"Ob jemand in Jogginghose an einem Executive Meeting teilnimmt, ist jedem selbst überlassen"

Wie zwei Vorarlberger Modefreaks mit dem Gegenentwurf zur Fast Fashion die Branche aufmischen, verraten sie im exklusiven Interview.

Gegründet im Jahr 2014 von Christian und Manuel Weber, verkörpert das Modelabel Weber + Weber den Gegenentwurf zur Fast Fashion. Christian Webers Talent trifft auf die Grundlagen italienischer und Wiener Schneiderhandwerkskunst, Manuel Weber leistet seinen Beitrag als Kenner der Materie im grundlegenden Sinn. "Subtiler, cooler Glamour, ganz ohne Überbau" lautet die Devise. Weber + Weber ist bei mehr als 160 ausgewählten Multibrandstores in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien erhältlich. Im Seitentrakt des Palais Erzherzog Carl Ludwig in Wien wurden die Büros, das  Atelier und eine kleine Sartoria eingerichtet. Luxury News hat die Gründer zum Talk gebeten.

Luxury News: Wenn Vorarlberger Modefreaks nach Wien ziehen und zugleich eine traditionelle Schneiderei bei Venedig betreiben, kann wohl nur besonderes entstehen. Was ist ihre Stärke?

Weber: Unsere Stärke ist wahrscheinlich das, was wir am liebsten tun: wir tun meistens das "Unpassende" oder "Unerwartete", das heißt, zum Beispiel unsere gesamte Produktion bedingungslos in Italien, ganz in der Nähe zur österreichischen Grenze zu fertigen, auch wenn alle anderen Marken ins billigere Ausland verlagern.

Im Design bedeutet das, die Rückseite eines Stoffes zu verwenden, offenkantig statt schön versäubert zu nähen, von Hand zu färben, ein Sakko zu entwickeln, das bequem wie ein Pulli ist, usw. Wir mögen es, wenn man uns nicht in übliche Kategorien einteilen kann.

Luxury News: Wie kam es zur Gründung?

Weber: Eigentlich ist es ein Zufall, dass es unsere Marke gibt: wir haben bei einem Wettbewerb von Vogue Italia und The Woolmark Company anlässlich der Expo Milano teilgenommen. Es ging darum, den ältesten Stoff der Menschengeschichte neu zu interpretieren. Das ist die Wolle.

Wir waren das Siegerprojekt für die Menswear und wurden daher eingeladen, an einer großen Modenschau im Zentrum von Mailand teilzunehmen. Daraufhin wurden wir von Agenten, Presse und Shops kontaktiert: Das war der Startschuss zur ersten kleinen Produktionsserie unseres eigens entwickelten Wollstoffs und des WW Blazers. Das war vor sechs Jahren, inzwischen
beliefern wir 160 Einzelhändler in Europa und senden unsere Styles über unseren Webshop in die ganze Welt. 

Luxury News: Sie bezeichnen sich auch als Slow Fashion Label. Was ist damit konkret gemeint? Ist Fast Fashion endgültig vorbei?

Weber: Genauso wie Slowfashion seine Berechtigung hat, so hat auch die Fast Fashion einen Platz in unserer schnelllebigen Konsumgesellschaft gefunden. Wir distanzieren
uns aber ganz bewusst vom grenzenlosen Konsum, der keine Rücksicht auf Menschen oder unsere Welt nimmt. Wir glauben daran, erstklassige Qualität zu produzieren, in von uns entwickelten Stoffen und eben in unserem etwas "unsuited" Stil. Wir gehen gerne von Klassikern aus und entwerfen sie neu durch unser Blickfeld.

Luxury News: Man hört, dass Sie auch in Coronazeiten Neukunden gewinnen und auch renommierte Häuser an ihrer Arbeit Interesse zeigen. Woher kommt das?

Weber: Ich glaube, dass Menschen langsam verstehen, und dazu gehören natürlich auch unsere Geschäftspartner, dass es nicht immer um grenzenloses Wachstum geht, sondern
darum, dass ein mit viel Liebe entwickeltes Modell über mehrere Saisonen, wenn nicht Jahre, in einem Shop verkauft werden kann. Es muss nicht alles gleich in den Ausverkauf gehen, das heißt, entwertet werden: bevor ein Modell von uns in den Abverkauf kommt, nehmen wir es lieber zurück. Der Konsument schätzt es außerdem, dass unsere Teile nicht an Wert verlieren, sondern dazu gewinnen.

Luxury News: Für welche Kundenkreise wollen Sie Kleidung schaffen?

