Grenzschutz im Lendenschurz

| 05.12.2018

expressis verbis von Alexander Schöpf.

Eine nicht ganz alltägliche Nachricht hat in den vergangenen Wochen weltweit die mediale Berichterstattung geprägt: Ein Missionar wurde von Ureinwohnern getötet, nachdem er deren Insel im Indischen Ozean betreten hatte. Der 27-jährige US-Amerikaner John Allen Chau war nach Indien gereist, um Kontakt zum Volk der Sentinelesen aufzunehmen und die Stammesangehörigen zum christlichen Glauben zu bekehren.

Eine nicht besonders gute Idee, wie sich herausstellte: Nachdem er alle Warnungen im Vorfeld in den Wind geschlagen hatte und sich von Fischern zu der Insel North Sentinel bringen ließ, wurde er kurz nach seiner Ankunft auf dem Eiland am 17. November von den Bewohnern mit Pfeilen attackiert, getötet und schließlich am Strand verscharrt.

Das Ereignis wurde auch in den Foren der Onlinemedien und auf Social Media-Plattformen wie Facebook heiß diskutiert. Interessanterweise rückte dabei die Frage, ob der Tod des Missionars ein juristisches Nachspiel haben sollte oder nicht und ob wir die moralischen und juridischen Maßstäbe der westlichen Welt auf diesen Fall anwenden können, teilweise in den Hintergrund – auch wenn die Thematik in diversen Artikeln, wie diesem von Deutschlandfunk, behandelt wurde.

Vielmehr sorgt das kompromisslose Handeln der Sentinelesen bei vielen Usern für feuchte Träume, was den Grenzschutz in unseren Breitengraden betrifft: Wer sich ungefragt der österreichischen Grenze oder der EU-Außengrenze nähere, solle ebenfalls terminiert werden – ganz nach dem Motto "zuerst schießen, dann fragen". Das sei es nämlich, was sich das Volk wirklich wünsche, zeigt sich so mancher Held an der Tastatur überzeugt.

Ich teile diese Einstellung nicht unbedingt, aber ich könnte mir durchaus vorstellen, dass all jene, die diese Art von Grenzschutz bevorzugen, sich ebenfalls in einen Lendenschurz schmeißen, sich von Handy, Laptop und sonstigen Annehmlichkeiten der westlichen Welt verabschieden und sich auf irgendeine unbewohnte Insel schleichen. Auf dieser können sie dann – abgeschnitten von der Außenwelt, Internet, TV, staatlichen Gesundheitssystemen, fließendem Wasser, Strom und was wir hier sonst noch als selbstverständlich empfinden – ihren steinzeitlichen Grenzschutz mit handgeschnitztem Pfeil und Bogen durchziehen. Viel Glück und Erfolg dabei.

Kommentar schreiben

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV