"Die Kluft zwischen individueller Körperzufriedenheit, sowie gesellschaftlich vorgegebenen Schönheitsbildern wird immer größer"

| 10.03.2020

Dagmar Millesi, Fachärztin für Plastische und Ästhetische Chirurgie, über die ethischen Standards in der Schönheits-Chirurgie.

Individuelle Körperzufriedenheit und gesellschaftlich vorgegebene Schönheitsbilder klaffen immer weiter auseinander. Dagmar Millesi, Fachärztin für Plastische und Ästhetische Chirurgie, über die Veränderungen in der Schönheitschirurgie, wie weit diese eigentlich gehen darf und ihre Visionen für die Branche.

Luxury News: Werden durch Social Media unrealistische Schönheitsideale vorgegaukelt? Wie weit darf die Schönheitschirurgie gehen, um diese zu erreichen?

Millesi: Ja, leider! Und diese zweite Online-Welt sowie verschiedene Sociale Medien geben ein Idealbild vor, dem so nicht nachzueifern ist. Wie erwähnt, soll die plastisch-ästhetische Chirurgie nicht verändern, sondern vorhandenes verbessern. Außerdem muss immer die Relation zwischen dem Aufwand und dem zu erwartendem Ergebnis passen. Durch soziale Medien wird auch oft eine falsche Erwartungshaltung geschürt, Filter & Co zeigen unnatürlich Gesichtsformen, die es so in der „realen“ Welt nicht gibt und auch mit plastischer Chirurgie nicht erreichbar sind.

Luxury News: Warum, glauben Sie, ist die Hemmschwelle, sich einem chirurgischen Eingriff zu unterziehen, gesunken?

Millesi: In der Vergangenheit hatten ästhetische Operationen etwas Anrüchiges an sich. Dies hat sich gründlich geändert. Weil immer mehr Celebrities und Personen des öffentlichen Lebens offen zu ihren Eingriffen stehen, weil Eingriffe „gesellschaftsfähig“ werden. Heute werden kosmetische Operationen grundsätzlich toleriert, sofern sie zu einem befriedigenden Ergebnis und nicht zu einem stereotypen Äußeren führen

Luxury News: Was hat sich in den letzten Jahr in der plastischen Chirurgie ganz allgemein verändert?

Millesi: Was sich laufend verändert und verbessert ist die Technik, wie z.B. die Lasertechnologie, die non invasiven Methoden etc. Diese technologischen Verbesserungen ermöglichen auch, dass gewisse Eingriffe weniger schmerzvoll sind als früher. Dennoch muss man beachten, dass Veränderung nicht gleich Verbesserung ist, denn nicht alles bewährt sich.

Luxury News: Welche Maßnahmen haben nach wie vor ihre Berechtigung?

Millesi: Klassiker in der plastisch-ästhetischen Chirurgie sind nach wie vor Facelifts, Brustverkleinerungen und – vergrößerungen, Bauchdeckenstraffungen, etc. Das sind Eingriffe, bei welchem die Nachfrage seit Jahren konstant ist und diese können nach wie vor nicht ersetzt werden.
 
Luxury News: Wann sind ästhetisch-chirurgische Eingriffe ethisch abzulehnen?

Millesi: Die ästhetische Chirurgie soll harmonisierend sein, sie soll verbessern, wenn es etwas zu verbessern gibt. Sie soll nicht verändern. Wir sollen nicht zum Erfüllungsgehilfen der Patienten werden. Patienten mit falscher Erwartungshaltung, mit psychischen Problemen sollten nicht operiert werden. Auch Eingriffe, die fremdbestimmt sind, sollten nicht durchgeführt werden. Als plastischer Chirurg sollte man nur Eingriffe machen, mit denen man sich selbst auch identifizieren kann.

Luxury News: Gibt es ein Alter, ab dem man mit schönheitsmedizinischen Eingriffen beginnen sollte?

Millesi: Vor 18 sind ästhetisch chirurgische Eingriffe verboten. Außer sie haben auf Grund eines sehr starken Leidensdruckes eine Berechtigung. Hier ist jedoch das Einverständnis der Eltern notwendig. Wann man beginnen sollte, hängt natürlich von der Art des Eingriffes Art. Bei einem Jugendlichen kann man abstehende Ohren korrigieren, aber niemand würde ein Facelift durchführen. Hier kann nicht pauschaliert werden.
 
Luxury News: Wann wird ein äußeres Erscheinungsbild zu einem Makel? Wer entscheidet ob ein Makel ein psychisches oder physisches Problem ist?

Millesi: Schon im Erstgespräch ist meist zu erkennen, ob ein psychisches Problem besteht, wenn z.B. ein geringer Makel überbewertet wird („Thersites-Syndrom“), dann kann auch die plastische Chirurgie nicht helfen.
 
Luxury News: Wie sieht die Zukunft der Schönheitschirurgie aus Ihrer Sicht aus? Was wird sich verändern?

Millesi: Es wird sich in der Art der Eingriffe nicht viel ändern, was sich doch vielleicht auch in unseren Breiten ändern kann ist das Schönheitsideal an sich. In den USA gibt es nach Südamerika derzeit einen Hype um unnatürlich große Popos. Solche "Trends" können natürlich auch zu uns kommen. Generell sollte berücksichtigt werden, dass in anderen Ländern andere Schönheitsideale gelten und sich das natürlich auch auf die plastisch-ästhetische Chirurgie auswirkt.

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