„Traut euch wieder kreativ zu sein“

Gewista-Chef Javurek im Interview über absolute Reichweite, Station-Branding und risikoscheue Manager. 

Karl Javurek kann auf ein bisher erfolgreiches Jahr zurückblicken. leadersnet.at hat den Gewista-Geschäftsführer getroffen und sich mit ihm über die voranschreitende Digitalisierung des Out of Home-Marktes, die Zukunft das klassischen Plakates, seine Prognosen für 2015 und den Nachteil von kurzfristigen Strategien unterhalten.

leadersnet.at: Sie haben im Frühjahr die U-Bahn-Station Stephansplatz komplett mit digitalen Screens ausgestattet. Jetzt hat es ein totales Station-Branding mit H&M gegeben. Wie kommt das an?

Javurek: Das kommt sehr gut an. Die Möglichkeiten, die sich durch diese komplette Digitalisierung ergeben, sind fantastisch. Das Station-Branding von H&M ist ein sehr gutes Beispiel dafür, da dort zusätzlich zu den Screens auch mit Klebefolien gearbeitet wurde. Streng genommen stellt die Digitalisierung am Stephansplatz schon ein Station-Branding dar, weil alle Bildschirme zur gleichen Zeit mit einem Kunden bespielt werden. Das was H&M gemacht hat, ist sozusagen ein Superplus, da sie die gesamte Werbezeit gekauft haben und die Station über eine Woche komplett dominiert haben, da keine andere Werbung gelaufen ist.

leadersnet.at: Können Sie uns verraten, was so eine Aktion kostet?

Javurek: Der normale Durchlauf, ohne Folienbeklebung, kostet rund 19.500 Euro pro Woche. Das bedeutet, dass jede Minute eine Kunde zehn Sekunden lang auf allen 109 Screens vertreten ist. Man darf nicht vergessen, dass man dadurch unter Garantie alle Passanten der U-Bahn-Station erreicht. Das sind pro Tag 250.000 Menschen. Um die Relation zu begreifen: Das ist so, als wie wenn Sie in Graz jeden Bewohner, vom Baby bis zum Opa, eine Woche lang jeden Tag erreichen. Somit ist der Preis auch nicht sonderlich erschreckend.

leadersnet.at: Hat der digitale Bereich somit das größte Wachstumspotential im Out of Home-Bereich?

Javurek: Ja, das ist auch der internationale Trend. Bei uns wird, beginnend mit der Station am Stephansplatz, die Entwicklung natürlich weiter gehen. Nächstes Jahr werden wir die sieben frequenzstärksten U-Bahn-Stationen in Wien komplett digitalisieren. Die Digitalisierung ist eine kleine Revolution in der Out of Home-Landschaft. Durch die Digitalisierung kann ich die Werbung sekundengenau steuern. Dadurch kann ich Kunden beispielsweise anbieten, dass in der Früh das eine Produkt, zu Mittag ein zweites und am Abend wieder ein anderes Produkt beworben wird. Darüber hinaus entfallen Produktions-und Handlingkosten.

leadersnet.at: Diese Mittel werden somit frei, um in interaktive Elemente zu investieren?

Javurek: Diese Möglichkeiten sind im digitalen Bereich natürlich in besonderem Ausmaß gegeben. Aber die Interaktion ist weniger abhängig von der Technik, sondern hat vor allem mit der Standortsituation zu tun. Wenn ich beispielsweise im Auto sitze, werde ich kaum interagieren können, weil ich mit anderen Dingen beschäftigt bin. Wenn ich hingegen im Bus, in der Straßenbahn, in einer Wartehalle oder am Bahnsteig bin, dann schaut die Sache wieder anders aus. Ich glaube, man muss unsere Medien in zunehmendem Maße auch danach beurteilen, wie die Benutzersituation ist. Diese digitalen Medien haben – neben der Flexibilität – zwei besondere Vorteile: Wir können beispielsweise die absolute Reichweite anbieten, das ist etwas, was der klassischen Onlinewerbung fehlt. Infoscreen zum Beispiel erreicht wöchentlich mehr als 50 Prozent der Wiener Bevölkerung. Dadurch können wir dem Medium Internet die Verlängerung in den öffentlichen Raum anbieten.  Andererseits können wir auch flexible Angebote für das andere Spektrum anbieten: nämlich für Klein- und Mittelbetriebe, die jetzt endlich auch die Möglichkeit haben, regionale Werbung zu betreiben ohne immense Vorlaufkosten zu haben.

leadersnet.at: Wie gehen die Mediaagenturen mit diesem Zuwachs an digitalen Werbeflächen um?

Javurek: Die Mediaagenturen haben dieses Medium entdeckt und es wird in zunehmendem Maße von der Kreation ausgenützt. Wir sind hier am Anfang eines Weges, der sehr erfolgversprechend begonnen hat. Wir legen sehr großen Wert drauf gerade jetzt in der Entstehungsphase unseren Kunden mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und haben die Spezialisten dafür im Haus.

leadersnet.at: Macht dies die Digital-Unit, die Sie im letzten Interview angekündigt haben?

