"Wechsel ist ein Grundpfeiler der Demokratie"

| 30.08.2012

Mittendorfer, Fachgruppenobmann der Wiener Versicherungsmakler, über seinen Abgang. 

Seit knapp 34 Jahren ist Rudolf Mittendorfer als Geschäftsführer der Verag GmbH und Fachgruppenobmann der Wiener Versicherungsmakler aktiv im Vorsorgegeschäft tätig. Nun steht die Fachgruppe vor einem Wechsel an der Spitze. Obmann Rudolf Mittendorfer und sein Stellvertreter Kurt Stättner legen demnächst ihre Ämter zurück. Mit leadersnet.at plauderte der scheidende Obmann über seine Erfolge, die Beweggründe aus der Berufsvertretung auszuscheiden und das Leben "danach".

leadersnet.at: Als Sie im Jahr 2000 für das Gremium der Wiener Versicherungsmakler kandidierten, lag ihr Hauptmotiv in der Unzufriedenheit mit der Performance der Berufsvertretung. Nun legen Sie ihr Mandat zurück, was sind die Beweggründe?

Mittendorfer: Nun, dafür gibt es zahlreiche Gründe, und letztlich ist gar nicht klar, welcher der entscheidende letzte Auslöser war. Ein Grund ist zweifellos, dass ich nach zwölf  Jahren intensiver Arbeit in der Standesvertretung spüre, nicht mehr dieselbe Energie und Zeit aufbringen zu können, wie dies notwendig ist. Ich habe zuwenig Zeit für meinen Betrieb, und ich will mehr Zeit mit meiner Familie (ich habe noch einen kleinen 5-jährigen Sohn und drei  Enkelkinder) verbringen. Ein Hauptmotiv ist aber auch meine absolute Überzeugung, daß Wechsel ein Grundpfeiler der Demokratie ist, und daher ist es allerhöchste Zeit, daß neue Persönlichkeiten, mit neuen Ideen frischen Wind in Kammerpolitik bringen.

leadersnet.at: Sie unternahmen das Wagnis, mit einer parteifreien Gruppe anzutreten und wurden auf Anhieb Gremialvorsteher. Konnten Sie ihre Wahlversprechen einhalten und umsetzen?

Mittendorfer: Da bin ich in einer wirklich privilegierten Position. Die Wahlversprechen, die wir im Jahr 1999 formuliert haben, konnten wir in Wien alle umsetzen – und noch viel mehr – weil sich letztlich alle politischen Kräfte zu einem vernünftigen und fruchtbaren Zusammenwirken gefunden haben. Der letzte Punkt – die Entschärfung des Maklergesetzes – ist allerdings hauptsächlich den unermüdlichen Bestrebungen unseres Bundesobmannes Riedlsperger zu danken. Das hätten wir in Wien alleine nicht geschafft.

leadersnet.at: Welche Aktivitäten in Ihrer langjährigen arbeitsintensiven Tätigkeit würden Sie als besondere Erfolge einstufen?

Mittendorfer: Nach außen am sichtbarsten ist sicherlich der Wiener Maklertag, bei dessen 10. Abhaltung wir heuer im Rathaus über 500 Gäste begrüßen konnten. "Strategisch" ist wohl der Hammurabipreis hervorstechend, weil wir damit Zugang zu den Universitäten erlangt haben, und damit Bekanntheit und Prestige des Maklers in der akademischen Welt erheblich steigern konnten. Inhaltlich sehe ich die Weiterbildungsaktivitäten (bis zu sechs Maklerkurse pro Jahr, Best-Advice-Veranstaltungen, Zukunftstag, Folder, Jungmaklerförderung, die erste eigene  Homepage für Makler etc.) als besonderen Erfolg an. Hinsichtlich der öffentlichen Wahrnehmung freue ich mich über die aktuelle Werbung (Stichwort: Wie gut ist ihr Fachchinesisch), zahlreiche Pressekonferenzen und hunderte Pressemitteilungen und Artikel.

Auch die mittlerweile sehr intensiven – und belastbaren – Kontakte mit dem Konsumentenschutz halte ich für eminent  wichtig. Vom Einzelereignis war wohl eine Pressekonferenz vor mittlerweile zehn Jahren "das" Highlight, als wir gegen den Verkauf von Versicherungen bei Tchibo "wetterten". Darüber wurde in allen namhaften Zeitungen berichtet (Kaffeesiederpolizze) und einen ganzen Tag in allen Nachrichten. Damit war dann dieser Spuk vorbei - wenngleich jetzt eine andere Kette die gleichen Gelüste zu haben scheint.

leadersnet.at: Sehen Sie auch Misserfolge und Fragen, die trotz allem Einsatz für die Maklerinteressen nicht zufriedenstellend zu lösen waren?

Mittendorfer: Wenn es in so vielen Jahren keine Misserfolge gäbe, dann wäre die Standesvertretung wohl eine zu leichte Aufgabe. Tatsache ist, dass die Bevölkerung noch immer kaum zwischen den verschiedenen Vertriebswegen unterscheidet und die Sonderstellung des Maklers als "Navigator durch den Versicherungsdschungel" und Bundesgenosse des Kunden viel zu wenig bekannt ist und honoriert wird.
Des weiteren ist es uns nicht gelungen, in der Politik für klare Berufsbilder zu sorgen - - darunter leiden wir als die höchstqualifizierte Gruppe am meisten. Ferner  hätten wir die verpflichtende Weiterbildung lieber selbst gelöst – so wird sie uns wohl mit der nächsten EU-Richtlinie "verordnet".

