Tests zeigen großes Effizienzpotenzial
Rekuperation kann Reichweite von Elektroautos deutlich erhöhen

| Tobias Seifried 
| 03.04.2024

Wie zwei Tests mit drei bzw. 19 Stromern zeigen, bietet die Rückgewinnung von Bremsenergie großes Effizienzpotenzial. Die Effektivität hängt jedoch von verschiedenen Faktoren ab.

Ein großer Pluspunkt von Elektroautos gegenüber Verbrennern ist ihre deutlich besser Effizienz. Während bei Benziner oder Dieselautos nur rund 40 Prozent der eingesetzten Energie in Vortrieb umgewandelt werden, können es bei Stromern über 80 Prozent sein. Neben der optimalen Nutzung der eingesetzten Energie beim Fahren haben E-Fahrzeuge aber noch einen weiteren Vorteil: Sie gewinnen beim Bremsen Energie zurück, wodurch sich die Reichweite steigern lässt. Doch wie groß ist das Effizienzpotenzial dabei wirklich?

Bis zu 50 Prozent

Dieser Frage sind nun der ÖAMTC und dessen deutsches Pendant, der ADAC, auf den Grund gegangen. Im Rahmen einer umfangreichen Untersuchung, bei der ein Dacia Spring, ein Tesla Model Y und ein BMW i7 zum Einsatz kamen, haben die Mobilitätsclubs die Effizienz und Vorteile der sogenannten Rekuperation genauer unter die Lupe genommen. "Je nach Fahrzeugmodell können bis zu 50 Prozent der bei einer Fahrt verwendeten Energie beim Bremsen durch die Rekuperation zurückgewonnen werden", fasst ÖAMTC-Techniker Florian Merker das Ergebnis zusammen. "Dadurch wird nicht nur die Reichweite erhöht, sondern auch die Umweltbelastung durch Bremsenabrieb signifikant reduziert."

Bei dem Test wurden die drei Elektroautos auf dem Prüfstand auf eine Reise mit bis zu zehn Prozent Steigung auf einen Berg und wieder hinunter geschickt. Als Teststrecke galt als Vorlage der Kesselberg in Deutschland nahe der Grenze zu Österreich. Während einer realen Fahrt den Berg hinauf und wieder herunter wurde das Geschwindigkeits- sowie das Höhenprofil aufgezeichnet. In einem zweiten Schritt wurden die per GPS aufgezeichneten Daten so angepasst, dass die reale Strecke auf dem Prüfstand umgesetzt werden konnte, teilten die Mobilitätsclubs mit. Laut ÖAMTC und ADAC beliefen sich die Strecken bergauf und bergab auf jeweils ca. 5,5 Kilometer. 

Während der kleine und vergleichsweise leichte Dacia bergauf mit guten 26 kWh auf 100 km noch nicht allzu viel Strom verbrauchte, benötigten die deutlich schwereren Elektrofahrzeuge von Tesla und BMW knapp 50 bzw. 60 kWh pro 100 km, um auf den Berg zu gelangen. Bei der anschließenden Testfahrt zeigte der Bordcomputer negative Verbräuche an. Das Model Y und der i7 fahren in der Studie mit -17,6 bzw. -26,3 kWh auf 100 km den Berg hinunter. Im Vergleich dazu kommt der Spring auf "nur" -7,1 kWh auf 100 km.

Rekuperation von E-Autos
© ÖAMTC

Die Effektivität der Rekuperation hängt den Experten zufolge von verschiedenen Faktoren ab. "Zum einen spielt das Gewicht des Fahrzeugs eine Rolle: Schwere Autos können mehr Energie beim Bremsen zurückgewinnen, da mehr Masse in Bewegung ist", erläutert Merker. Zum anderen sei die Leistung des Elektromotors entscheidend – je leistungsstärker der Motor ist, desto mehr Strom könne er erzeugen und wieder in den Akku einspeisen. Darüber hinaus würde die Studie deutlich zeigen, dass vor allem innerorts, also bei niedrigen Geschwindigkeiten und vielen Bremsmanövern, am meisten Energie zurückgewonnen werden kann. So habe selbst das schlechteste Fahrzeug im Test hier immer noch 15 Prozent zurückgewinnen können. Anders sehe es auf der Autobahn aus, da dort der Anteil an Bremsmanövern pro gefahrenen Kilometern deutlich zurückgeht.

Intelligente Nutzung als Um und Auf

Florian Merker zufolge sei vor allem die intelligente Nutzung von Rekuperation und mechanischer Bremse entscheidend: "Es sollte so viel Energierückgewinnung wie möglich und so viel mechanische Bremse wie nötig genutzt werden, um Korrosion vorzubeugen." Auch deshalb empfehlen die Mobilitätsclubs Elektroauto-Fahrer:innen, vorausschauend zu fahren und die Rekuperationsstärke bewusst einzustellen.

Es sei unbestritten, dass Rekuperation ein wichtiger Schritt in Richtung nachhaltiger Mobilität ist und zur Steigerung der Energieeffizienz von Elektroautos beiträgt, zeigen sich die Tester:innen überzeugt. Der ÖAMTC setzt sich laut eigenen Angaben auf den unterschiedlichsten Ebenen dafür ein, dass Autobauer die Potenziale der Rekuperation weiter optimieren und die Vorteile dieser Technologie für eine umweltfreundliche Zukunft zusehends nutzen. "Ein Punkt ist uns diesbezüglich besonders wichtig: Auch bei Elektrofahrzeugen muss künftig vermehrt auf Leichtbau gesetzt werden, da der Energieverbrauch zum Beschleunigen der großen Masse schwerer wiegt als die Vorteile der Rekuperation", hält Merker abschließend fest.

Weiterer Test 

Das europäische Verbraucherschutzprogramm Green NCAP, bei dem der ÖAMTC ebenfalls an Bord ist, hat auch Messungen zur Rekuperation von Elektrofahrzeugen durchgeführt. Insgesamt wurden 19 Fahrzeuge verschiedener Hersteller getestet. Auch wenn nur eine Stichprobe der am Markt verfügbaren Fahrzeuge beim Test dabei waren, sei laut den Tester:innen ein guter Querschnitt des aktuellen Marktes vertreten.

Rekuperation von E-Autos© GreenNCAP

Laut den Ergebnissen gewinnen alle Elektroautos im Durchschnitt rund 20 Prozent der Energie zurück, die sie vorher zum Fahren investiert haben. Ganz vorne landeten das schwerste und am stärksten motorisierte Auto, der Nio ET 7, sowie der aerodynamisch designte Hyundai Ioniq 6 mit ca. 30 Prozent. Der leichte und sehr schwach motorisierte Dacia Spring konnte im Gegensatz nur knapp zehn Prozent rekuperierte Energie zurückgewinnen, womit die Erkenntnisse vom anderen Test bestätigt werden. Gleiches gilt für die verschiedenen Fahrszenarien (Stadt oder Autobahn).

www.oeamtc.at

www.greenncap.com

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