächsten Gang reinhämmert. Dementsprechend fallen auch die Fahrleistungen aus: Trotz eines Leergewichts von etwas über zwei Tonnen, sprintet das Vollblut in 3,3 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 und in knapp über zehn auf 200 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit gibt Ferrari mit 312 km/h an.

Das heckbetont ausgelegte Allradsystem ist eine Weiterentwicklung aus dem GTC4Lusso und wird mit der Software-Ansteuerung aus dem SF90 Stradale kombiniert. Hinzu kommen die Allradlenkung des 812 Competitione sowie das hauseigene Fahrdynamiksystem "Ferrari Active Suspension Technology" (FAST). Diese Technologien soll dafür sorgen, dass der Purosangue nicht nur längsdynamisch eine gute Figur macht, sondern auch für die rasante Zeitenjagd am Track geeignet sein soll.

Fazit und Verfügbarkeit

Mit dem Purosangue steigt Ferrari spät aber doch ins nach wie vor boomende Segment der absoluten Luxus-SUVs ein. Ob sich der Newcomer zum meistverkauften Modell der Marke entwickelt, muss sich erst zeigen. Die Chancen stehen jedenfalls nicht schlecht. Denn in den USA, China und VAE sind diese Fahrzeuge trotz hohen Energiepreisen und Klimadiskussion heiß begehrt und wichtige Statussymbole. Wenn dann noch das Cavallino Rampante im Grill thront, dürfe das umso mehr zutreffen.

Interessenten müssen sich aber noch etwas gedulden. Laut Ferrari kommt der Purosangue im zweiten Quartal 2023 auf den Markt. Preise wurden noch nicht verraten. Unter 350.000 Euro dürfte sich in Österreich aber nichts abspielen.

www.ferrari.com