Und ich sehe es auch als Misserfolg für die gesamte Branche – auch die VU´s – daß wir schwarze Schafe nicht kategorisch aus dem Markt bringen. Das schadet allen. Auch wenn das nicht alle goutieren werden – aber die Qualität eines Berufsstandes erkennt man auch daran, wie man mit festgestellten Missständen umgeht. Leider sind die Gewerbebehörden diesbezüglich sehr lax.

leadersnet.at: Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Berufsgruppe?

Mittendorfer: Wünschen würde ich mir, daß der Gemeinsinn österreichweit zunimmt, und die Partikularinteressen zurückgedrängt werden. Wir sind Versicherungsmakler, das Bundesland oder eine politische Zuordnung sollten keine Rolle spielen. Und ich wünsche mir nach wie vor, daß das Engagement – sowohl hinsichtlich diverser Foren in Fachmedien, wie auch im Lobbying bei Politikern – von der gesamten Berufsgruppe getragen wird. Da gibt es zuviel vornehme Zurückhaltung.

leadersnet.at: Wie wird sich ihr persönliches Leben nach Ende der Funktionsperiode gestalten? Ist der Abschied schwierig?

Mittendorfer: Der Abschied ist keineswegs schwierig – ich konnte ihn ja selbst bestimmen, und zeitlich und organisatorisch entsprechend planen. Was mein persönliches Leben anlangt, so hoffe ich auf ein "Mehr" von allem, das bisher zurückstehen mußte.  Firma, Familie, Freizeit, persönliche Weiterbildung ... und womöglich sogar langsames Erlernen von Muße.

leadersnet.at: Sind geeignete Nachfolger vorhanden, um die Arbeit erfolgreich fortzusetzen und sich den Herausforderungen in ihrem Sinne zu stellen?

Mittendorfer: Davon bin ich felsenfest überzeugt. Das Team ist ja fast unverändert und ich hege nicht die mindesten Zweifel hinsichtlich einer erfolgreichen weiteren Arbeit. Kurt Stättner und ich sind ja gleich alt; unsere  Nachfolger Helmut Mojescick und Brigitte Kreuzer hingegen sind sowohl erfahren, als auch deutlich jünger – sie werden neue Dynamik bringen.

leadersnet.at: Gibt es zum Abschied aus der Berufsvertretung die Verleihung eines Ordens und Verdienstzeichens? Falls nicht, sehen Sie sich durch die allgemeine Anerkennung ihrer eigenständigen Arbeitsweise schon ausreichend geehrt?

Mittendorfer: Ich fühle mich schon bisher sehr geehrt, weil ich über zwölf Jahre in Wien und auch im Fachverband Interessen unserer KollegInnen vertreten durfte, und dafür auch einen hohen Freiraum erhielt. Ich kann sagen, man "hat mich gewähren lassen", und ich empfand das immer als großes Privileg und freue mich, mich dafür an dieser Stelle bedanken zu können. Im Laufe der Jahre gab es natürlich auch einige Auszeichnungen, und ich bin auf zwei davon besonders stolz: eine entsprechende Anerkennung des österreichweiten Fachverbandes, und natürlich  den Ehren-Hammurabi, den mir die Wiener Versicherungsmakler vor vielen Jahren verliehen haben. Der "thront" über meinem Schreibtisch und macht mir täglich Freude.

Und sollte es tatsächlich eine allgemeine Anerkennung geben, dann nehme ich diese als absolutes Geschenk. Ich erwarte das aber nicht, denn es ist unmöglich, allen Erwartungen zu entsprechen und jedermanns Wünsche zu erfüllen. Aber es wäre schön wenn übrigbliebe, dass ich das Allgemeine über das Persönliche gestellt habe, und daß nicht "Politik" mein Handeln bestimmte, sondern das Wohl der Berufsgruppe.

www.wiener-versicherungsmakler.at

Lebenslauf Rudolf Mittendorfer

Geboren und aufgewachsen  (22.1.1955) in der Wachau
HAK-Matura in Krems
Abgebrochenes Studium Uni Wien (Deutsch und Geschichte) – wegen Familiengründung
3 Kinder  (35,33,5 Jahre) und 3 Enkelkinder
Seit 1978 hauptberuflich in der Branche als Versicherungsmakler und Vermögensberater
1999 Gründung des Unabhängigen Makler Forums (UMF)
2000 Wahl zum Gremialvorsteher der Wiener Versicherungsmakler

Lebenslauf Rudolf Mittendorfer

Geboren und aufgewachsen  (22.1.1955) in der Wachau
HAK-Matura in Krems
Abgebrochenes Studium Uni Wien (Deutsch und Geschichte) – wegen Familiengründung
3 Kinder  (35,33,5 Jahre) und 3 Enkelkinder
Seit 1978 hauptberuflich in der Branche als Versicherungsmakler und Vermögensberater
1999 Gründung des Unabhängigen Makler Forums (UMF)
2000 Wahl zum Gremialvorsteher der Wiener Versicherungsmakler

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