"Die Werke von männlichen Kunstschaffenden werden immer noch preislich höher bewertet als die von Frauen"

Kunstexpertin Sylvia Kovacek spricht im Interview über verblüffende Renditen auf dem Kunstmarkt, welches verkäufliche Kunstwerk ein "Geheimtipp" ist und was es in ihrer Galerie aktuell zu sehen gibt.

Die Galerie Kovacek, die sich bereits mit herausragenden Ausstellungen einen Namen gemacht hat, ermöglicht damit nach zwei Jahrzehnten erstmals wieder mit 73 verkäuflichen Werken sowie Leihgaben einen umfassenden Blick auf Erika Giovanna Klein, deren künstlerisches Schaffen zweifelsohne zu einem der spannendsten Oeuvres der Avantgarde in Österreich gehört.

Nun soll das Renommee mit der  musealen Ausstellung "Erika Giovanna Klien – Wiener Kinetismus" weiter ausgebaut werden. Kovacek publiziert begleitend zur Ausstellung einen umfangreichen 160 Seiten starken Katalog, dessen wissenschaftliche Bearbeitung Marietta Mautner Markhof, Daniel Pabst und Mag. Angelika Karner verantworten und der mit privatem Archivmaterial der Künstlerin tiefe Einblicke in ihre pädagogischen Ansichten, ihr künstlerisches Schaffen und ihr privates Leben sowie den Wiener Kinetismus gibt. Die Ausstellung wurde aufgrund des großen Erfolges eben bis 29. Juli 2022 verlängert.

Nach Auslandsstudium bei Christie's in London und Paris, Expertin für Antiquitäten im Auktionshaus im Kinsky, Geschäftsführerin der Galerie seit 1. Jänner 2005. Zuständig für Kundenbetreuung, Sammlungsberatung, Verkauf und Einkauf von Objekten. Im Gespräch mit Luxury News plaudert Sylvia Kovacek unter anderem über Kunst als Anlageform, das Vergessen bedeutender Künstler:innen und verrät, auf welches Kunstwerk in ihrer Sammlung sie besonders stolz ist.

Luxury News: Kunst als Wertinvestment: Verblüffende Renditen auf dem Kunstmarkt übertreffen immer wieder andere Anlageformen bei Weitem. Was sind die Chancen und Fallstricke bei Kunst als Wertanlage?

Kovacek: Kunst als Anlage ist heute sehr wichtig geworden. Das spiegelt sich eindeutig in der immensen Nachfrage am Kunstmarkt wieder – gerade auch bei Künstlerinnen wie Erika Giovanna Klien, wie wir in diesen Tagen auch durch unsere Ausstellung direkt erfahren, aber natürlich auch ganz allgemein. Fallstricke gibt es keine, wenn man gute Qualität kauft.
Galerie Kovacek hat bereits 2001 das Vermächtnis einer der bedeutendsten Avantgarde-KünstlerInnen Österreichs gefeiert. Durch eine Ausstellung des Wien Museums oder des Belvederes wurde ihr später wieder verdiente Aufmerksamkeit zuteil.

Luxury News: Warum geraten Künstler:innen wie Klien in Vergessenheit?

Kovacek: Das Vergessen von Erika Giovanna Klien stellt leider kein Einzelschicksal dar. Wie viele andere Künstlerinnen – denn zumeist sind es Frauenschicksale, wie zuletzt auch in den großen Ausstellungen hierzulande wie auch international thematisiert wurde – wurden sie mit dem Anschluss 1938 aus der Kunstgeschichte verbannt und vergessen. Der Zweite Weltkrieg stellte eine große Zäsur für die Künstlerinnen und so auch für Klien dar. Mit den Kriegsgeschehnissen verlor sie die Verbindung zu hilfreichen Netzwerken, zu Mäzenen und Sammlerinnen. Nach dem Krieg, als Klien in der freien Wirtschaft versuchte Fuß zu fassen, mag auch ihre deutsche Abstammung – trotz Annahme der US-Staatsbürgerschaft im Oktober 1938 – im Besonderen durch die Kampagnen der "McCarthy-Ära" einen künstlerischen Wiedereinstieg bzw. die Fortsetzung ihrer künstlerischen Erfolge erschwert haben. Trotz aller Widrigkeiten hat Klien in den 50er Jahren, u. a. mit "Subway Symphony" ein fantastisches Spätwerk geschaffen, in dem all ihre künstlerische Meisterschaft und persönliche Erfahrung kulminiert. Für den öffentlichen Raum, als Installationen in den New Yorker U-Bahn-Stationen,  geplant, wurde dieses Projekt leider nie realisiert. Umso mehr freuen wir uns, dass wir hochkarätige Werke aus dieser Serie in unserer Ausstellung präsentieren und so einem interessierten Publikum zugänglich machen dürfen.