Weber: Wir schaffen Kleidung für Jederfrau/Jedermann, die/der sich gerne mit etwas Besonderem umhüllt, vielleicht aus der großen Masse herausstechen will und damit schon
auch ein bewusstes Statement abgibt, bzw. für etwas steht. Wir machen Mode für Jung und Alt, aber halt für den "bewussten" Träger:in.

Luxury News: Kann man das Zusammenwirken von italienischer und Wiener Schneiderhandwerkskunst als gelungen bezeichnen?

Weber: Die Wiener und die italienische Schneiderkunst haben eine lange gemeinsame Geschichte: Recht bald haben die noblen Kleidermacher des Kaiserreichs verstanden,
dass in Italien besonders begabte Schneider, Weber, usw. zu finden waren. Kaiserin Elisabeth war die erste Frau von Rang und Namen, die Pret a Porter von Charles Frederick
Worth aus Paris getragen hat, die Wiener Werkstätte hat einzigartige Designs, Drucke und Stoffe entworfen. Die Tradition des Kleidermachens in Wien und die Raffinesse der Italiener in der Umsetzung passen immer noch perfekt zusammen und lassen Einzigartiges entstehen. Wir sind stolz, mit so vielen Meister:innen ihres Fachs arbeiten zu dürfen!

Luxury News: Entsteht aus dem Zusammenwirken aller Faktoren mit dem Design die Mode ganz nach ihrer Markenvision?

Weber: Mode ist das Spiegelbild unserer Zeit: als Designer ist es mein Beruf ,das Spiegelbild von morgen zu entdecken. Mode ist so viel mehr als schnell kopierte Styles der Fast Fashion Industrie. Wir versuchen, durch das Zusammenwirken aller Faktoren, Designs zu entwickeln, die Bestand in der Zeit haben. Gutes Design ist auch in 20 Jahren schön. Das ist unsere Vision.

Luxury News: Welche Eigenschaften machen Ihre Stücke so unvergleichlich?

Weber:  Unvergleichlich sind unsere Styles meistens erst beim zweiten Hinsehen oder beim Tragen: Die Stoffe werden von uns entwickelt und haben sicherlich einen unvergleichlichen Komfort aber vor allem einen unvergleichlichen weichen Griff. Das Innenleben der Modelle ist oft aufwendiger als die äußere Seite, das garantiert lange Haltbarkeit und einen gewissen Luxus den man nur als Träger/in kennt, aber von Außen nicht sieht.

Luxury News: Was bedeutet das von Hand gestickte Kreuz auf den Kleidungsstücken? Was soll der Träger damit verbinden?

Weber: Die zwei von Hand gestickten Kreuzerl sind unsere "Unterschrift" auf jedem Teil und stehen für die Echtheit des Modells.

Luxury News: Was sind die ganz großen Trends 2021?

Weber: Was die Mode anbelangt ist der ganz große Trend, Individualität zu zeigen, seinen eigenen Stil zu entwickeln: die Blogger und Influencer machen es uns vor. Da sind Persönlichkeiten dabei, die in kürzester Zeit einen Stil vorleben bzw. entwickelt haben. Das beeinflusst  schlussendlich alle Bereiche, von der Kleidung, zum Ausgehen, wie und wo wir hin reisen. Dadurch werden wir zum Teil wieder Follower, trotzdem ist die Auswahl wem wir folgen, was wir anschauen inzwischen unendlich. Das ist für mich der Megatrend der heutigen Zeit.

Luxury News: Gibt es auch No-gos? Oder ist speziell jetzt in Zeiten von Corona alles erlaubt?

Weber: Stil und eben eventuelle "No-gos" muss jeder für sich persönlich entdecken. Ob jemand in Jogginghose an einem Executive Meeting auf Zoom teilnimmt, oder sich doch in Schale wirft, ist jedem selber überlassen… Ich hätte da schon meine Priorität.

Luxury News: Welche Ziele verfolgen Sie?

Weber:  Wir möchten bei Weber+Weber Bekleidung erzeugen, die kein Ablaufdatum hat, aber trotzdem kein Basic ist. Die Produktion soll unserer Umwelt nicht schaden, so nah wie möglich zu unserem Zuhause in Wien sein und vorallem die/den Träger:in glücklich machen. Menschen die für uns arbeiten, sollen dies gerne tun und mit ihrer Entlohnung zufrieden sein. Klingt alles so einfach, macht aber sonst niemand und alleine das gibt uns schon eine Alleinstellung. (jw)

weberweber.it