Weltweit schreitet die Digitalisierung unaufhaltsam voran und verändert die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Für den Mittelstand hierzulande stellt sich die Frage, wie digitale Technologien nicht nur genutzt, sondern auch aktiv in das Geschäftsmodell integriert werden können. Denn digitale Technologien bleiben ein essenzieller Faktor für den Erfolg vieler mittelständischer Unternehmen in Österreich.
"Die Digitalisierung bietet enorme Chancen, stellt aber auch eine Herausforderung dar, insbesondere für jene Branchen, die ihre Prozesse traditionell weniger stark auf Technologie ausgerichtet haben. Entscheidend ist, die individuellen Chancen zu erkennen und strategisch zu nutzen, um sich im Markt erfolgreich zu positionieren. Unternehmen, die die Digitalisierung vernachlässigen, laufen Gefahr, gegenüber digitalaffinen Wettbewerbern ins Hintertreffen zu geraten und Innovationspotenziale ungenutzt zu lassen", sagt Christoph Mayer, Partner Cloud Transformation und verantwortlich für die EY Microsoft Service Group bei EY Österreich.
Die Prüfungs- und Beratungsorganisation EY hat die Studie "Digitaler Wandel in österreichischen Unternehmen" durchgeführt und über 500 mittelständische Unternehmen mit 30 bis 2.000 Mitarbeiter:innen zum Thema "KI" befragt. Das sind die Ergebnisse.
26 Prozent setzen bereits KI-Anwendungen ein
26 Prozent der befragten Unternehmen setzen bereits auf KI-Anwendungen, weitere zwölf Prozent planen deren Einführung. "Diese Zahlen unterstreichen, dass sich die Technologie zwar langsam etabliert, jedoch von der breiten Akzeptanz noch weit entfernt ist. Hier müssen österreichische Unternehmen gezielt weiter investieren, um im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig zu bleiben und den Anschluss nicht zu verlieren", sagt Susanne Zach, Leiterin Data & AI bei EY Österreich.
62 Prozent verzichten bislang auf den Einsatz von KI und haben auch keine konkreten Pläne, dies zu ändern. Finanz- & andere Dienstleistungen sowie Industrie, die KI-Anwendungen bereits aktiv nutzen (35 Prozent bzw. 31 Prozent) treiben die Entwicklung voran und nehmen eine Vorreiterrolle ein, während der Immobilien- und Bausektor mit einer Nutzungsrate von nur 13 Prozent deutlich hinterherhinkt.
Zwölf Prozent haben Künstliche Intelligenz bereits strategisch in ihr Geschäftsmodell integriert, ein Anteil, der in Branchen wie Finanz- & andere Dienstleistungen sogar auf 19 Prozent steigt. Zurückhaltend agieren hingegen andere Bereiche, wie Transport, Verkehr und Energie. Da sind es nur vier Prozent.
Trends bei den eingesetzten Technologien
Deutliche Trends zeichnen sich bei den eingesetzten Technologien ab. Besonders verbreitet sind Large Language Models wie OpenAI, die von 26 Prozent der KI-Anwender:innen genutzt werden. Auch Chatbots, die den Kundenservice optimieren, erfreuen sich mit 25 Prozent großer Beliebtheit. 21 Prozent verwenden Microsoft Copilot, während spezialisierte Technologien wie Machine Learning mit zwölf Prozent oder Computer Vision mit sechs Prozent bislang nur von einer kleineren Gruppe eingesetzt werden.
"Die Präferenz für leicht zugängliche und vielseitige KI-Anwendungen zeigt, dass Unternehmen den Einstieg in die Nutzung dieser Technologien möglichst pragmatisch angehen", so Zach.