Luxury News: Wie sah es damals in Sachen Marketing aus?

Kovacek: Klien war zudem alleinstehend – ein Marketing ihrer Kunst gab es zu ihren Lebzeiten nicht. Und auch nach ihrem Tod wurde ihr künstlerischer wie privater Nachlass von ihrer Schwester Bertha Klien-Moncreiff lediglich aufbewahrt, aber nicht aktiv und im Sinne einer Publikation ihres Œuvres betreut. Erst in den 1960er wurde ihr Werk von Bernhard Leitner aufgearbeitet und gelangte mit dem Galeristen und Sammler Michael Pabst, der den Nachlass ankaufte und einem interessierten Publikum bekannt machte, wieder in das internationale Kunstinteresse und somit auch zurück nach Europa. Durch Ausstellungen – darunter darf ich unsere Einzelpräsentation mit Werken Kliens bereits im Jahr 2001 nennen – und Publikationen zählt Erika Giovanna Klien heute endlich wieder zu den bedeutendsten österreichischen AvantgardekünstlerInnen.

Luxury News: Welches Wertsteigerungspotential sehen Sie für Künstler:innen wie Erika Giovanna Klien, die wiederentdeckt wurden?

Kovacek: Die Wertsteigerung basiert auf der Nachfrage und diese wiederum auf der Wahrnehmung, die im Besonderen natürlich an das Sichtbare gekoppelt ist. So sind es in der Kunst im Besonderen Ausstellungen und Publikationen renommierter Häuser, die wesentlich für die Wahrnehmung eines Künstlers bzw. einer Künstlerin sind und mit steigender Nachfrage eine entsprechende Wertsteigerung des Künstlers bzw. der Künstlerin auf dem Kunstmarkt bewirken. Mit längster Überfälligkeit haben nationale wie internationale Kunsthäuser die Wahrnehmung auf weibliche Kunstschaffende der Moderne gelegt, die trotz – oder vielleicht sogar gerade wegen – ihres künstlerischen Erfolgs in der Kunstgeschichtsschreibung vergessen oder – auch ganz explizit gesagt – aktiv ausgeblendet wurden. Die erfolgreiche Rezeption spiegelt sich objektiv messbar in deutlich gestiegenen preislichen Bewertungen dieser Künstlerinnen am Kunstmarkt nieder. Als Beispiel mit auch internationaler Reichweite kann hier u.a. Helene Funke genannt werden.

Wir haben Erika Giovanna Klien mit ihrem umfassenden, einzigartigen und gänzlich individuellen Werk eine Einzelausstellung gewidmet und freuen uns, dass ihr Werk mit größter nationaler wie internationaler Nachfrage, darunter auch seitens musealer Sammlungen, bereits in bester Weise wahrgenommen wird. Durch unseren schon jetzt und somit bereits nach kurzer Zeit messbaren großen Erfolg um die Wiederentdeckung Erika Giovanna Kliens sind wir daher auch von der weiteren Wertsteigerung ihres Werkes vollkommen überzeugt. Für weitere Informationen und natürlich auch zu weiteren Fragen stehen wir sehr gerne jederzeit auch persönlich zur Verfügung.

Luxury News: Erika Giovanna Kliens "Diving Bird" ist wohl eines ihrer berühmtesten Werke. Welches verkäufliche Kunstwerk würden Sie uns als „Geheimtipp“ ans Herz legen? Auf welches Kunstwerk sind Sie in Ihrer Sammlung besonders stolz?