Javurek: Wir haben auf der einen Seite die Innovative &- Ambient Media- Unit, die vollkommen neue Dinge umsetzt, vor allem im Bereich Mobilemarketing und Virtual Reality. Die Digital Unit konzentriert sich hingegen auf die digitalen Möglichkeiten, wobei  es da natürlich immer wieder Schnittstellen gibt.

leadersnet.at: Ist damit das analoge Plakat bald Geschichte?

Javurek: Nein, das analoge Plakat wird es immer weiter geben, da es eine wesentliche Funktion in der Out of Home-Kommunikation erfüllt. Nach wie vor macht das Papierplakat ein Drittel unseres Umsatzes aus und ist ein flächendeckendes Medium, mit dem ich in ganz Österreich schlagartig Reichweite generieren kann. Dennoch geht die Bedeutung des klassischen Papier- Plakates zugunsten von Citylights, Rolling Boards und Digital Out of Home zurück.

leadersnet.at: Werden wir in Zukunft nur noch drei Werbekanäle haben: Out of Home, Bewegtbild und digitale Werbung als solche?

Javurek: Nein, das denke ich nicht. Print wird auch weiterhin bestehen. Aber die Printlandschaft wird sich natürlich dramatisch verändern und die Bedeutung von Print wird deutlich zurückgehen. Hier wird vor allem die digitale Werbung profitieren und an zweiter Stelle Out of Home. Radio wird sich wahrscheinlich auf dem aktuellen Niveau halten und auch bei TV wird es keine großen Steigerungen mehr geben.

leadersnet.at: Thema Ambient Media: Sie haben für Sky eine Bim-Station zum „Scary Shelter“ umgebaut, um auf den Start der fünften Staffel der Serie „The Walking Dead“ hinzuweisen. Das hat international für extrem hohe Zugriffszahlen und viel Aufmerksamkeit gesorgt…

Javurek: Ja, das war tatsächlich sehr erfolgreich. Aber wir haben deswegen nicht den Fokus, nur noch einzelne Bim-Stationen zu verkaufen und den Transport dann in den digitalen und elektronischen Medien stattfinden zu lassen. Sky hat ja zusätzlich noch eine ganz klassische Kampagne gefahren und das ist auch sinnvoll. Die „Scary Shelter“-Aktion ist eher dem Bereich Innovate als Ambient zuzurechnen. Das Video der  Kampagne hat in der Zwischenzeit 14,5 Millionen Views auf Social Media Kanälen. Das Schöne ist, dass sie zeigt, dass es sich auszahlt, wenn man in der Kommunikation auf ausgefallene und kreative Ideen setzt.

leadersnet.at: Heißt das, dass sich die Werbewirtschaft wieder mehr trauen muss?

Javurek: Ja, absolut. Es ist natürlich so, dass auch der konservative Weg erfolgreich ist und das ist gut. Aber die Sky-Aktion hat gezeigt, dass es auch andere, hochkreative Zugänge gibt. Deswegen mein Aufruf: „Traut euch wieder kreativ zu sein!“ Und dieser Appell geht in erster Linie an die Auftraggeber und weniger an die Agenturen. Die Kreativen würden sich gern austoben, müssen sich aber nach den Wünschen der Auftraggeber richten. Das ist eine typische Entwicklung unserer Wirtschaft. In zunehmendem Maße sind Manager mit kurzfristigen Verträgen und Perspektiven am Werk, die risikoscheu sind und in einem erschreckenden Ausmaß kurzfristig agieren: nämlich dem nächsten Quartalserfolg verpflichtet, anstatt langfristig zu planen. Früher haben Unternehmer in Generationen gedacht.

leadersnet.at: Wie ist das Resümee für das heurige Jahr bisher?

Javurek: Wir werden, was  den österreichischen Markt angeht, in etwa in der Größenordnung vom letzten Jahr liegen. Was die Ertragskraft des Unternehmens angeht, werden wir eine weitere Steigerung erfahren. Wir haben uns in einem nicht sehr einfachen Umfeld sehr gut geschlagen und sind eines der wenigen Unternehmen das Jahr für Jahr tatsächlich wächst. Wir haben die Strategie, neue Medien zu entwickeln und konzentrieren uns klar auf den urbanen Raum. Das hat sich sehr bewährt.

leadersnet.at: Was wird von 2015 zu erwarten sein?

Javurek: Kernthemen werden die Digitalisierung und die Verknüpfung der einzelnen Medien im Interesse unserer Kunden sein. Wir wissen, dass wir durch eine Multichannel-Strategie auch im Out of Home Sektor zusätzliche Reichweiten und Effekte generieren können ohne zusätzliches Kapital einsetzen zu müssen.

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