KI-Regulatorik noch unbekannt
Ein kritischer Punkt bei der Einführung von KI ist die Auseinandersetzung mit regulatorischen Anforderungen. Knapp neun von zehn Unternehmen bzw. 88 Prozent, die KI nutzen, haben sich noch nicht intensiv mit den gesetzlichen Vorgaben beschäftigt. Nur zwölf Prozent geben an, sich umfassend mit der Gesetzgebung auseinanderzusetzen. In Branchen wie Transport und Energie ist diese Problematik ganz besonders ausgeprägt, wo sich nur 37 Prozent überhaupt mit Regulierungsfragen beschäftigen. Bei 76 Prozent liegt dieser Anteil im Immobilien- und Bausektor.
Eine Vielzahl von Unternehmen geht davon aus, dass sie ihre Organisation anpassen muss, um den wachsenden regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden. Entsprechende Veränderungen werden bei 59 Prozent der Befragten erwartet, während fünf Prozent bereits konkrete Maßnahmen umgesetzt haben. 28 Prozent bleiben optimistisch und sehen keinen Bedarf für Anpassungen.
Angesichts der zunehmend komplexen Regulierungslandschaft für KI könnte sich diese Einschätzung jedoch als trügerisch erweisen. Die meisten Unternehmen, die KI einsetzen, berichten trotz aller Herausforderungen von positiven Erfahrungen. Über 70 Prozent der Nutzer:innen geben an, dass KI-Anwendungen ihre Arbeit erleichtert oder sogar verbessert haben. Nur zwei Prozent äußerten negative Auswirkungen.
Auswirkungen der KI auf die Beschäftigung
Was offen bleibt ist die Frage, wie sich Künstliche Intelligenz langfristig auf die Beschäftigung auswirken wird. 26 Prozent rechnen mit Personaleinsparungen und 74 Prozent gehen davon aus, dass das nicht der Fall sein wird. Mit jeweils 31 Prozent sehen besonders die Industrie und der Energiesektor hier Einsparungspotenzial. Bereiche wie Tourismus mit 15 Prozent und Soziales, Wissenschaft, Bildung mit 17 Prozent bleiben eher skeptisch.
Vertrauen in Digitalisierung wächst
75 Prozent der befragten Unternehmen sehen in der fortschreitenden Digitalisierung eine Chance. Nur sieben Prozent betrachten sie als Bedrohung – ein klares Zeichen für das Vertrauen in die digitale Transformation. Bemerkenswert ist, dass der Anteil der Optimist:innen gegenüber Jahresbeginn 2024 um zehn Prozentpunkte gestiegen ist. Diese Entwicklung zeigt, dass viele Unternehmen zunehmend die Möglichkeiten der Digitalisierung erkennen und nutzen. Je nach Branche und Unternehmensgröße variieren jedoch die Einschätzungen. Mit 79 Prozent sehen zum Beispiel die Branchen Immobilien & Baugewerbe sowie Handel & Konsumgüter die Digitalisierung besonders positiv. Auch größere Unternehmen mit einem Umsatz von über 30 Millionen Euro teilen diesen Optimismus mit 78 Prozent.
Kritisch wird die Digitalisierung dagegen in den Bereichen soziale Einrichtungen, Wissenschaft und Bildung betrachtet. Unterschiede gibt es aber auch regional. In Salzburg herrscht mit 83 Prozent der größte Optimismus, während in der Steiermark nur noch 68 Prozent der Unternehmen positiv eingestellt sind und die Digitalisierung dort mit 14 Prozent häufiger als Bedrohung wahrgenommen wird.
Digitale Kompetenzen als Schlüssel
Unternehmen werden bei der digitalen Transformation also nicht nur vor Herausforderungen und Probleme gestellt, neue Technologien zu integrieren, sondern vor allem ihre Mitarbeitenden darauf vorzubereiten. Denn wie gut Teams mit neuen Technologien umgehen können, ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für eine gelungene Digitalisierung.