Kovacek: Jedes ihrer Bilder stellt eine Besonderheit dar, da aus einem jeweils speziellen Kontext entstanden. Ein malerisches Meisterwerk ist zweifelsohne das Gemälde „Stephansdom“ aus dem Jahr 1923 – Hauptwerk ihrer frühen Schaffensjahre und außergewöhnliche Rarität, da ihr Gesamtwerk nur wenige Arbeiten in Öl umfasst. Dem frühen Stil ihrer Arbeiten entsprechend, sind die Formen bewusst infantil gehalten, die Komposition der in vielfältiger Ansicht wiedergegebenen Architektur hingegen sehr komplex. Das gotische Motiv ist klar analysiert, seziert und dann in all seiner geometrischen Vielansichtigkeit meisterhaft in Szene gesetzt. Die komplexe Perspektive harmoniert herausragend mit der reduzierten Farbkombination aus tiefem Kobaltblau und dem kontrastierenden Rot, Braun und Gelb, so dass eine ganz eigene, übergeordnete, nahezu kontemplative Ruhe entsteht. Ein außergewöhnliches Werk also in jeder Hinsicht!

Luxury News: Seit etwa 100 Jahren dürfen Frauen Kunst an der Akademie studieren. Was bedeutete es für Frauen wie Erika Giovanna Klien, sich in einer Männerdomäne durchzusetzen?

Kovacek: Klien musste sich bereits früh für ihre Leidenschaft, die Kunst in all ihrer Vielseitigkeit, ein- und durchsetzen. Wusste ihr Vater noch ihre Zuwendung zum Theater und einen Schulabbruch zu verhindern, so schrieb sie sich 1919 gegen seinen Wunsch an der Wiener Kunstgewerbeschule ein. Durch die unkonventionellen und äußerst fortschrittlichen, international gerühmten Lehrmethoden Franz Cizeks, der die Entwicklung eines eigenen, selbständigen Stils förderte, fand sie neben Selbstvertrauen und Individualität im Besonderen ihre individuelle Form des Kinetismus. Cizek förderte Klien fachlich, und Klien setzte sich für die Verbreitung seiner kunstpädagogischen wie künstlerischen Grundlinien ein. So werden Kliens Werke bereits 1926 u.a. auf der „International Exhibition of Modern Art“ im Brooklyn Museum von New York als Repräsentantin der Cizek-Schule und einzige Vertreterin der Österreichischen Moderne neben Duchamp, Kandinsky, Klee, Picasso und vielen weiteren international renommierten Künstlern ausgestellt. Ihr künstlerisches Ansehen ist bereits zu dieser Zeit immens, dennoch – oder vielleicht gerade deswegen? – muss sie um Unabhängigkeit und Selbstbestimmung bereits während ihrer kunstpädagogischen Anstellung kämpfen.

Ihre persönlichen Auffassungen stehen den Statuten bzw. (persönlichen) Vorstellungen des Schuldirektors der Klessheimer Elizabeth Duncan-Schule eklatant entgegen. Klien erhofft sich u. a. größere Aufgeschlossenheit in den USA, wohin sie 1929 zum Unterricht an die angesagtesten Schulen berufen wird. Eifersucht und Missgunst – auch seitens weiblicher Zeitgenossen! – bleiben aber auch hier nicht aus. Im Gegenteil, zumal Klien als junge, alleinstehende Künstlerin der ersten Generation von Kunstakademikerinnen, die unkonventionellen Lehrmethoden Franz Cizeks in einem von Männern dominierten Kunst- und Lehrbetrieb zu internationalisieren und sich selbst und, im Besonderen nach dem Krieg gänzlich auf sich gestellt, selbstständig künstlerisch zu etablieren versucht.

Luxury News: Sie haben die Galerie von Ihrem Vater Michael Kovacek übernommen. Wie männlich ist der Kunstmarkt heute noch? Wie ändert sich die Wahrnehmung weiblicher Künstlerinnen am Kunstmarkt?

Kovacek: Bezogen auf die Geschäftsführung, ist der Kunstmarkt von Galerienseite heute tatsächlich eher weiblich – gerade in Österreich gibt es viel mehr Frauen in der Geschäftsführung von Galerien als Männer. Und bezogen auf die Kunstschaffenden lässt sich beobachten, dass auch hier die Tendenz an weiblichen Protagonistinnen deutlich zunimmt. So sind beispielsweise derzeit auf der Biennale mehr Frauen als Männer vertreten. Tatsächlich aber werden die Werke von männlichen Kunstschaffenden immer noch preislich höher bewertet als die von Frauen – ungleich ihrer tatsächlichen künstlerischen Bewertung.

www.kovacek.at