Das Erfolgsrezept der Marke Rolex

| 07.07.2020

Seit über 100 Jahren zeigt die ikonische Brand, worauf es im Luxusmarkt ankommt.

 Im Jahr 1905 gründete der gebürtige Deutsche Hans Wilsdorf Rolex. Heute gehört die Luxusuhrenmarke zu den wertvollsten Marken der Welt, sie ist die klare Nummer Eins im Segment der Luxusuhren. Wie hat Wilsdorf, der 1960 – also vor 60 Jahren – verstorben ist, das geschafft? Markenstratege Klaus Dieter-Koch, Gründer von BrandTrust, über den Erfolg von Hans Wilsdorf und seiner Marke Rolex.

Hans Eberhard Wilhelm Wilsdorf war weder Uhrmacher noch ein Genie für Mechanik. Er absolvierte eine Händlerlehre. Das prägte ihn: Er dachte von den Kunden und ihren Wünschen her. Also nicht vom Machbaren wie ein Uhrmacher, der erst etwas erfindet und dann vermarktet. Wilsdorf dachte nicht von hinten, sondern von vorn – aus der Richtung, aus der das Geld kommt.

Der gebürtige Deutsche fragte sich konsequent: Was will der Kunde? Welches Problem kann ich für ihn lösen, besser als der Wettbewerb? Was viele nicht wissen: Die Rolex-Gründung erfolgte in disruptiven Zeiten. Damals war eine Uhr eine Taschenuhr – und damit nur für Männer. Im ersten Weltkrieg waren Taschenuhren für die Offiziere zu umständlich. Deshalb verlangten sie Uhren, die sie sich ans Handgelenk binden konnten. Das war die Geburtsstunde der Armbanduhr. Und Rolex war Antreiber dieser Entwicklung. 



Das nächste Kundenproblem, das Wilsdorf löste, war das Wasser. Zur Beweisführung, dass seine Uhren wasserdicht sind, sponserte er die Schwimmerin und Sekretärin Mercedes Gleitze, die mit einer wasserdichten Rolex Oyster den Ärmelkanal durchschwamm.

Von Anfang an konzentrierte sich Wilsdorf auf Herausforderungen bestimmter Berufsgruppen. Mit der Erfindung des Düsenjets wurden Ende der 50er Jahre Non-Stop-Interkontinentalflüge möglich. Damit entstand ein Problem für die Piloten: die Zeitzonen. Wilsdorf fokussierte sich auf diesen Pain Point und erfand für diese Zielgruppe die Master GMT: eine Uhr, die zwei oder mehr Zeitzone gleichzeitig anzeigen kann. Schnell avancierte sie zur Lieblingsuhr des aufkommenden Jetsets.

Das Gleiche machte Wilsdorf für Rennfahrer (Daytona), Taucher (Submariner) und Ingenieure (Milgauss). Er schuf in der jeweiligen Kategorie Ikonen, die bis heute maßgebend sind. Zwar war er nicht der Erste, der so vorging – aber er war der konsequenteste.

 Rolex wurde von Anfang an als Weltmarke angelegt

Schon bei der Namensgebung ging es Wilsdorf nicht um sein Ego. Gründungen trugen zu dieser Zeit fast ausnahmslos die Namen ihrer Erschaffer (zum Beispiel Patek Philippe, Audemars Piguet und Breguet). Er hingegen wählte Wortschöpfungen, die in jedem Sprachraum gut verstanden werden, merkfähig sind und den Anspruch der Marke verkörpern.

Auch der Gründungsort hatte Einfluss auf den Anspruch. Das war kein entlegenes Tal im Jura oder die Uhrenstadt Genf, sondern London, die Hauptstadt des British Empire, das damalige Zentrum der Welt. Hier waren die Menschen und das Geld – aber auch der denkbar härteste Wettbewerb.  Dieser Ort führte dazu, dass Rolex von Anfang an die Welt als Maßstab nahm, sei es in der Distribution, im Pricing, in den Standards für den Kundenservice oder in der massiven Werbung. Das hatte zur Folge, dass GIs mit einer Rolex am Handgelenk in den Vietnamkrieg zogen. Sie wussten: Mit einer Rolex als Tauschmittel kommen sie immer raus aus dem Land.

Noch heute ist die Marke dank ihrer weltweiten Verbreitung, ihres hohen Wiedererkennungsgrads und ihrer Wertbeimessung als Zahlungsmittel einsetzbar. Für eine Rolex bekommt man überall auf der Welt ein Flugticket nach Hause.