46 Prozent bewerten in dieser Hinsicht die digitalen Kompetenzen ihrer Teams als "gut" oder "sehr gut". Weitere 44 Prozent vergeben die Note "befriedigend", während lediglich zehn Prozent ihre Teams als unzureichend einstufen. Mit der Durchschnittsnote von 2,4 Prozent schneitet der Bereich Gesundheit & Life Sciences als besonders gut ab. Die Tourismusbranche mit 2,8 Prozent hinkt da etwas hinterher. Kleinere Unternehmen mit einem Jahresumsatz von weniger als zehn Millionen Euro bewerten ihre Teams ebenfalls schlechter als größere Unternehmen (2,8 vs. 2,6).
Vor diesem Hintergrund und um die digitalen Kompetenzen zu stärken, setzen viele Unternehmen auf Fort- und Weiterbildungen (41 Prozent bereits umgesetzt, 34 Prozent geplant) sowie Umschulungen (21 Prozent umgesetzt, 26 Prozent geplant).
Für die Zukunft zeichnet sich auch bei der Personalstrategie ein klarer Trend ab. Mehr als die Hälfte der Unternehmen plant, künftig gezielt neue Mitarbeitende mit ausgeprägten digitalen Kompetenzen einzustellen, um frisches Know-how ins Unternehmen zu holen und den digitalen Wandel aktiv voranzutreiben (16 Prozent bereits umgesetzt, 53 Prozent geplant).
"Die digitale Transformation gelingt nur, wenn neben technologischen Investitionen auch die Qualifikationen der Mitarbeitenden im Fokus stehen. Unternehmen, die gezielt in die Weiterbildung ihrer Teams und die Rekrutierung digital versierter Talente investieren, schaffen die Grundlage für nachhaltigen Erfolg. Dabei geht es auch darum, eine Unternehmenskultur zu schaffen, die den digitalen Wandel als Chance begreift. Wer diesen Wandel aktiv gestaltet, wird langfristig agiler und innovationsfähiger am Markt agieren können", so Hermann Erlach, General Manager von Microsoft Österreich.
Investitionshindernisse
Zahlreiche Betriebe stehen trotz positiver Haltung vor spürbaren Herausforderungen. Begrenzte finanzielle Mittel mit 14 Prozent und fehlendes Personal mit 13 Prozent werden als wesentliche Investitionshindernisse genannt. Aber es gibt auch die andere Seite. Sieben von zehn Unternehmen sehen aktuell keine Hemmnisse, die ihre Investitionen in digitale Technologien einschränken. "Die Zahlen zeigen klar, dass gerade kleinere Unternehmen und bestimmte Branchen gezielte Unterstützung benötigen, um die Digitalisierung erfolgreich voranzutreiben. Hier sind Förderprogramme und strategische Partnerschaften gefragt, um finanzielle und personelle Barrieren abzubauen und den Zugang zu digitalen Technologien zu erleichtern", so Christoph Mayer.
Rahmenbedingungen stoßen auf Kritik
Die Rahmenbedingungen für die Digitalisierung in Österreichs Mittelstand stoßen auf zunehmende Kritik. Nur 33 Prozent der Betriebe bewerten die Standortbedingungen als positiv – der niedrigste Wert seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2019, wo er bei 56 Prozent lag. Im Jänner 2021, dem bisherigen Höchststand, zeigte sich noch eine deutliche Mehrheit von 72 Prozent der Unternehmen zufrieden, seitdem hält der Negativtrend an.
Unterschiede der digitalen Infrastruktur zwischen Stadt und Land kristallisieren sich heraus. Unternehmen in urbanen Regionen wie Wien (30 Prozent eher positiv, acht Prozent positiv) bewerten die Standortbedingungen für die Digitalisierung deutlich positiver als Betriebe in ländlichen Gebieten wie Niederösterreich (17 Prozent eher positiv, fünf Prozent sehr positiv).
Während ländliche Regionen stärker, also mit strukturellen Defiziten kämpfen, die die Digitalisierung erschweren, profitieren Städte etwa von besserer digitaler Infrastruktur und einem größeren Pool an Fachkräften.
"Die Standortbedingungen für die Digitalisierung in Österreich haben aus Sicht der Unternehmen erheblichen Nachholbedarf", so Christoph Mayer abschließend.
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