"Bin ich noch zu Höchstleistungen fähig?"

Gastkommentar von Rudolf X. Ruter, Experte für Corporate Governance und Nachhaltigkeit, Buchautor und Mitglied in diversen Aufsichtsgremien.

Um einen Platz in einem Aufsichtsrat kann und sollte man sich nicht bewerben. In ein Aufsichtsgremium wird man nur bei ausreichender fachlicher und persönlicher Qualifikation berufen. Losgelöst von allen eigenen fachlichen Qualifikations- und persönlichen Kompetenzvoraussetzungsfragen, muss sich aber am Anfang jeder potenzielle Kandidat ‚die‘ zentrale Frage stellen: ‚Warum will ich Beirat oder Aufsichtsrat werden?‘

Will ich nur oder kann ich auch?

Warum will ich Beirat oder Aufsichtsrat werden? Was sind meine originären Gründe und Antriebe? Warum will ich nicht meine wohlverdiente dritte Lebenshälfte mit Rosenzüchten, Golfspielen und Reisen verbringen? Passen zukünftige Aufsichtsmandate in meine grundsätzliche Karriere-End- und Lebensplanung? Will ich nur oder kann ich auch? Ganz im Sinne vom deutschen Komiker Karl Valentin (1882 – 1948): "Kunst kommt von können, nicht von wollen, sonst müsste es ja Wunst heißen." Oft hört man auch "Die es können, wollen nicht, und die wollen, können es nicht". Als Beirat oder Aufsichtsrat sollte man mit der Selbsteinschätzung seiner Fähigkeiten und Erwartungen immer fest auf dem Boden der Realität stehen.

Ist es nur ein "normaler Wunsch" oder habe ich eine Vision? Eine Vision umfasst aber mehr als die wirtschaftlichen und finanziellen Ziele. Zahlreiche Aspekte müssen vorher bedacht und einer Entscheidung zugeführt werden. Z.B. entspricht die Vergütung als Beirat oder Aufsichtsrat in vielen Fällen bei weitem nicht den bisher gewohnten Vergütungen und Einkünften. Insbesondere im Verhältnis zum erforderlichen Zeitaufwand sollten finanzielle Beweggründe nicht ausschlaggebend sein.

Top-Expertise und regelmäßige Höchstleistungen

Ein Aufsichtsgremium besteht in der Regel aus einer einzigartigen Konstellation von Persönlichkeiten, die ausgewählte komplexe unternehmerische Entscheidungen treffen. In diesem Umfeld zählen nur Top-Expertise und regelmäßige Höchstleistungen insbesondere in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten. Intensives lebenslanges und ständiges Lernen ist nur ein Bestandteil des andauernden Aufsichts-Trainings. Was sind meine fachlichen und persönlichen Kompetenzen? Wo muss ich nachbessern oder auffrischen? Aufsichtswissen ist nicht identisch mit Vorstandswissen.

Weitere Fragen sind: Will ich aktiv beraten und überwachen oder geht es mir um Reputation? Reputation für mich (was sonst könnte ich auf meine Visitenkarte schreiben) oder bringe ich Reputation in das Aufsichtsgremium mit? Ist der Titel Beirat oder Aufsichtsrat für mich nur eine weitere ‚Trophäe’ oder der letzte große Verantwortungsbereich, den ich mit all meiner Kraft und meinen Möglichkeiten meistern will?

Bedenken Sie auch den Aspekt der eigenen Zufriedenheit! Warum sind Sie nicht zufrieden mit dem was Sie bisher erreicht haben? Mäßigung bedeutet zufrieden zu sein mit dem, was genug ist und bedeutet nicht Entbehrung. Brauchen Sie noch eine Verantwortung als Beirat oder Aufsichtsrat? Warum genießen Sie nicht Ihren Lebensabend zusammen mit Ihrem Lebenspartner und Ihrer Familie? Bereiten Ihnen Ihre Enkelinnen und Enkel nicht genug Freude und Spaß? Ist Spazierengehen in frischer Luft und freier Landschaft (ohne Beiräte und Aufsichtsräte) nicht dem Aufenthalt in Konferenzräumen vorzuziehen?

Warum wollen Sie Beirat oder Aufsichtsrat werden? Wenn Sie das Warum ausreichend beantwortet haben, sollen Sie noch bitte die folgenden weiteren Kernfragen (Wo, Wann, Was, Wie und Wer) beantworten.

Die vorstehenden Gedanken sind entnommen der zweiten, neu bearbeiteten und erweiterten Auflage und im Juni 2021 erschienen Buches "Wie Sie Beirat oder Aufsichtsrat werden. Ein konkreter Plan für den Erfolg"

www.ruter.de


 

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