Beweise statt Behauptungen

Obwohl Rolex von Anfang an ein marketingbestimmtes Unternehmen war, wollte Wilsdorf keine für Luxusuhren typische Fassade bauen. Er setzte auf Beweise statt Behauptungen. Damit war Rolex seiner Zeit weit voraus und ist es auch heute noch. Dass die Profischwimmerin Gleitze den Ärmelkanal mit einer Rolex durchquerte, war nur der Anfang: Wilsdorf montierte eine Rolex-Taucheruhr an die Außenseite eines U-Boots, das in den Mariannengraben tauchte, zum tiefsten Punkt der Erde. Bis heute spielt „Evidence Based Marketing“ die zentrale Rolle in der von Rolex. Es wurde zur Blaupause des Luxusuhrenmarketings und wird vielfach kopiert.

Pre-loved Modelle

Eine völlig zerkratzte, 50 Jahre alte Rolex-Stahluhr erzielt auf dem pre-owned Markt ein Vielfaches jenes Preises, der für ein aktuelles Modell im Laden verlangt wird. Wer sich schon mal gefragt hat, warum das so ist, bekommt eine Ahnung davon, warum Markenpflege mehr mit Kontinuität als mit Kreativität zu tun hat.

Eine GMT Master von 1958 sieht einer aktuellen GMT Master immer noch zum Verwechseln ähnlich. Der Laie wird kaum einen Unterschied entdecken. Natürlich liegen dazwischen unzählige Verbesserungen bei den verwendeten Materialien, der Konstruktion des mechanischen Uhrwerks, dem Design des Zifferblatts oder des Armbands. Alles wurde mit der Zeit immer besser, robuster, genauer oder schöner, wohlproportionierter.

Rolex ist die Meisterin in der selbstähnlichen, fast unmerklichen Weiterentwicklung ihrer Modelle, ihrer Marke und ihrer Kommunikation. Trends wie 2D-Logos ziehen an Rolex fast spurlos, aber auf jeden Fall unmerklich, vorbei. Das ist wesentlich im sehr langsamen Luxusgeschäft. Abrupte Änderungen, wie sie viele Marken praktizieren, sind Gift für Produkte, denen man nicht ansehen will, wie veraltet sie sind.

Hans Wilsdorf schuf für die Marke eine eigene Norm, die er konsequent verfolgte. Seine Nachfolger halten sich daran. Rolex lenkt die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf Details, zum Beispiel auf einen neuen Zifferblattaufdruck oder ein neues Armband, das mit vergleichsweise wenig Aufwand herzustellen ist. Das erzeugt oft mehr Resonanz als die komplett neu entwickelte Uhrenlinie eines Wettbewerbers.  Dieselbe Kontinuität beweist Rolex im Umgang mit Lieferanten, Mitarbeitern und Händlern. Nicht wenige sind seit Gründung Konzessionär der Marke.

Marke vor Mitarbeiter

So extensiv und geschickt Rolex betreibt, so konsequent hüllt sich das Unternehmen in Schweigen, wenn es um Personen geht. Jeder Mitarbeiter – inklusive CEO – hat hinter der Marke zurückzutreten. Rolex-CEOs geben traditionell keine Interviews. Besuche in den Produktionsstätten, bei den meisten Luxusuhrenmarken Standard, gibt es bei Rolex nicht. Selbst nicht für die einflussreichsten Journalisten.

Die Marke besitzt die mit Abstand größte Sammlergemeinde der Welt, unterstützt sie aber in keinster Weise. Keine Sondermodelle, keine Einladungen, keine Events, nicht einmal Informationen aus den Archiven zu Modellnummern, Produktionszahlen und ähnliches, was die Sammlertätigkeit erleichtern würde, werden herausgegeben. Alles muss mühevoll selbst recherchiert werden, ohne Hilfe von Rolex. Diese in allen Bereichen gelebte Distanz und die volle Konzentration auf ein perfektes Produkt, das die gesamte Markenleistung verkörpert und für sich steht, treibt die Anziehungskraft der Marke ins Unermessliche.

Lebenswerk in Stiftung geparkt

Mangels Erben übertrug Hans Wilsdorf sein Lebenswerk in eine Stiftung. Das bewahrte Rolex vor dem Zugriff von Konzernen und vor kurzfristigem, Aktienkurs-getriebenem Denken und Handeln. Kein LVMH, kein Richemont, keine Swatch Group wird jemals Zugriff auf jene Marke bekommen, die sie alle seit Jahrzehnten dominiert und den Kurs vorgibt. Auf Hans Wilsdorf folgten in den vergangenen 60 Jahren erst fünf CEOs, sie alle fühlten sich seinem Erbe verpflichtet. (red)

www.rolex.com