Österreichische Banken wollen auf Verzugszinsen und Mahnspesen verzichten

| Tobias Seifried 
| 23.08.2023

Nach einem Gespräch mit dem Finanzminister hat Bankenvertreter Willi Cernko ein Maßnahmenpaket präsentiert. Dieses enthält neben Entlastungen für Kreditnehmer:innen u.a. ein Bekenntnis für den einfachen Zugang zu Bargeld sowie eine Transparenz-Initiative. Es werden aber auch Forderungen gestellt; zudem hagelt es Kritik.

Nachdem heimische Banken in den letzten Tagen und Wochen von unterschiedlichen Seiten viel Kritik einstecken mussten (niedrige bis keine Sparzinsen, rasch steigende Kreditzinsen, Milliardengewinne zu Lasten der Kund:innen, Ausdünnung des Bankomatnetzes, etc.), gehen sie nun in die Offensive und haben am Mittwoch ein Maßnahmenpaket präsentiert. Vor der Präsentation gab es ein Treffen zwischen Finanzminister Magnus Brunner und Willi Cernko, CEO der Erste Group und Obmann der Sparte Bank und Versicherung in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO).

Zentrale Maßnahmen

"Wir werden jenen, die Probleme mit der Finanzierung der eigenen vier Wände bekommen, zur Seite stehen und sie unterstützen. Außerdem leisten wir unseren Beitrag, den einfachen Zugang zu Bargeld weiterhin bestmöglich sicherzustellen. Weiters wollen und werden die österreichischen Banken bei Sparzinsen noch mehr Transparenz schaffen", fasste Cernko die Maßnahmen der heimischen Banken zusammen. Damit soll in Abstimmung mit der Bundesregierung dort geholfen werden, wo Hilfe wirklich notwendig sei und nicht populistisches Kleingeld gewechselt, das dem Standort langfristig schade.

Zins- und Geldpolitik seien die Aufgaben der Europäischen Zentralbank (EZB) − abseits von tagespolitischen Diskussionen, bekräftigte der Spartenobmann. Jede Regierung sei bei angedachten Eingriffen gut beraten, sich eng mit der EZB abzustimmen, um Stabilität und Sicherheit zu gewährleisten. "Europa steht vor großen Herausforderungen. Angefangen von der Krisenbewältigung im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg bis hin zur nachhaltigen Transformation. Gerade in einer KMU-geprägten Wirtschaft wie in Österreich braucht es einen starken und stabilen Bankensektor, um diese Herausforderungen gemeinsam zu stemmen", so Cernko.

Befristete  Unterstützung in Sachen Wohnraumfinanzierungen

Aktuell hat rund die Hälfte der Kreditnehmer:innen einen Fixzinskredit. Die Ausfallsraten der Banken seien auch weiterhin historisch niedrig und es gäbe zum jetzigen Zeitpunkt keinen Grund zur Sorge. In einem Multikrisen-Umfeld könnten aber Menschen, die einen Kredit für die Finanzierung ihrer eigenen vier Wände haben, Probleme bekommen. Daher möchten Österreichs Banken den heimischen Kreditnehmer:innen laut Cernko entgegenkommen. Auf den in Österreich besonders hohen Anteil an variablen Krediten (ebenfalls rund 50 Prozent) ging er nicht ein.

"Sollte es zu Problemen bei Wohnraumfinanzierungen für die eigene Nutzung kommen und Verzugszinsen und Mahnspesen anfallen, werden die österreichischen Banken darauf verzichten. Das stellt eine substanzielle Unterstützung für Kreditnehmer:innen mit variabler Verzinsung dar", sagte der Spartenobmann. Diese Maßnahme soll vorerst für ein Jahr gelten. Sie ist also zeitlich befristet

Bargeldversorgung  und Transparenz bei Zinsen

Wie Diskussion und Umfragen in den letzten Wochen gezeigt haben, ist Bargeld den Österreich:innen wichtig. Damit der einfache und unkomplizierte Zugang zu Bargeld auch zukünftig gewährleistet bleibe, gibt es auch diesbezüglich eine Maßnahme. Gemeinden, die für ihre Bürger:innen einen Bankomaten durch Payment Services Austria (PSA) betreiben wollen, sollen ein spezielles Angebot zum Selbstkostenpreis erhalten.

