Medienkompetenz auf dem Prüfstand

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

Wer schon einmal ein Deep-Fake-Video zu Gesicht bekommen hat – und zwar in dem Wissen, DASS es ein Deep-Fake-Video ist – kennt das gruselige Staunen, das ein solches auslösen kann. Und wer unwissentlich eines gesehen hat, staunte womöglich über den Inhalt aus dem Mund des vermeintlichen Protagonisten, so wie es unlängst den Bürgermeistern Wiens und Berlins mit dem Fake-Vitali Klitschko ergangen ist. Können wir unserer Medienkompetenz noch trauen?

Ich komme gerade von den Anifer Journalismustagen, einer Veranstaltung der Österreichischen Medienakademie, zu der JTI Austria seit nunmehr neun Jahren ein enges Verhältnis pflegt. Das Anliegen dieses Intensivworkshops für Jungjournalist:innen ist ein wichtiges, nämlich hervorragend ausgebildete Medienmacher:innen, die fundiert und kritisch die von ihnen ausgewählten Themen betrachten und bearbeiten können. Für uns als Tabakindustrie ist das umso wichtiger, da wir als eine der am strengsten reglementieren Branchen darauf angewiesen sind, dass Berichterstattung objektiv, nicht reißerisch und faktenbasiert, nicht verallgemeinernd stattfindet.

Erfahrung schützt vor Irrtum nicht

Es ist im Zeitalter der Digitalen Medien, in denen jede:r seinen bzw. ihren eigenen Podcast, Newsletter, Blog, Social Media Kanal etc. launchen kann, ein absolutes Muss, sich mit diesen unterschiedlichen Kommunikationsplattformen auseinanderzusetzen. Dabei geht es um die Funktionsweisen einerseits, aber auch um Chancen und Risiken auf der anderen Seite. Auch Glaubwürdigkeit ist ein zentrales Thema, das man immer im Hinterkopf behalten muss, wenn man den (Wahrheits-)Gehalt der gehörten oder gelesenen Informationen beurteilen möchte. Vor mittlerweile fünf Jahren hat es der von mir sehr geschätzte Bild-Chefreporter Hans Jörg Vehlewald als Keynote-Speaker der Anifer Journalismustage auf den Punkt gebracht: "Jeder ist ein Medium!" Was meinte er damit? Jede:r kann seine Meinung (die nicht zwangsläufig Fakt ist!) publizieren und in Umlauf bringen, ohne irgendeinen Beweis für die Richtigkeit antreten zu müssen. Die Gerüchteküche brodelt und wir kommen mit Kopfschütteln über manch hanebüchenen Unsinn gar nicht mehr hinterher.

Nun sind Sie, meine geschätzten Leserinnen und Leser, und ich erwachsene Menschen, Leute, die in ihrem Berufsalltag ständig mit allen möglichen Medien – digital und analog, wem das noch ein Begriff ist – konfrontiert sind. Wir bewegen uns vermeintlich sicher auf diesem Terrain und vertrauen darauf, "gut" von "böse", "richtig" von "falsch" unterscheiden zu können. Wir haben ja viele Jahre Erfahrung auf dem Gebiet. Doch auch das schützt vor Irrtum nicht – siehe Klitschko.

Wie steht es um die Jugend und die Kinder?

Fortbildungen wie die Anifer Journalismustage sind daher ein wichtiges Instrument, um sich auf diesem Gebiet Kompetenzen anzueignen, aber wie steht es um die Jugend und die Kinder? Die sogenannten Digital Natives wachsen damit auf, in jeder Sekunde von allen Seiten mit Informationen zugeschüttet zu werden, deren Gehalt sie jedoch in vielen Fällen nicht beurteilen können. Es fehlt an Erfahrung und Kompetenz. Sehr erfreulich fand ich daher die Nachricht, dass ab Herbst an Österreichs Mittelschulen „Digitale Grundbildung" als Pflichtfach Einzug in den Stundenplan halten soll. Während zumindest einer Stunde pro Woche soll den jungen Menschen hier Medienkompetenz und Verständnis für Social Media nähergebracht werden. Ein guter Anfang, aber meiner Meinung nach viel zu wenig! Von allem, das kritisches Denken fördert, kann es glaube ich gar nicht genug geben.

Mit diesem Gedanken möchte ich mich in die Sommerpause verabschieden, aus der ich mich voraussichtlich vom Europäischen Forum Alpbach zurückmelden werde. Sollten Sie in der Zwischenzeit einen Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert zu Gesicht bekommen, dann ist es FAKE! Ich wünsche Ihnen wunderbar erholsame Sommertage und freue mich auf ein Wiederlesen Ende August!

www.jti.com 


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"...dass Berichterstattung objektiv, nicht reißerisch und faktenbasiert, nicht verallgemeinernd stattfindet" - so viel zur Theorie. Die gelebte Praxis sieht seit jeher anders an und es gibt seit Jahren eher eine massive Negativspirale nach unten.

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