Weiters verwies Cernko darauf, dass der Markt nach wie vor von der jahrelangen EZB-Politik des billigen Geldes und der aktuell verhaltenen Kreditnachfrage geprägt sei. Durch verbesserte Transparenz soll der Zinsvergleich bei Spareinlagen vereinfacht und damit der Trend zu weiter steigenden Sparkonditionen und höherwertigen Veranlagungsformen gefördert werden. Laut dem CEO der Erste Group würden Banken in Österreich die Zinsanhebungen der EZB im EU-Vergleich rasch weitergeben. Um den Menschen einen schnellen Zugang zu Informationen über die Höhe der Sparzinsen in Österreich zu geben, werden die Banken ihre Angebote für sechs, 12 und 24 Monate an die OeNB einmelden, die diese auf einer Plattform zur Verfügung stellen werde.

Neuevaluierung der KIM-Verordnung

Neben den genannten Maßnahmen stellen die Banken aber auch Forderungen. Konkret wollen sie eine Neuevaluierung der im Vorjahr verschärften Kreditvergaberegeln (KIM-Verordnung). Es werde beabsichtigt, eine "Eigenheiminitiative" auf die Beine zu stellen. Die heimischen Geldinstitute planen gemeinsam, einmalig einen substanziellen Betrag (bis zu einem dreistelligen Euro-Millionenbetrag) zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Topf sollen insbesondere junge Familien für die eigengenutzte Immobilie mit zeitlich befristeten Zinszuschüssen gefördert und unterstützt werden. Die Details werden laut Cernko aktuell von einer Expertengruppe ausgearbeitet: "In Verbindung mit einer Abschaffung der Regelungen der KIM-Verordnung - oder zumindest einer deutlichen Lockerung - sollte diese Initiative dem Thema 'Eigenheim − leistbares Wohnen' wieder neues Leben einhauchen."

Kritik

Am präsentierten Maßnahmenpaket gibt es auch Kritik. Vor allem Vertreter:innen der Oppositionsparteien, der Arbeiterkammer und dem ÖGB gehen die Entlastungen nicht weit genug. Sie fordern unter anderem weiterhin einen Deckel für Kreditzinsen, ein Aussetzen der KESt auf Sparzinsen, die Einführung einer Übergewinnsteuer oder die Erhöhung der Bankenabgabe. Zudem wird kritisiert, dass die Überziehungszinsen weiterhin sehr hoch bleiben.

www.wko.at

Reinhart Rosner
Sehr geehrte Damen und Herren,
als selbst Betroffener mit einem variablen Kredit:

Die geforderte Neuevaluierung der im Vorjahr verschärften Kreditvergaberegeln (KIM-Verordnung) ist löblich, kommt aber in großem Umfang wieder den Banken zugute, da derzeit das Kreditgeschäft rund um Wohnraumfinanzierungen stark eingebrochen ist.
Dass parallel dazu der Bausektor ebenfalls Schwierigkeiten hat, wäre getrennt zu diskutieren.

Wohnraumfinanzierungen:
Sorry, aber die Aussage "Sollte es zu Problemen bei Wohnraumfinanzierungen für die eigene Nutzung kommen und Verzugszinsen und Mahnspesen anfallen, werden die österreichischen Banken darauf verzichten. Das stellt eine substanzielle Unterstützung für Kreditnehmer:innen mit variabler Verzinsung dar" ist eigentlich eine Lachnummer. An der großen Differenz zwischen Einlage- und Kreditzinsen wird zuerst weiter verdient. Wenn Kreditnehmer Verzugszinsen und Mahnspesen zahlen müssen, wird auf den vergleichsweise geringen Anteil der Belastungen verzichtet. Und das begrenzt auf ein Jahr, wo doch Finanzierungen meist über viele Jahre laufen. Ein tatsächliches und substantielles Entgegenkommen müsste anders aussehen.

Viele Grüße
Reinhart Rosner

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